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Dave Chappelle´s Block Party
Nette Nachbarn
"Dave Chappelle´s
Block Party" ist ein Musikfilm mit Comedy-Einlagen und gibt außerdem
Einblicke in die Geschichte des Hip Hop samt kulturellem und sozialem Selbstverständnis
des schwarzen Amerika
"Diese Sache hier ist größer
als Hip Hop," hört man einen Bekannten von Christopher Wallace, besser
bekannt als der 1997 erschossene Rapper Notorious B.I.G., in Dave
Chappelles Block Party sagen. Die Worte des Zeitzeugen
aus dem Brooklyner Bedford-Stuyvesant-Distrikt zielen auf die allgemeinen Lebensverhältnisse
afro-amerikanischer Jugendlicher in "gemischten" Vierteln ab, aber
sie lassen sich genauso gut auf die titelgebende Block-Party beziehen, die der
Stand Up-Comedian Dave Chappelle an einem Septembernachmittag im Jahr 2004 mit
viel Herzblut in "BedStuy" organisierte: eine spontane Straßenparty,
die die Creme de la Creme des sogenannten conscious
hip hop zusammenbrachte: Kanye West, Mos Def,
Common, Erykah Badu, The Roots, Talib Kweli, die Dead Prez, Jill Scott und –
als Krönung – die wiedervereinigten Fugees. "Das ist das Konzert",
erzählt Chappelle in Michel Gondrys Musikdokumentation stolz in die Kamera,
"das ich schon immer sehen wollte".
In Amerika gilt Chappelle mit
seiner Comedy-Sendung Chappelle´s Show als erfolgreichster schwarzer Fernsehkomiker
aller Zeiten. Seine Vorgänger mussten für einen solchen Erfolg noch
einen hohen Preis zahlen: Richard Pryor wurde zum Drogenwrack, Eddie Murphy
verkaufte sich allzu schnell in Hollywood weit unter Wert, und Chris Rock, der
letzte große Hoffnungsträger der Traditionslinie "angry black
man", wurde im letzten Jahr nach seiner Präsentation der Academy Awards
aufgrund seiner ausgestellten Zahmheit ausgerechnet von weißen Kritikern
böse demontiert.
Chappelle ist sich seiner zwiespältigen
Stellung im amerikanischen Showgeschäft durchaus bewusst. Die Scherze schwarzer
Komiker auf Kosten der weißen Mehrheit werden in den USA gerne goutiert,
solange sie gewisse Grenzen nicht überschreiten. Die Wogen des Enthusiasmus,
die Chappelle seit dem Start seiner Comedy-Show entgegenschlugen, waren überwältigend;
gleichzeitig begannen ihn jedoch auch früh Zweifel zu plagen. Kann die
Message, die Botschaft überhaupt rüberkommen, wenn weiße Fans
die rassistischen Stereotypen und emanzipatorischen Modelle von blackness bloß noch als Comedy wahrnehmen?
Im letzten Jahr erkannte Chappelle, dass auch sein Erfolg einen Preis hat, und
den war er nicht bereit zu zahlen. Er schlug einen 40 Millionen-Deal für
die dritte Staffel der Chappelle Show aus und verschwand für einige Monate
nach Afrika. "Es wurde einfach zu verrückt", so sein Kommentar.
Block Party entstand vor seinem Rückzug
aus der Öffentlichkeit, aber der Film liefert bereits Einblicke in Chappelles
innere Befindlichkeiten. Selbstironischer Trickster, der er ist, sind seine
Anmoderationen und Kommentare gespickt mit Seitenhieben auf den eigenen Celebrity-Status
und sein dickes Bankkonto. Gleichzeitig vollzieht Chappelle mit Block Party einen bravourösen Rekurs
auf die Geschichte des Hip Hop und das kulturelle und soziale Selbstverständnis
des schwarzen Amerika. Block Partys waren Ende der siebziger Jahre die Keimzelle
des Hip Hop; hier trafen sich DJs und MCs, um aus der Geschichte schwarzer Musik
einen neuen Sound zu sampeln: Rap Music. Innerhalb weniger Jahre entwickelten
sich Block
Partys
zum Fundament eines erstarkten Gemeinschaftsgefühls unter ethnischen Minderheiten,
vor allem jungen Schwarzen und Hispanos.
Dave Chappelles Block Party stellt damit auch ein eindrucksvolles
Statement des afro-amerikanischen
Zusammengehörigkeitsgefühl dar, das
ebenfalls in der Geschichte ein Vorbild findet. 1972 organisierte das Soul-Label
Stax anlässlich des siebenjährigen Jubiläums des Watts-Aufstandes
im Coliseum von Los Angeles ein ganztägiges Musik-Festival, das nicht nur
Stars wie Isaac Hayes, Rufus Thomas, die Staples Singers, Albert King und die
Bar-Keys zusammenführte, sondern auch ein neues Selbstvertrauen der afroamerikanischen
Community zum Ausdruck brachte. (Unvergessen ist die flammende Eröffnungsrede
von Jesse Jackson und die hoch in die Luft gereckten Fäuste des fast ausschließlich
schwarzen Publikums.) Für seine Dokumentation Wattstax interviewte damals der Regisseur Mel Stuart zudem die Bewohner
von Watts und schnitt zwischen die Interviews und Liveaufnahmen zum Brüllen
komische
Stand Up-Einlagen von Richard Pryor.
Chappelles ätzend-ironische
und sozialkritische Kommentare erfüllen in Block Party eine ähnliche Funktion wie damals Pryors bissige Imitationen
von schwarzen Kleinkriminellen und rassistischen Bullen. Chappelles Versuch,
als millionenschwerer Star, dessen Sprüche inzwischen zum Standardrepertoire
weißer Jugendlicher gehören, einen Bogen zurück zu einem traditionellen
Verständnis afroamerikanischen Community-Denkens zu schlagen, könnte
natürlich leicht als blanker Zynismus verstanden werden. Aber Chappelle
zieht seine Gastgeberrolle mit solch kindlichem Enthusiasmus durch, dass seine
Block Party das große Ziel nie aus den Augen verliert. Zuallererst fährt
er in seine Geburtsstadt in Ohio, um Passanten mit Bustickets nach Brooklyn
zu locken (einen Bewährungshelfer fragt er, wann er schon mal die Gelegenheit
habe, mit einem schwarzen "Brother" abzuhängen; und die ältere
Dame, die den örtlichen Coffeeshop betreibt, meint, dass sie zu einer Hip
Hop-Party wohl ihren G-String einpacken müsse).
Die sozialen und politischen Obertöne
schmälern die Partystimmung in keiner Weise. Das Publikum lässt sich
nicht einmal von den permanenten Regenfällen beeindrucken, die ab dem frühen
Mittag über der kleinen Sackgasse in Brooklyn niedergehen. Wenn die Dead
Prez in ihrem Song Turn
Off the Radio
verkünden, dass es an der Zeit sei, die "Cracker", die Rednecks,
aus den Rathäusern zu vertreiben, ernten sie Beifallsstürme. Und irgendwann
holt Mos Def auch noch den Sohn des Black Panther-Aktivisten Fred Hampton auf
die Bühne. Zwischendurch unterhält sich Chappelle mit der Leiterin
des Kinderhorts, der als Backstageraum dient, über den eingangs erwähnten
Notorious B.I.G., BedStuys bekanntestes Kind. Das Drumherum ist in Block Party ebenso wichtig wie das Ereignis
selbst – die Musik, die Stars, die coolen Sprüche. So wird Chappelles Projekt
zu einer lässigen Rückbesinnung auf längst überholt geglaubte
Werte: die Nachbarschaft, freundschaftliche Gesten, das Wissen um die eigene
Herkunft. Dinge eben, die größer sind als Hip Hop.
Andreas Busche
Dieser Text
ist zuerst erschienen in: Freitag
Dave Chappelle’s Block Party
USA 2005 – Regie: Michel Gondry – Darsteller: Dave Chappelle,
Wyclef Jean, Kanye West, Mos Def, Common, The Roots, The Fugees, Cody ChesnuTT,
Dead Prez, Talib Kweli – FSK: ohne Altersbeschränkung – Fassung:
O.m.d.U. – Länge: 103 min. – Start: 3.8.2006
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