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Darkness

Wie der Vater so der Sohn

 

Der spanische Grusel-/Horrorfilm hat in den vergangenen Jahren ein ganz eigenes Gesicht bekommen. Fast so etwas wie eine narrative und visuelle Tradition hat sich herausgebildet. Daher sind sich Balaguerós The Nameless oder Amenábars The Others und jetzt Darkness in ihrer Handschrift recht ähnlich. Hauptmerkmal ist vor allem eine Rückbesinnung auf die Motive der Gothic Novel und eine recht originelle visuelle Präsentation des Unheimlichen.

 

Eine amerikanische Kleinfamilie mit zwei Kinden zieht von der Stadt in ein Landhaus. Größtenteils in Eigenarbeit will Mark, der Vater, das Haus renovieren. Einiges scheint im Argen zu liegen: Aus unerfindlichen Gründen flackert ständig das Licht, die Wasserleitungen spucken zuerst immer dunkle Brühe aus und Geräusche – wohl von Ratten – kommen aus den Wänden. Dass etwas mit dem Haus nicht stimmt, glaubt auch der kleine Paul, denn in seinem Zimmer bekommen die Spielsachen nachts ein Eigenleben und irgendetwas unter seinem Bett hat ein merkwürdiges Verlangen nach Buntstiften. Während der Renovierungsarbeiten entdeckt der Vater unterhalb der Treppe einen Raum, in dem er verschiedene Gegenstände, unter anderem ein Grammophon und eine alte Fotografie mit drei recht gruselig aussehenden alten Frauen findet. Und es gibt offenbar noch weitere Bewohner des Hauses, die vor allem Paul zu schaffen machen und ihn sogar angreifen. Einzig seine Schwester glaubt, dass etwas mit dem Haus nicht stimmt und beginnt eine Recherche, bei der sie feststellt, dass es sich um einen okkulten Ort handelt, in dem vor 40 Jahren sieben Kinder getötet werden sollten. Eines konnte jedoch entkommen und ist nun freiwillig an den Ort seiner Angst zurückgekehrt.

 

Die Story von Darkness könnte klassischer nicht sein. Vom Haunted House-Motiv bis hin zur Zerstörung der Kleinfamilie ist alles schon einmal dagewesen. Doch scheinen diese Wiederaufnahmen altbekannter Erzählmuster und -figuren nicht das Wesentliche des Films zu sein. Vielmehr ist es die Beschäftigung mit dem Thema der Dunkelheit selbst, die sich im Film selbst nur durch das eigentlich sehr "unfilmische" Fehlen von belichtetem Material verdeutlichen lässt. Und genau mit diesem Fehlen erzeugt Darkness beim Zuschauer Angst, weil dieser durch den Film – zumindest im Kino – selbst in Dunkelheit getaucht wird. Konsequent verfolgt Balagueró diesen Effekt, wenn er nicht nur die Protagonisten als ständig von der Dunkelheit bedroht darstellt, sondern auch die Montage der Szene selbst immer mehr mit Schwarzblenden realisiert. In beziehungsweise hinter der Dunkelheit erscheinen dann die Geister der getöteten Kinder und anderer "Hausbewohner", die von der immer mehr verängstigten Familie nicht, dafür vom Zuschauer umso deutlicher, wahrgenommen werden. Der Grusel und die Suspense entsteht genau aus diesem optischen Wissensgefälle.

 

Balagueró setzt die Idee der Dunkelheit gekonnt um und präsentiert seine Phantome mit nachhaltig beeindruckender optischer Finesse: Verkrümmte Gestalten, die – von den Protagonisten unbemerkt – im Dunkeln über die Zimmerdecken krauchen, in stroboskopartiges Licht getauchte Kinder, die sich "zappelnd" auf den kleinen Paul zubewegen und ein Kamerablick, der, je hektischer und verstörender die Erzählung wird, immer unruhiger zittert und damit das Unheimliche, das in solchen Momenten sonst visuell fassbar würde, immer wieder entgleiten lässt und damit nicht kompromittiert oder entzaubert. Unterstützt wird diese Optik durch eine Tonspur bestehend aus Schreien, Seufzern und Geräuschen, die suggerieren, dass noch etwas im Raum anwesend ist, das man nicht sehen kann – hier leistet vor allem die Tonkanaltrennung im Kino ganze Arbeit.

 

Das Inventar an Verfahren zur Erzeugung von Grusel liest sich in der Tat wie aus einer "How to write a Gothic Novel"-Anleitung und genau in dieser Tradition präsentiert sich Darkness auch. Der psychologisch fundierte Horror des Unheimlichen, wie Freud ihn an E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann exemplifizierte, hat sich im Gruselkino stets bewährt und auf diese Grundlage greift Balagueró für seine Erzählung zurück und verwebt sie mit der Psychogenese seiner Charaktere. Denn Darkness ist auch die Entwicklungsgeschichte des kleinen Paul und seiner etwas älteren Schwester Regina, die beständig versucht ihren Bruder zu trösten und ihm die Angst vor der Dunkelheit zu nehmen. Diese Dunkelheit hat für sie jedoch neben der manifesten Erzählung des verwunschenen Hauses noch ein zweites Gesicht: das des Vaters und des Großvaters, welche für Regina Momente des adoleszenten Konfliktes darstellen.

 

Das Spiel des zusehends verrückter und aggressiver werdenden Vaters (Iain Glen) und seiner Kinder (Anna Paquin und Stephan Enquist) ist hervorragend. Etwas blass im Hintergrund erscheint dagegen die Mutter Maria (Lena Olin), die für Balagueró reine "rationalistische Erfüllungsgehilfin" des Skriptes zu sein scheint. Der Großvater (Giancarlo Giannini) bleibt – obwohl er einen der Ankerpunkte der Erzählung darstellt – blass und reichlich unmotiviert.

 

Darkness ist sicherlich kein Film, der für nachhaltige Furore im Genrekino sorgen wird. Aber er gehört zu den kleinen cineastischen Ereignissen, die gleichermaßen zarte wie harte Gemüter zu faszinieren und höchstwahrscheinlich zu gruseln vermögen. Zudem ist er ein weiterer interessanter Beitrag in der Tradition des jungen spanischen Horrorfilms, der die ganz eigene Handschrift des dortigen Genres weiterentwickelt.

 

Stefan Höltgen

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:  F.LM

 

 

Darkness

Regie: Jaume Balagueró

Buch: Jaume Balagueró & Fernando de Felipe, Kamera: Xavi Giménez, Musik: Carles Cases

Darsteller: Anna Paquin, Lena Olin, Iain Glen, Giancarlo Giannini, Fele Martínez, Stephan Enquist u. a.

Verleih: Dimension Films, Länge: 102 Minuten.

 

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