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Crazy

 

 

 

 

"Crazy" hat nichts Außergewöhnliches zu erzählen. Es ist die in fast jedem Aspekt längst ganz und gar topische Geschichte des Teenagers als Außenseiter (physisch markiert hier durch die Behinderung, aber so richtig notwendig wäre das gar nicht), der nicht für die Schule (hier das Internat) lernen will, sondern fürs Leben. Nur so ganz unterscheidbar ist beides nicht. Das Mädchen, in das er sich verliebt, ist eine Mitschülerin. Der Konkurrent um das Mädchen ist sein Mitbewohner und bester Freund. Und keiner von beiden kriegt sie. Es gibt dumme Sprüche, cooles Gehabe, peinliches Liebeswerben, adoleszente Philosophie, den Ausflug ins Striplokal, einen Wichs-Contest und den so fortgesetzten wie erfolglosen Kampf gegen die Mathe-Sechs. Nichts fehlt, nichts ist neu.

 

Das Gewöhnliche aber, das der Film erzählt, erzählt er außergewöhnlich gut. Hans-Christian Schmid, der mit "Nach Fünf im Urwald" und "23 – Nichts ist wie es scheint" bereits zwei hervorragende Filme gemacht hat, frischt die Klischees durch die Beiläufigkeit auf, mit der er sie in Szene setzt. "Crazy" ist in gewisser Weise ein Dogma-Film, wenngleich (Musikeinsatz, 35mm-Film etc.) ein gänzlich undogmatischer. Die Handkamera tut erst gar nicht so, als habe sie es mit Charakteren und Dispositionen von großer Bedeutsamkeit zu tun, sie geriert sich quasi-dokumentarisch und schaut einfach zu. Die Szenen sind nicht sorgfältig aufgebaut (oder: sie tun jedenfalls nicht so, als wären sie es), sondern von nonchalanter Pointenlosigkeit. Es gibt abrupte Einstiege, Ellipsen und Abbrüche. Slices of Life. Wie in den beiden Vorgängern sind die Schauspieler wieder hervorragend geführt. Sage keiner, es sei keine Kunst, jugendliche Darsteller Jugendliche so spielen zu lassen, dass es aussieht, als sei es keine Kunst. Außer Jacques Doillon, Noemie Lvovsky und Abbas Kiarostami kenne ich keinen Regisseur, der das so gut kann wie Schmid.

 

Überhaupt: es ist wunderbar zu sehen, dass es in Deutschland endlich einen Regisseur gibt, der Alltag auf eine Weise darzustellen vermag, die Belang aus der genauen Beobachtung zieht, aus der akribischen Recherche auch, aus dem Nicht-Zuende-Erklären der Figuren (in "Crazy" vor allem: Troy und Janosch) – und eben einer famosen Sensibilität für den richtigen Ton. Hans-Christian Schmid wird uns noch sehr viel Freude machen.

 

Ekkehard Knörer

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: Jump Cut

 

Crazy
Deutschland 2000 – 97 Minuten – FSK 12 – JMK 14 – Regie: Hans-Christian Schmid – Drehbuch:Michael Gutmann – Produktion: Jakob Claussen, Thomas Wöbke – Musik: Christoph M. Kaiser – Kamera: Sonja Rom – Schnitt: Hansjörg Weißbrich – Besetzung:
Robert Stadlober: Benjamin Lebert
Tom Schilling: Janosch Schwarze
Oona Devi Liebich: Malen
Julia Hummer: Marie
Can Taylanlar: Troy
Christoph Ortmann: Kugli
Willy Rachow: Florian
Joseph Bolz: Felix
Dagmar Manzel: Juliane Lebert
Burghart Klaußner: Klaus Lebert
Mira Bartuschek: Paula
Katharina Müller-Elmau: Frau Westphalen
Jörg Gudzuhn: Herr Falkenstein
Karoline Herfurth: Anna
Alexandra Maria Lara: Melanie
Nicolas Romm: Rocker
 

  

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