Life is a traffic jam
Crash
Es ist spät.- James Ballard (James Spader) fährt auf dem
Highway. Er verliert die Kontrolle über sein Auto, gerät auf die
andere Fahrbahn… Dann passiert es: “Crash”!
Der Beifahrer des entgegenkommenden Wagens klebt blutend auf
seiner Windschutzscheibe. Die Fahrerin des anderen Wagens, Dr.
Helen Remington (Holly Hunter), ist gerade Witwe geworden.
Einige Tage vergehen. Täter und Opfer schlafen miteinander. Sie
lernen Vaughan, besessenen Propheten eines Auto-Fetisch-Kults
und seine wenigen Anhänger kennen. Gemeinsam mit Spaders
lasziver Frau Catherine (Deborah Unger), durchleben sie
abwechselnd hetero- und homoerotische Exzesse, ergötzen sich an
ihren Narben und Verstümmelungen und an Massenkarambolagen…
Nein, das ist kein Werbefilm für einen Drive-In-Swinger-Club
mit sado-maso Touch, sondern David Cronenbergs neueste
cineastische Machenschaft. Der für seinen skurrilen Stil
bekannte kanadische Regisseur macht auch diesmal seinem Namen
alle Ehre: Fremd anmutende Charakterstudien, gepaart mit einer
voyeuristischen Kameraführung, dazu ein schlaff durchhängender
Spannungsbogen, ergeben circa 3000 Meter Celluloid, die mit
Schrittempo über die Kinoleinwand schleichen. Äußerst
bemerkenswert indes ist die kühle Leere, das spürbare Nichts,
welches sich atmosphärisch wie ein schwarzer Schleier über den
Plot legt.
“Scarface” Elias Koteas wirkt, als hätte er zu oft Abgase
inhaliert. Holly Hunter und James Spader, die vormals durch
schauspielerische Glanzleistungen brilliert haben (Das Piano;
Bad Influence), benehmen sich im gesamten Szenario wie
orientierungslose Crash-Test-Dummies.
Cronenbergs Versuch, die immer engere und intimere Formen
annehmende Verknüpfung zwischen Mensch und Maschine aufzuzeigen,
mißlingt. Leider fehlt hier der analytische Blick durch den
“Freud`schen Rückspiegel”. -Schade !
Der 1943 in Toronto geborene “Moviemaker”, erhielt für Crash
den “Special Jury Price”(!) auf den internationalen
Filmfestspielen in Cannes. Bestand die Jury etwa aus James
Dean-Fanatikern? Eher hätten hier die einfallsreichen Titel des
Soundtracks eine Auszeichnung verdient: “Two semi-mechanic human
beings”/”Accident…Accident” usw.
Sexuelle Abnormitäten, die bereits von einschlägigen
Programmformaten mehrfach thematisch vorverdaut wurden, nochmals
auf der “Motorhaube” aufzuwärmen ist wohl überflüssig. Zumal
sich die Handlung des Films – wie bei zweitklassigen
Männermagazinen – im wesentlichen auf Sex und Autos, oder anders
herum (ist ja auch egal), reduziert.
Ich empfehle eine Fahrt durch die Autowaschstraße, die ist
wesentlich erfrischender, da schäumt es ganz von allein.
Ali Selçuk Akinci
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.
—————————————————————————–
Crash (Crash)
Produktion: David Cronenberg; Regie: David Cronenberg; Buch:
David Cronenberg nach einem Roman von J. G. Ballard; Kamera:
Peter Suschitzky; Musik: Howard Shore; Darsteller: Holly Hunter,
James Spader, Deborah Unger, Elias Koteas, Rosanna Arquette u.a.
USA/Kanada 1996, 98 Minuten, FSK: nicht unter 18.
Auszeichnungen:
Internationale Filmfestspiele Cannes 1996 (Spezialpreis der
Jury, nominiert für die Goldene Palme), Genie Award
Ontario/Kanada 1996 (Peter Suschitzky für die Beste Kamera,
David Cronenberg als Bester Regisseur und für das Beste
adaptierte Drehbuch, Ronald Sanders für den Besten Schnitt und
außerdem für den Besten Tonschnitt).