zur
startseite
zum
archiv
Geständnisse
– Confessions Of A Dangerous Mind
Vor
Bohlen war Barris: George Clooneys Film um eine TV-Legende
Dein
Bild ist erst fertig, wenn wir es erkannt haben: Langsam, Stück für
Stück, nimmt ein Mensch Gestalt an, zeichnen sich die Konturen ab, die
ihn äußerlich wie auch in seinem Inneren verständlich machen
und seine Handlungen nachvollziehbar. Biopics, zumal aus Hollywood, leben mit
und von diesem Versprechen, ein Leben auf den Punkt zu bringen. Und wenn Spielbergs
Catch
Me If You Can
das aktuelle Beispiel dafür liefert, wie smart und leicht diese Rechnung
aufgehen kann, demonstriert George Clooneys Regiedebüt Geständnisse
– Confessions
of a Dangerous Mind
eher das Gegenteil.
„Mein
Name ist Charles Hirsch Barris. Ich habe Popsongs geschrieben. Ich war Fernsehproduzent.
Ich bin für die Verschmutzung der Fernsehlandschaft mit hirnerweichendem
und kindischem Entertainment verantwortlich. Außerdem habe ich 33 Menschen
getötet." Schon die ersten Sätze der von Barris verfassten „unautorisierten
Autobiographie", nach der Charlie Kaufman sein Drehbuch geschrieben hat,
annonciert das Sensationspotenzial dieser Geschichte. So etwas, könnte
Kaufmans Drehbuchguru aus Adaptation
sagen, erzählt sich doch von selbst: eine Fernsehlegende, deren Aufstieg
zum beliebten Gameshow-Moderator an ein Doppelleben als CIA-Killer gekoppelt
ist, jede Menge Geheimdienst und Showbusiness, dazu noch Intimbeichten von „Strawberry-Dick"-Barris.
Weder
Kaufmans Adaption noch Clooneys Inszenierung nutzen jedoch die Eckdaten Sex,
Crime und Show, um aus ihnen eine spektakuläre Geschichte mit Psychogramm
zu entwickeln. Ihr Chuck Barris (Sam Rockwell) bleibt ebenso fremd und seltsam
unsichtbar wie in seinem ersten Auftritt, in dem er nackt und leblos wie ein
bekiffter Bademeister vor einem laufenden Fernseher steht, während das
Zimmermädchen um ihn herum putzt. Wir hören seine Stimme aus dem Off,
verfolgen seine Geschichte, begegnen seinem CIA-Kontaktmann (George Clooney),
seiner Liebe Penny (Drew Barrymore) und Patricia (Julia Roberts), der Femme
fatale seines Agentenlebens. Und dennoch will sich daraus keine rechte Einheit
fügen, in deren Zentrum unser Held, Killer oder Versager stünde.
So
wie die Kamera immer wieder ohne Schnitt aus der einen Szene in das Dekor der
nächsten hinüber gleitet und damit aus ein- und derselben Einstellung
zwei macht, ist auch der ganze Film mit sich uneins. Es scheint, als erzähle
Confessions
Of A Dangerous Mind
bereits vom Zweifel an der Wahrheit dieser „unautorisierten Autobiographie",
während wir noch Sam Rockwell bei der Erfindung der „Gong Show" zuschauen
oder beim CIA-Einsatz in Berlin. Jeder einzelne Mosaikstein ist so klar zu erkennen,
als ob er ein Versatzstück oder Déjà-vu aus anderen Filmen
wäre, und bleibt doch als Fragment eigenartig schemenhaft.
Vielleicht
müsste ein Fazit lauten, dass George Clooney und Charlie Kaufman diese
Geschichte nicht „in den Griff" bekommen haben. Aber was heißt das,
wenn doch Chuck Barris’ Erinnerungen gerade vom Verlust der eigenen Einheit
und Kontrolle handeln? Von Zerrissenheit zu erzählen und sie selbst zu
sein, ist in diesen Geständnissen eins.
Jan
Distelmeyer
Biopic,
Thriller, Kultursatire? Clooneys ambitioniertes, aber unebenes Regiedebüt
verschenkt eine Geschichte, die wie fürs Kino gemacht war.
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Confessions
of a Dangerous Mind
USA
2002. R: George Clooney. B:
Charlie Kaufman (nach dem Buch von Chuck Barris). P:
Andrew Lazar. K: Newton Thomas Sigel. Sch:
Stephen Mirrione. M: Alex Wurman, Joe Rangel. T:
Edward Tise. A:
James O. Bissell, Nicholas Lepage. Ko: Renee April. Sp: Luis Morin. Pg: Miramax/Mad
Chance/Section Eight. V:
Buena Vista. L: 113 Min. Da: Sam Rockwell (Chuck Barris), Drew Barrymore (Penny),
George Clooney (Jim Byrd), Julia Roberts (Patricia), Rutger Hauer (Keeler),
Maggie Gyllenhaal (Debbie), Kristen Wilson (Loretta).
zur
startseite
zum
archiv