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The
Commissioner
James Morton, ein Kabinettsmitglied der britischen
Regierung, wird vom Prime Minister als Bauernopfer geschasst und nach Brüssel
abgeschoben, wo neue Aufgaben als EU-Kommissar für auswärtige Beziehungen
auf ihn warten – und willige Collegeabsolventinnen. Der knittrige Morton scheint
ein notorischer Weiberheld zu sein, wie seine Frau ihm früh vorwirft und
ihm den gemeinsamen Umzug verweigert. Morton akzeptiert den Karrieresprung in
die seiner Meinung nach (politische) Bedeutungslosigkeit zähneknirschend
und muss bei seiner Ankunft gleich eine weitere Schlappe hinnehmen: Er wird
überraschend zum EU-Kommissar für den Zuständigkeitsbereich „Industrie“
ernannt, obwohl er sich für dieses Gebiet nicht die Bohne interessiert.
Umso mehr interessiert ihn indes die „radikale“ portugiesische Umwelt-Kommissarin
Helena Noguentes. Aber vor dem Vergnügen steht auch in Brüssel die
Arbeit – und so sieht sich der stets etwas naiv, weltfremd und überfordert
wirkende Morton rasch einer recht unübersichtlichen Intrige gegenüber,
in der es um die Verhinderung bzw. Durchsetzung internationaler Firmenfusionen
und Marktanteile geht.
Drei Chemiegiganten spielen hierbei eine Rolle: die
deutsche „Metron“, „British Chemicals“ und der US-amerikanische „Ponting“-Konzern.
Geheime Unterlagen werden Morton zugespielt, die belegen sollen, dass der Pharmakonzern
„Metron Chemie“ illegal Giftwaffen entwickelt und dass die Firmentradition in
dieser Hinsicht bis in die Nazi-Zeit zurückreicht. Solcherart misstrauisch
gemacht, beginnt Morton Ermittlungen anzustellen, unterstützt vom jungen
Journalisten Murray und der in derlei Dingen ohnehin engagierten Helena. Mortons
Informant ist der bei „Metron Chemie“ in der Forschung tätige Wissenschaftler
Hans Koenig, der seinen Geheimnisverrat damit plausiblisiert, dass diejenigen,
die während der Nazi-Zeit Teile seiner Familie umgebracht hätten,
immer noch bei „Metron“ tätig seien. Morton ermittelt gegen die Chemiekonzerne
an, schließlich gilt: „Der größte Machtmissbrauch ist, nichts
zu tun.“ Morton wird allmählich unbequem, nur knapp entgeht seine Frau
einem Bombenanschlag.
Erschütternd holzschnittartig entwickelt George
Sluizer seinen Polit-Thriller, voller informationshaltiger Kurzreferate in den
Dialogen, vorhersehbarer Wendungen und haarsträubender Figurenzeichnungen,
wie man sie sonst nur aus den trivialen Fernsehfilmen Dieter Wedels kennt. Auch
dort träte der Vorstandsvorsitzende eines US-Chemiekonzerns gewiss mit
Cowboy-Boots, Stetson und imperialem Gehabe auf. Auf der Thrillerebene gibt
sich „Der Commissioner“ erstaunlich konventionell und mit viel Mut in Sachen
mangelnder Handlungslogik. Manche Szenen, wie Koenigs Verhaftung oder die Ermordung
eines Saboteurs, sind ausgesprochen beiläufig inszeniert, auch die Montage
erweist sich häufig als Stichwortgeber für den nächsten Auftritt.
Schließlich irritiert die eigenwillige Verquickung des Privaten mit dem
Politischen, wenn das Bombenattentat lediglich die Ehe Mortons zu beenden hilft.
So wird also munter infiltriert, intrigiert, gemordet und fusioniert, bis der
erschöpfte Zuschauer den komplexen Masterplan hinter Mortons Weglobung
nach Brüssel erkennt.
Ungleich interessanter wird der Film indes, wenn
man sich weniger um die Intrige kümmert, sondern „The Commissioner“ eher
als Tragödie eines lächerlichen Mannes liest, der von allen Seiten
manipuliert wird und der selbst in den wenigen Momenten, in denen er entschlossen
handelt, lediglich eine Figur in einem undurchsichtigen Spiel ist. Umweltschutz,
NS-Vergangenheit, Protektionismus – alle Momente, die seine Politik ethisch
unterfüttern könnten, erweisen sich als kontingent und indifferent.
In falsche Kontexte eingefügte Fotos dienen als fingierte Beweismittel;
andere Fotos appellieren an Mortons Gewissen. Einmal heißt es: „Vergessen
Sie nicht, dass Fakten auch lügen können!“ Die politische Karriere
Mortons in Brüssel entwickelt sich trotzdem prächtig, schmeichelt
seinem Ego und scheint seine kritische Hartnäckigkeit zu belohnen. Tatsächlich
ist Morton nur ein winziges Rädchen in den komplexen Manövern global
agierender multinationaler Konzerne, die sich längst vom politischen System
abgekoppelt haben und dieses nur noch legitimatorisch nutzen. Insofern wäre
die bewusst konstruierte Schwäche des Thrillers „The Commissioners“ genau
die Stärke der radikal kapitalismuskritischen Analyse und ausgesprochen
hoffnungslosen Intervention George Sluizers.
Die Zeiten, in denen Politik von Menschen aus integren
Motiven heraus gestaltet wurde und werden konnte, sind längst vorbei. Und
die eitle Selbstgefälligkeit und das beschränkte intellektuelle Vermögen
der Figur James Morton sind dafür der beste Beleg.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: film-Dienst
The
Commissioner – Im Zentrum der Macht
Belgien / Deutschland / Großbritannien / USA 1997 – Originaltitel: The Commissioner – Regie: George Sluizer – Darsteller: John Hurt, Rosana Pastor, Alice Krige, Armin Mueller-Stahl, Simon Chandler, Johan Leysen, Alan MacNaughtan – Länge: 109 min. – Start (WA): 6.12.2007
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