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Comandante
Keine
Frage: Oliver Stone hat sich verliebt. In Kuba, zum einen, dann aber auch, Hals
über Kopf, in Fidel Castro, den "Comandante", den er in seinem
Interview-Dokumentarfilm gleichen Titels porträtiert. Dreißig Stunden
Material hat er auf neunzig Minuten gekürzt und ist dann doch selbst öfter,
als es einem bescheidenen Mann geziemt, im Bild. Stone stellt Fragen, philosophische,
politische, private – und er bekommt oft genug Antworten. Sensationelles erfährt
man nicht. Nein, Folter, hat es in Kuba nie gegeben, und Che Guevara war ein
wenig ungeduldig. Castro legt den Arm um Stones Schulter, krault sich im Bart
und versichert, dass er durch den Verzicht auf die morgendliche Rasur Monate
seiner Lebenszeit gespart habe. Die Chemie stimmt zwischen den beiden, keine
Frage, irgendwann landen sie sogar bei Viagra-Scherzen.
Fidel
Castro ist ein gewinnender Mensch, das bestätigt der Film, der, wie Stone
in der Pressekonferenz (zu der Castro sogar beinahe gekommen wäre) mehrmals
versichert, nicht mehr als ein persönliches Porträt einer historischen
Legende sein soll. Auf alle kritischen Nachfragen zur vielleicht etwas zu affirmativen
politischen Haltung von "Comandante" reagiert Stone gereizt. Was,
meint er etwa, sei die Demokratie wert, wenn sie doch nur eine Frage des Geldes
ist. Kuba sei das Paradies, wenigstens im Vergleich zu Staaten wie Brasilien
oder Honduras. Worum auch immer es geht, Stone kann nicht anders, als das Kind
mit dem Bad auszuschütten – und wenn er sich Fidel Castro dabei an die
Brust wirft. Immerhin hat der die Stone-Filme "Platoon"
gesehen, und auch "JFK". Im Gespräch versichert Castro dem strahlenden
Regisseur, dass er sehr skeptisch sei, was die Alleintäterschaft Lee Harvey
Oswalds angeht.
Stilistisch
ist "Comandante" reiner Oliver Stone, also ein wilder Ansturm der
Bilder, eine Reihung von Pawlowschen Reflexen, auf die bei ihm Verlass ist.
Spricht Castro von der Atombombe, ist im nächsten Bild ein Atompilz zu
sehen. Die digitalen Bilder zucken um Castro herum, ohne Sinn und Verstand schneidet
Stone von einer Nahaufnahme des Gesichts zur nächsten, Hauptsache, es bewegt
sich was. Historisches Material dazwischen, eine Handvoll kubanische Musik darunter,
kein Klischee ist zu dumm, keine Assoziation zu hanebüchen. Wie stets geht
es ihm bei seinen Zerlegungen der Bilder nicht um Analyse, schon gar nicht um
Reflexion. Dinge, die man besser getrennt hielte, werden zusammengerührt,
dass einem Hören und Sehen vergeht. Andererseits: das war alles klar. Oliver
Stone ist nicht Günter Gaus. Und ein trotz aller Einwände interessanter
Blick auf einen faszinierenden Menschen ist "Comandante" allemal.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Comandante
USA
/ Spanien 2003 – Regie: Oliver Stone – Darsteller: Fidel Castro, Oliver Stone
– Fassung: O.m.d.U. – Länge: 99 min. – Start: 13.1.2005
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