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Codename:
Nina
Aus
Nikita wird Nina, die eigentlich Margaret heißt. Den Namen hat sie selbst
gewählt, die Sängerin Nina Simone ist ihr Trost und einziger Fixpunkt.
Der
amerikanische Regisseur John Badham (SATURDAY NIGHT FEVER) hat ein Remake von
Luc Bessons NIKITA gemacht, einem Thriller, der noch ganz jung ist (1990), aber
schon fast ein Klassiker. Und es kommt wie es kommen muß, aber eben nicht
sollte – so, wie dem Namen der Protagonistin beim Transfer von Paris in die
USA die Schärfe und Prägnanz entzogen wurde, so geht es auch Bessons
Geschichte in Badhams Film.
Maggie,
jung, Fixerin und nach einem eher zufälligen Mord im Gefängnis gelandet,
offiziell zum Tode verurteilt und hingerichtet, bekommt die Chance zu einem
zweiten Leben als Killerin im staatlichen Auftrag. Ein Teufelspakt, doch ihr
bleibt keine andere Wahl, sie muß sterben oder mitspielen. Doch
nicht so sehr um persönliche Schuld und die Allmacht staatlicher Gewalt
geht es hier: Vor allem interessiert der Prozeß der Zurichtung des "wilden
Tiers" Maggie in eine zivilisierte junge Dame namens Nina/ Marie.
Der
widerspenstigen Weiblichkeit Zähmung war schon immer eine Geschichte wert,
ja, ist als Genretyp geradezu die feminine Variante männlicher Bildungs-
und Entwicklungsdramen. Bei Badham (wie bei Besson) ist Dressur und Ausbildung
gleichzeitig Erziehungsprozeß zur Weiblichkeit. Dem renitenten pubertären
Gör, denn viel mehr ist die anfängliche Maggie nicht, werden nicht
nur die gewalttätigen Flausen ausgetrieben und die Kampfkünste gelehrt.
Mit Gefühl und Härte wird in den Händen von Geheimdienstler Bob
(hervorragend mit Zuckerbrot und Peitsche: Gabriel Byrne) und Dame Amanda (Anne
Bancroft) – zuständig für die feineren Nuancen der inneren und äußeren
Haltung – aus dem häßlichen Entchen das Produkt Nina geformt: die
Frau, wie sie sein soll. Attraktiv und aktiv, charmant und locker die ganze
Palette der Weiblichkeit auf- und abspielend: von mädchenhaft kichernd
bis knallhart (souverän gemeistert von Bridget Fonda).
Endlich
in die Welt entlassen, sind die Konflikte vorhersehbar. Geliebter und „Beruf"
geraten in Konflikt, immer, wenn’s gerade am schönsten zu werden verspricht,
klingelt das Telefon und ein neuer Mordauftrag steht ins Haus.
Hier
wird das Problem des Films offensichtlich: Ninas/Maries Verwandlung(sfähigkeit)
ist zu gut gelungen, zu clean ist das gewendete Mächen, zu nichtssagend
sind ihre Freuden und ihr Glück, als daß es uns viel Anteilnahme
abringen könnte. Ein heimlicher Mordanschlag aus dem Badezimmerfenster
scheint das kleinbürgerliche „Ehe"-Leben nicht mehr zu stören
als bei anderen Paaren eine unterschlagene Affäre. Versuchte Bessons Heldin,
trotz des Fluchs, der auf ihr lastete, ihren eigenen Weg zu gehen, so resultiert
daraus bei Badham die glatte Vernichtung einer Persönlichkeit. Fast sehnsüchtig
erinnern wir uns an die aufmüpfige, bissige Maggie.
Mentor
Bob, bei Besson Beamter zwischen Pflicht und Neigung, ist bei Badham eiskalter
Zyniker und romantischer Liebender in einer Person, nicht entweder oder, sondern
beides zugleich und beides richtig – oder falsch. Das ist spannend und leuchtet
ein: Überrascht er Nina mit einem Kuchen zum Geburtstag, ist dies eine
ernsthafte Geste der Zuneigung, doch gleichzeitig nur taktisches Mittel im Zähmungskampf.
Erzählt er beim Abendessen zu dritt eine sentimentale Anekdote aus der
angeblichen Jugend von Nina/Marie, fließen die Tränen fast vor Rührung:
Da gehen Sein und Schein restlos ineinander auf und über.
Menschen
ohne Identität, geklont aus dem Stoff der Postmoderne: in einem Fall gelungen,
im anderen nicht. Ein extremes, hartes Bild für die Welt, doch wohl von
Regisseur Badham nicht so gemeint, sollten wir glauben, was im Presseheft steht:
wie eine Person „auf wundersame Weise wie aus dem Nichts ihre Menschlichkeit
entdeckt".
Das
mißlingt, glücklicherweise vielleicht, denn die einzige Person vom
Zuschnitt traditioneller Menschlichkeit, Maries/Ninas kerniger Lover (Dermot
Mulroney), ein Softie mit gefährlichem Zug um den Mund, interessiert nicht
besonders.
Und
sonst? Der peinlichste Ravioli-Kuß der Filmgeschichte (und hoffentlich
der einzige), die wunderbaren Lieder von Nina Simone, und – vor allem – Harvey
Keitel als Victor the cleaner, der Mann mit der Salzsäure und ohne jede
Emotion. Ein paar Minuten nur sind ihm gegeben, doch die allein sind Grund genug,
sich CODENAME: NINA anzusehen.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd film
7/93
CODENAME:
NINA
POINT
OF NO RETURN
USA
1993. R: John Badham. B: Robert Getchell, Alexandra Seros (nach Luc Bessons
Film „Nikita"). P: Art Linson. K: Michael Watkins. Sch: Frank Morriss.
M: Hans Zimmer. T: Willie D. Burton. A:
Philip Harrison, Sydney Z. Litwack. Ko:
Marlene Stewart. Pg:
Art Linson Productions. V: Warner. L: 117 Min. St: 1.7.1993. D: Bridget Fonda
(Maggie), Gabriel Byrne (Bob), Dermot Mulroney (J..P.), Miguel Ferrer (Kaufman),
Anne Bancroft (Amanda), Olivia D Abo (Angela), Richard Romanus (Fahd Bahktiar),
Harvey Keitel (Victor), Lorraine Toussaint (Beth).
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