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Close up Kurdistan

Die nichts mehr schrecken kann

 

Eine gänzlich unfanatische Suchbewegung zum türkisch-kurdischen Konflikt ist die Dokumentation "Close Up Kurdistan" des in Deutschland lebenden kurdischen Filmemachers Yüksel Yavuz.

 

Der Filmemacher Yüksel Yavuz sitzt neben seinen Eltern auf der Couch. Sie betrachten Fotos, die ihn als Jungen zeigen, und ausgehend von dieser Begegnung Yavuz’ mit seiner Vergangenheit beginnt der Film "Close Up Kurdistan" seine Erinnerungsarbeit. Er versteht diese Arbeit als fortgesetzte Suchbewegung zur angemessenen Darstellung des türkisch-kurdischen Konflikts. Yavuz selbst lebt seit Jahrzehnten als Immigrant in Hamburg, er ist Kurde und steht auf der Seite der kurdischen Sache – dennoch gerät ihm sein Film an keiner Stelle zum Pamphlet.

 

Der Yavuz deshalb wohl am nächsten Stehende unter den Zeitzeugen, die er zeigt und befragt, ist deshalb wohl Orhan Miroglu, der als Lehrer arbeitete und nach dem Militärputsch 1980 ins berüchtigte Foltergefängnis von Diyarbakir kam. Später kam er bei einem (erfolgreichen) Mordanschlag auf den kurdischen Intellektuellen Musa Anter als dessen Begleiter beinahe ums Leben. Mirgolu hat über den unmenschlichen Terror in Diyarbakir und über das Attentat ein Buch geschrieben, das aber so wenig eine zornige Anklage ist wie das, was er nun in Yavuz’ Film mit fast übermenschlicher Seelenruhe vorträgt.

 

"Close Up Kurdistan" zeigt Menschen, die vom endlosen und brutalen Konflikt weniger zermürbt sind, als dass sie die Gelassenheit derjenigen gefunden haben, die nichts mehr schrecken kann. Trotz siebzehn Jahren Gefängnis ungebrochen scheint der bedeutende kurdische Wissenschaftler Ismail Besikci, fern von allem Fanatismus zeigen sich die einstige Guerillakämpferin Beriwan und Uli Cekdar, der sich als Deutscher dem kurdischen Kampf anschloss und heute wieder in Deutschland lebt. Von den blutigen Kriegsjahren 1993 und 1994 ist häufig die Rede.

 

Dagegen stellt Yavuz die Suchbewegung des Films unterstreichende aktuelle Kurdistan-Bildern aus dem fahrenden Auto, aber auch unkommentierte Dokumentaraufnahmen vom türkisch-nationalistischen Drill an der Schule. Wie den Schulkindern von heute erging es schon Yavuz selbst, der in einer türkischen Internatsschule seiner kurdischen Herkunft systematisch entfremdet werden sollte. Lakonisch macht der Film so sichtbar, wie der Fanatismus, der Monster gebiert, in militärischer Manier heute noch in die Köpfe der Kinder geklopft wird und natürlich bekommt man ihn da kaum wieder heraus.

 

"Close Up Kurdistan" ist Bestandsaufnahme eher als Anklage. Er nimmt Partei, bleibt aber ganz sachlich. Obleich Yavuz selbst, als Zeuge, als Beobachter immer wieder selbst im Bild ist, ist sein Film von narzisstischer Nabelschau denkbar weit entfernt. Der Filmemacher tritt nur auf, tritt ins Bild als einer von vielen. Er will nicht verschweigen, dass er einer ist von den vierzig Millionen Kurden, um deren Schicksal es geht. Wie so manche Dokumentation des nichts als Mord und Leid hervorbringenden ideologischen Widersinns ist "Close Up Kurdistan" ein Film, der nicht so sehr wütend als vielmehr traurig macht. Es ist auch ein ganz unprätentiöser Film, nicht zuletzt das nimmt sehr für ihn ein.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de

 

Close up Kurdistan

Deutschland 2007 – Regie: Yüksel Yavuz – Mitwirkende: Dr. Ismail Besikçi, Beriwan, Abdulkadir Aygan, Uli Çekdar, Ali Yildirim, Orhan Miroglu, Eyse Sipendarik – FSK: ab 12 – Fassung: O.m.d.U. – Länge: 104 min. – Start: 6.12.2007

 

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