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City of Angels

 

… ist die amerikanische big-budget Neuauflage von Wim Wenders ‘Himmel über Berlin’. Die im Original von Bruno Ganz übernommene Rolle des Engels, der der Liebe wegen Mensch werden möchte, wird jetzt von Nicolas Cage verkörpert, die Angebetete von Meg Ryan. Die schwülstigen Handke-Texte des Wendersfilms finden in ‘City of Angels’ keine Fortsetzung, dieser Konzession an den Massenpublikumsgeschmack sei ausnahmsweise einmal herzlich gedankt. Regie führte Brad Silberling, der hier nur durch den Gespensterklamauk ‘Casper’ bekannt ist.

 

Die erste halbe Stunde ist vielversprechend. In atemberaubenden Slowmotion Kameraflügen durch Los Angeles serviert uns der Film eine Vision, die seit alters her der katholischen Kirche und neuerdings auch der Esoterikabteilung feuchte Träume beschert: Mitten unter uns, zwischen dir und mir, geistern als direkte Schnittstellen ins Jenseits Engel, die informellen Mitarbeiter des Allmächtigen. Sie verlängern Gottes Willen – der Herr hat’s gegeben, der Herr darf’s nehmen – Engel sind seine Exekutivorgane. Alle unerklärlichen Schicksalsschläge und Wunder folgen so doch dem Kausalgesetz, das beruhigt ungemein. Nun gibt es eine Unzahl an Filmen, deren Protagonisten ein Wunder erleben, das ist nichts neues und in der Regel nervt solch abruptes himmlisches Einlenken eher, als daß es von Drehbuchschwächen abzulenken im Stande ist: Kranke, die plötzlich wieder gesunden, Abtrünnige, die grundlos zurückkehren, Sünder, die unerklärlich bereuen – davon wimmelt die Filmgeschichte.

 

‘City of Angels’ hingegen macht ähnlich wie ‘Breaking the Waves‘ von Lars von Trier auf sehr plastische und unmysteriöse Art ernst mit seiner Vision: Es gibt Engel, sie greifen pünktlich wie die Maurer in unser aller Leben ein und tragen schicke, edelschwarze Designerklamotten von Donna Karan. Dagegen ist nicht zu mäkeln, das ist die Ausgangshypothese des Films und sie ist selbstverständlich genauso legitim wie ein Film über Dinosaurier-Reanimition. Und ist überdies eine vergnügliche Vision: Engel im Fluglotsenturm bei Abwendung des nächsten aircrashs, Engel beim Baywatchen, Engel in der Unibibliothek, Engel an der Seite des Supermarkträubers, Engel beim Kräftetanken am morgendämmernden Malibu Beach, Engel als Verkehrsstaumelder und Engel als Zu- und Gegenspieler säkularer Engel in Weiß, der Ärzte und Chirurgen.

Und hier fängt die Geschichte dann an, vom Gedankenspiel ins Psychogramm abzudriften. Eine herzensgute und sehnsuchtsvolle Chirurgin auf dem Weg zum DINK stellt sich eines trüben Tages die Frage, gegen wen sie da eigentlich ankämpft, wenn ihr die Patienten unerklärlicherweise unterm Messer wegsterben und weder John Lee Hooker aus dem OP-eigenen Ghettoblaster noch Pressing am offenen Herzen die Wiederbelebung einzuleiten vermöchten. Der Engel an ihrer Seite, gerührt ob dieser ihrer Verzweiflung, beginnt sich zeitgleich zu fragen, was das wohl seien könnte: ‘Verzweiflung’. Und natürlich auch: ‘Liebe’, mit allem, was dazu gehört.

 

Es kommt, wie es kommen muß, der Engel vergibt sich seine Privilegien und fällt … in die Niederungen der menschlichen Existenz. Die Chirurgin kommt in den Genuß gar himmlicher Leidenschaft. Ab diesem Moment würfelt ‘City of Angels’ mit Kitschbauklötzchen. Das einzige dramaturgische Problem, das der Film noch lösen muß, lautet: Wie erzählt man ein Standartheteroliebesmelodram, wenn der männliche Part ein Ex-Engel ist. Auf logische Schlüssigkeit darf das Drehbuch dabei natürlich nicht ansatzweise mehr Wert legen, die Frage kann nur noch lauten: Happyend oder kein Happyend, aber das war mir dann auch schon egal.

 

So bleibt als Pluspunkt nur anzumerken, daß mit Nicolas Cage als Engel ein Casting der Extraklasse gelungen ist: kein anderer hätte die völlige Abwesenheit schauspielerischer Fähigkeiten so souverän durch Wimpernüberlänge und Belladonnapupillen überspielt, kein anderer die einem Engel gebührliche Charakter- und Geschlechtslosigkeit so überzeugend verkörpert.

 

Urs Richter

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei:  filmtext

 

City of Angels

Brad Silberling, USA 1998

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