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Cigarette
Burns
Mein Leib
sei euer Film!
Mit
Cigarette
Burns
malt Pulp-Poet John Carpenter eine blutrote Hommage an die Macht des Kinos und
eine gallenschwarze Komödie über den Wahnsinn der Cinephilie.
„Wow,
that’s the best movie I’ve ever seen! There’s
a vampire and
an explosion in it!”, erklärt Fry, ein popkulturelles Kind der 90er Jahre
und Held der SciFi-Cartoon-Serie Futurama,
einmal seine filmischen Vorlieben. Er könnte damit John Carpenters testosteronkranken
Blutsauger-Western Vampires
meinen. Tatsächlich ließe sich fast jeder der gut zwanzig Kinofilme
des 59-jährigen Horrorfilm-Veteranen als eine solche flapsige Kreuzung
erfassen, vom Debüt Dark
Star
(„Super, eine WG-Komödie in einem Raumschiff!“) bis zur bislang letzten
Kinoarbeit Ghosts
of Mars
(„Zombies greifen im Jahr 2176 eine Marskolonie an? Cool!“). Hört sich
nach Schundfilmen an, und das sind sie auch, wiewohl nicht nach dem hypertrophen
Blockbuster-Strickmuster eines Jerry Bruckheimer. Carpenter, seinerseits ein
popkulturelles Kind der 50er, macht in Zeiten, in denen bereits das Multiplex
in der Krise steckt, noch immer B-Movies fürs Autokino: Fachkundige Variationen
aufs Bubenkino von anno 1957, denen ein schnörkelloser formaler Klassizismus
alle postmodernen Flausen aus dem Kopf treibt.
Es
ist eine ziemlich böse Ironie der Filmgeschichte, dass der Traditionalist
Carpenter nun ausgerechnet sein Tribut an die Macht des Kinos fürs Fernsehen
drehen musste: Cigarette
Burns,
sein einstündiger Beitrag zur HBO-Sendereihe Masters
of Horror,
ist eine knappe, heftige Gruselmär über Regievisionäre, Filmarchivare
und andere Monster. Ein mysteriöser Millionär (Seine Seltsamkeit Udo
Kier) beauftragt den jungen Filmjäger und Programmkinobesitzer Kirby Sweetman
(Norman Reedus), einen verschollenen Kultfilm für ihn zu aufzutreiben:
La
fin absolue du monde
von Hans Backovic. Nur einmal soll das Horror-Experiment aufgeführt worden
sein und dabei, so munkelt man, im Publikum einen solchen Blutrausch verursacht
haben, dass es zum Massaker kam.
Sweetman
spürt dem Film nach, und sein Weg skizziert eine weitläufige Landkarte
euro-amerikanischer Filmproduktion, -vermittlung und -erhaltung – unter systematischer
Umgehung Hollywoods, dem Carpenter seit dem Desaster von Memoirs
of an Invisible Man
(1992)
in innigem Hass ergeben ist: Von Sweetmans heruntergekommenem Innenstadt-Horrorkino
in Los Angeles geht es nach New York, zu einem Filmkritiker und Zeitzeugen der
legendären Premierennacht, von dort weiter über ein Pariser Filmarchiv
bis nach Vancouver, ins aktuelle Discounter-Hollywood der billigen Drehorte.
Überall hat der geheimnisvolle Film seine Spuren hinterlassen, psychisch
und materiell.
Cigarette
Burns
ist, schon allein seiner begrenzten Laufzeit wegen, ein Film der Kürzel
und Versatzstücke, von der düsteren Villa des geheimnisvollen Auftraggebers
(inklusive stoischem asiatischem Butler) über Sweetmans privates Verlust-Trauma
bis hin zum vage osteuropäischen Akzent des Böslings mit Glatze und
Lederoutfit, der ihm in einer absurden Episode über den Weg läuft.
Schauspiel, Dialoge, ganze Situationen sind oft grobe Holzschnitte gefährlich
nah am Lächerlichen. Doch geht es Carpenter offensichtlich weder um die
ironische Brechung seiner Klischees aus einer schlauen Besserwisser-Perspektive
(er ist ja kein Coen-Bruder), noch ums manierierte Auskosten sinistrer Noir-Oberflächen
wie in den inhaltlich ähnlich gelagerten Mystery-Schnitzeljagden Angel
Heart
oder The
Ninth Gate.
Was
Carpenter aus seinen Formeln und Hülsen bastelt, ist kühn und bisweilen
campy,
hat aber bei allem frei flottierenden Eklektizismus letztendlich die klassische
motivische Strenge und rigide Traumlogik eines Universal-Gruselfilms aus den
30ern (Vergleichsgröße: Edgar G. Ulmers ähnlich assoziativer,
ähnlich stimmiger The
Black Cat).
In der pointierten Verschränkung von Filmsammler-Milieus mit Grusel-Klischees
entsteht das gleichermaßen passionierte wie hämische Sittenbild einer
Welt der cinephilen Jäger und Sammler, Archivare und Kuratoren als besessener
Okkultisten – bis ins bissige Detail: Ehrfürchtig wird ein Filmkritiker
als „der originellste von Pauline Kaels Schülern“ bezeichnet, als wäre
er Vereinskassier einer Satanistensekte. Wer den Einfluss von Kritiker-Primadonna
Kael auf die US-amerikanische Kinokritik kennt, weiß: Der Hieb sitzt.
Der
Wunsch hinzuschauen und die Angst vor dem, was von der Leinwand zurückschauen
könnte, diese Grundkonstanten der Horrorfilmpsychologie werden hier ebenso
wörtlich und brachial Fleisch und Körperhorror wie André Bazins
Konzeption vom inhärenten Realismus des Filmbildes: „One take. One uninterrupted
shot“, verkündet ein wahnsinniger Sammler sein Credo einer realistischen
Filmkunst. Zu Demonstrationszwecken hat er eben vor laufender Kamera, ganz unverfälscht
und echt, eine Enthauptung vorgenommen: Köpfe schneiden ja, manipulativer
Filmschnitt nein.
Solche
rabiaten Körperbilder wollen nicht zuletzt auf den materiellen Charakter
des Filmmediums selbst hinaus – ein kühner Standpunkt in Zeiten forcierter
Bild-Digitalisierung, erst recht für eine Fernsehproduktion. In einer finalen
Volte wird schließlich tatsächlich Fleisch in Film verwandelt, speist
sich ein Mensch in den Kinoprojektor ein, als würde er in den Mutterschoß
zurückkehren. Wie Fry sagen würde: „Geil! In dem Streifen kommt psychoanalytische
Filmtheorie und
eine Entweidung vor!“
Joachim
Schätz
Cigarette Burns
Masters
of Horror – Cigarette Burns
John
Carpenter’s Cigarette Burns
USA
2005
Regie:
John Carpenter
Drehbuch:
Drew McWeeny, Scott Swan
Kamera:
Attila Szalay
Schnitt:
Patrick McMahon
Musik:
Cody Carpenter
Laufzeit:
59 Minuten
Darsteller:
Douglas
Arthurs, Christopher Britton, Julius Chapple, Colin Foo, Chris Gauthier, Gary
Hetherington, Brad Kelly, Udo Kier, Taras Kostyuk, Norman Reedus, Zara Taylor,
Gwynyth Walsh u.a.
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