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Chocolat

Willkommen im Teletubbies-Land

 

Regisseur Lasse Hallström betäubt die Geschmacksnerven mit seinem ungesund süßlichen Film "Chocolat".

 

Während seine Bewohner in der Kirche singen und beten, werden vom Nordwind eine Frau im leuchtend roten Umhang und ihre kleine Tochter in ein abgelegenes französisches Städtchen geweht. Für den Ort, der sich in seiner selbst auferlegten Weltabgewandtheit gefällt, ist das allein schon ein einigermaßen sensationelles und zugleich beängstigendes Ereignis. Beides, die Sensation und die Angst, steigern sich fast bis zur kollektiven Hysterie, als die Frau – Vianne heißt sie und von Juliette Binoche wird sie gespielt – ausgerechnet gegenüber der Kirche eine Chocolaterie eröffnet. In ihrem schmucken, geheimnisvoll dekorierten Laden finden sich Pasteten- und Pralinenköstlichkeiten und die wunderbarste heiße Schokolade auf Erden. Doch Naschen ist, wie jede andere Sinnenfreude auch, verboten. Befiehlt der Comte De Reynaud (Alfred Molina), der Bürgermeister, der weltliche, geistliche und sittliche Instanz in einer Person ist.

 

Nach dieser Exposition weiß man als Zuschauer im Grunde schon, was kommen wird, weil es kommen muss: Die Fremde – gute Fee und irgendwo auch Priesterin – wird nach anfänglichem Widerstand die verkrusteten Strukturen aufbrechen. Die vereisten Herzen werden sich öffnen und alle Menschen Brüder werden. Die letzten Szenen von "Chocolat" lösen genau das ein: Ein sinnenfrohes Volksfest wird auf dem Marktplatz gefeiert, Luftballone gaukeln durch die Luft und ein Lachen ist allgegenwärtig. Na bitte, sagt man sich. Mit einem gewissen Unmut allerdings, denn ein wenig Originalität, ein wenig Löcken gegen den Stachel der Erwartung hätte schon sein dürfen.

 

Regisseur Lasse Hallström erlaubt es sich nicht einmal ansatzweise. Im Gegensatz zu seinem vorherigen Film "Gottes Werk und Teufels Beitrag", in dem gefühlsmäßig auch ganz schön auf die Tube gedrückt worden und der doch voller realistischer Irrationen gewesen ist. In "Chocolat" gibt es rein nichts, was überrascht, einen aus der Fassung bringt und also zu berühren imstande wäre. Der brutale Kneipenwirt des Ortes, der seine Frau schlägt, wird am Ende zum Teufel gejagt. Das fahrende Vagabundenvolk, dem zeitweise übel mitgespielt wird, wird integriert. Der hartherzige Comte bekommt ein neues Weibchen an die Seite. Und selbst die lange Zeit geheimnisvolle und schwer greifbare Vianne wird geerdet und bekommt den schicken Ober-Zigeuner Johnny Depp zum Liebhaben.

 

Alles grient, als wäre man im Teletubbies-Land. Fehlen eigentlich nur die hoppelnden Häschen. Wie ein Film mit so viel Schmalz in den Gelenken, dass wirklich nichts quietscht oder ächzt, für fünf Oscars – darunter auch noch in der Kategorie "Bester Film" – nominiert werden kann, bleibt ein Geheimnis der Hollywood-Academy.

 

Peter Zemla

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:   Titel-Magazin Film

 

Chocolat

Regie: Lasse Hallström

Mit: Juliette Binoche, Alfred Molina, Johnny Depp, Lena Olin, Judi Dench, Carrie-Anne Moss

Kinostart: 15. März 2001

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