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Cassandras
Traum
Es nistet
Gewissensbiss
In "Cassandras Traum" spielt
Woody Allen mal wieder Tragödie. Ewan McGregor und Colin Farrell agieren
als ungleiches Brüderpaar, das für sein Lebensglück mordet.
Zwei Brüder, die dafür eigentlich
nicht das Geld haben, kaufen ein Segelboot mit dem Namen "Cassandras Traum".
Das ist der Beginn des nun schon wieder vorletzten Films von Woody Allen und
eins ist klar: das wird kein gutes Ende nehmen, und zwar auf dem Segelboot.
Die Brüder werden gespielt von Colin
Farrell, der Ire ist, und von Ewan McGregor, der aus Schottland stammt. Bei
Woody Allen haben sie, als Angehörige der unteren Mittelschicht, im Original
einen Londoner Cockney-Akzent. Colin Farrell verzieht oft sein
Babyface und legt auch viel Ausdruck in seine Augenbrauen. Ewan McGregor setzt,
sehr viel charismatischer, auf eine eher ausdruckslose Form vorgetäuschter
Eleganz.
Den Brüdern steht, weil der eine
spielt und der andere einer Frau etwas vormacht, das Wasser bis zum Hals. Als
scheinbar gute Gelegenheit und deus ex machina taucht ein Onkel auf, der Geld
hat und für dieses Geld einen Mann, der seinen Reichtum gefährdet,
aus dem Weg geräumt wissen will. Ein faustischer Pakt, eine griechische
Tragödie, darunter macht es Woody Allen ja nicht, wenn er mal wieder einen
seiner todernsten Filme dreht.
Diesmal, wie beim sehr viel gelungeneren
"Match
Point", wieder in
London. Zum Inhalt ist so viel zu sagen: Soziologisch wie psychologisch stimmt
einmal mehr gar nichts. Und zur Form: Die Kamera arbeitet strikt funktional.
Schuss-Gegenschuss, Schwenk auf Schwenk zur jeweils sprechenden Figur. Zur Musik:
Philipp Glass, der alte minimal
music-Dudelsack, hat im
Schlaf einen Soundteppich komponiert, der gegen Ende hin immer dräuender
wird.
Woody Allen ist ein abstrakter Autor,
der seine Figuren stets vom Grundkonflikt aus denkt, den er entwirft. Sie haben,
anders als in den komischen Filmen die Scherze, an die Allen seine Charaktere
da gerne verrät und verkauft, nicht das
mindeste Eigenleben. Und weil es in den ernsten Filmen keine Scherze gibt, gibt
es in ihnen eben kein Eigenleben. Ist noch dazu der Grundkonflikt so vertraut
und wird so mechanisch abgespult wie in "Cassandra’s Dream", dann
sind diese ernsten Filme sogar von Anfang an tot.
Drum geschieht in "Cassandras Traum",
was geschehen muss. Die Tat wird getan. Ewan McGregor, dessen Statur noch nicht
einmal die totale Leere der Star Wars-Prequels viel anhaben konnte, wahrt seine
eher ausdruckslose Form der Eleganz. In der Farrellschen Braue aber nistet Gewissensbiss.
Hinter den Ecken, um die McGregor mit teuren geliehenen Autos fährt, lauert
finstere Wendung. Überraschungen bleiben, nicht dass man überrascht
wäre, aus. So geht das zu, wenn Woody Allen
schlechte Tragödie spielt. Beinahe zwei Stunden lang schenkt einem
"Cassandra’s Dream" nichts. Außer einen Ewan McGregor, der auch
angesichts der monumentalen Fadheit des Films nicht mit der Wimper zuckt.
Ekkehard Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen am 04.06.2008.
in: www.perlentaucher.de
Cassandras
Traum
Cassandra’s
Dream
USA
2007. Regie, Buch: Woody Allen. Kamera:
Vilmos Zsigmond. Musik: Philip Glass. Produktion: Letty Aronson, Stephen Tenenbaum,
Gareth Wiley.
Mit:
Ewan McGregor (Ian), Colin Farrell (Terry), Tom Wilkinson (Howard), Hayley Atwell
(Angela), Sally Hawkins (Kate), Phil Davis (Martin Burns).
Verleih:
Constantin
Länge:
108 Minuten
Dt.
Start: 05.06.2008
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