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Casino Royale

 

Kaleidoskop filmischer Albernheiten

 

"Casino Royale" ist eine "James Bond"-Parodie, welche die Manierismen, Klischees, Exzentrik und Opulenz des Originals akzeptiert, überspitzt und durch den Kakao zieht; mal geschieht dies mit steif ernster Haltung, mal mit greller Albernheit.

 

Obgleich ein gewisser camp&trash-Faktor stets gewahrt bleibt, kann der Film mit einer äußerst üppigen Ausstattung glänzen. Im Jahre 1967 jedoch floss das Geld im Vergleich zu heute weitaus weniger in die Tricktechnik als vielmehr in opulente Kulissen, Choreographien und Kostüme. Besonders erwähnenswert erscheint mir eine geheime Operationsbasis in West-Berlin, die als Kunstakademie getarnt ist, und deren Architektur der expressionistischen Malerei entsprungen zu sein scheint, und wo ziemlich verstörende und groteske Charaktere auftreten; die dort spielenden Szenen sind eine wilde Mischung aus (anti-)deutschen Klischees, Dadaismus, Cabarét der Zwanziger, Expressionismus, Alice im Wunderland, BDSM, absurdem Theater und groteskem Puppenspiel.

 

Ähnlich überdreht kommen auch die eher konventionell gehaltenen Szenen daher, sei es in gegen die Norm besetzten Figuren (so ist der echte James Bond – kongenial dargestellt von David Niven – ein alternder distinguierter Dandy, dem lediglich seine Gegner Frauengeschichten und andere Laster anzuhängen versuchen, der von modernen Gadgets nicht viel hält und viel lieber privat in seinem Oldsmobile herumcruist oder Debussy auf dem Klavier zum besten gibt als irgendwelchen Aufträgen nachzugehen), mit völlig ineffizienten, weil technisch unnötig verkomplizierten aber ausgefallenen Mordversuchsmethoden, in albernen out-of-genre Collagen à la "Die nackte Kanone" oder auch in völlig absurden Szenen, die man heute wohl noch am ehesten als "Simpsons"-Moment bezeichnen würde.

 

Hinzu kommen bei und neben all den liebevoll auf die Schippe genommenen "James Bond"-Elementen jedoch auch einige im Film als selbstverständlich hingenommene Zeitgeist-Phänomene, die heutzutage nur schmerzlich zur Kenntnis genommen werden können; all die dämlich schmachtenden Dumm-Blondchen etwa, die in allerlei künstlich in die Länge gezogenen Szenen auftauchen um ihren Liebreiz zur Schau zu stellen, oder aber ganz ähnlich klischeehaft angelegte degenerierte Schwuchteleien irgendwelcher Halbstatisten. Andrerseits speist sich aus einer benachbarten Zeitgeist-Quelle aber auch gerade der Charme dessen, was Mike Myers rund 30 Jahre später in seinen "Austin Powers"-Filmen erfolgreich (!) als neue schrille Idee zu verkaufen gelang, obwohl dies bereits in "Casino Royale" teils weitaus besser gelungen war.

 

Das Personal des Films ist übrigens ähnlich opulent wie die Austattung: Nicht zuletzt seien hier Woody Allen und Orson Welles als glänzend besetzte Superschurken sowie Peter Sellers als Möchtegern-Agent genannt, doch sind das längst nicht die einzigen prominenten Namen dieses Star-Vehikels, welches erfrischenderweise jedoch weitaus weniger auf Prominenteninszenierungen als auf einen buntes Feuerwerk ganz verschiedenartiger Witze, Zoten und Anspielungen setzt.

 

In bester Popcorn-Kino-Manier wird hier dem konsumverträglich-kommerziellen Humor mit einem leichten Hauch von (Pseudo-)Anarchismus gefrönt, wie er sich unter anderem aus allerlei der Gegenkultur entlehnten Oberflächenphänomenen (etwa aus psychedelischer Kunst und Bildverfremdung) speist. Aus all diesen Zutaten ergibt sich ein glitzerndes Kaleidoskop klischeezersplitternder Seltsamkeiten und filmischer Albernheiten, das nach zahlreichen, ebenso konfus wie rasant abgespulten, wild aneinandergereihten Szenen in einen völlig überdrehten Showdown mündet und schließlich – nachdem sämtliches humoristisches Pulver verschossen wurde – in einer völlig abrupten Antiklimax verpufft.

 

(Spoiler: Gegen Ende kommt natürlich die Kavallerie!)

 

Fazit:

"Casino Royale" ist ein reiner Unterhaltungsfilm auf extrem niedrigem geistigen Niveau, ein Whirlpool an Albernheiten, und ein opulentes Festmahl des parodistischen Trash-Kinos. Das wirklich Irre daran ist jedoch, dass die Vorlage zu diesem wirren Wagnis tatsächlich (im Original ernsthaft angelegt!) vom "James Bond"-Schöpfer Ian Fleming stammt, was einmal mehr die Krankhaftigkeit seiner ebenso misogynen wie heroisierten Romanfigur in einer mindestens genauso krankhaften fiktiven Welt aus Doppelagenten, Weltverschwörungen und psychopathischen Genies unterstreicht. Diese aus der Zeit des Kalten Krieges stammende paranoide Grundhaltung wird hier jedoch der ihr gebührenden Lächerlichkeit preisgegeben, wenn nicht sogar rückstandslos in ihr aufgelöst. "Casino Royale" mag alles andere als ein anspruchsvoller Film sein, doch spritziger als der biedere "Austin Powers" ist er allemal.

 

E. Schmitz

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei. www.ciao.de

 

Casino Royale

CASINO ROYALE

James Bond – Casino Royal

England – 1966 – 123 min. – Scope – Erstaufführung: 21.12.1967

Regie: John Huston, Ken Hughes, Val Guest, Robert Parrish, Joseph McGrath

Buch: Wolf Mankowitz, John Law, Michael Sayers, Billy Wilder (ungenannt), Joseph Heller (ungenannt), Ben Hecht (ungenannt), Val Guest (ungenannt), Terry Southern (ungenannt)

Vorlage: nach Motiven aus dem Roman von Ian Fleming

Kamera: Jack Hildyard, John Wilcox, Nicolas Roeg

Musik: Burt Bacharach

Schnitt: Bill Lenny

Darsteller:

Peter Sellers (Evelyn Tremble 007)

Ursula Andress (Vesper Lynd 007)

David Niven (Sir James Bond)

Orson Welles (Le Chiffre)

Woody Allen (Jimmy Bond/Dr. Noah)

Daliah Lavi (Detainer 007)

Deborah Kerr (Lady Fiona/Agentin Mimi)

William Holden (Ransome)

Charles Boyer (Le Grand)

George Raft (George Raft)

John Huston (McTarry alias M)

Barbara Bouchet (Moneypenny)

Peter O’Toole (Scotch Piper)

Jean-Paul Belmondo (französischer Legionär)

Jacqueline Bisset (Miss Langbein)

 

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