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Carlito’s
Way
Der Ehre zuviel
In einer Welt, in der die Grenzen zwischen gut und
böse, legal und illegal in dem Maße sich verwischen, je mehr man
hinter die Kulissen schaut, ist es schwer, ein Ehrenmann zu sein. Die Ehre kennt
keine Kompromisse, sie hat das letzte Wort. Deshalb ist sie eigentlich immer,
in dieser Welt des Kriminellen, die der Film zeigt, ein tödliches Instrument,
der heilende Speer, der den Weg zur Wunde nicht mehr findet. Die Ehre gehört
also zur Welt des magischen Denkens, die auf das Charisma einer Konvention gebaut
ist. Nicht alle leben aber in dieser Welt und nicht alle erkennen diese Konvention
an. Das macht aus dem ehrenwerten Mann eine hybride Figur aus Held und Don Quichotte.
Erst Gesinnungsheld, dann Don Quichotte der Aktion, am Ende toter Mann.
Vielleicht liegt es an dieser ausnahmslosen Folgerichtigkeit,
dass Brian de Palma uns gleich mit dem Ende der Geschichte bekannt macht. Fragt
sich nur, was uns dann noch interessieren könnte. Die tragische Selbsterkenntnis
des Helden? Eine spannend erzählte Geschichte, die es sich leisten kann,
das Ergebnis schon ausgeplaudert zu haben? Eine Raffinesse bei der Darbietung?
Letztlich wird man nur gesehen haben, wie ein Genre sich selbst vorführt,
und das ist ein bisschen wenig. Man schläft mit dem müden Erzähler
ein. Der Drogendealer Carlito (Al Pacino) wird auf Bewährung vorzeitig
entlassen, das hat er vor allem seinem Anwaltsfreund zu verdanken. So sieht
es jedenfalls erst mal aus. Aber dann stellt sich der Freund selbst als ganz
großer krimineller Hecht heraus, der plötzlich mitten zwischen den
Stühlen sitzt und Carlito bittet, ihm bei einer Aktion zu helfen. Die Aktion
scheitert, der Freund versucht sich mit allen Mitteln zu retten und scheut sich
auch nicht davor, Carlito anzuschwärzen. Das ist der Moment, wo die Magie
als Magie erkannt wird. Und das ist der Zeitpunkt, wo es schon zu spät
ist. Wo man als dummer Junge dasteht. Denn die guten, uneigennützigen Taten
werden von den anderen nicht gegengerechnet. Und man hat den Überblick
darüber verloren, wer sich noch abrechnungsberechtigt glauben darf. Das
ist besonders dann fatal, wenn man einer Frau das Paradies versprochen hat und
unter Zeitdruck steht, dieses zu verwirklichen.
Am Ende steht einem dann immer einer gegenüber,
mit dem man am wenigsten gerechnet hat und der einen von einem Traum zum nächsten
befördert, wenn es nicht gleich der Tod ist. Als Zuschauer teilt man die
hilflose Situation der Frau, der Geliebten, bei der das Nachsehen tapfer erwartet
wurde. Und der Traum vom Paradies zieht sich am Ende definitiv in ein Plakat
zurück, dessen Animation nichts anderes als Kitsch übrig lässt.
Und die Moral von der Geschichte? Ein langer, langweiliger Film, Pflichtübung
(oder auch nicht) eines Regisseurs, von dem man schon bessere Filme gesehen
hat, lustigere, spannendere, abgefahrenere. Das „Lächeln des Brian de Palma“
habe ich hier schon ein bisschen vermisst.
Dieter Wenk
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei:
Carlito’s
Way
CARLITO’S
WAY
USA
– 1993 – 145 min. – Scope – FSK: ab 16; Prädikat: besonders wertvoll –
Erstaufführung: 24.2.1994/21.9.1994 Video/6.10.1995 premiere – Produktion:
Martin Bregman, Willi Bär, Michael S. Bregman
Regie:
Brian de Palma
Buch:
David Koepp
Kamera:
Stephen H. Burum
Musik:
Patrick Doyle
Schnitt:
Bill Pankow, Kristina Boden
Darsteller:
Al
Pacino (Carlito Brigante)
Sean
Penn (David Kleinfeld)
Penelope
Ann Miller (Gail)
John
Leguizamo (Benny Blanco)
Ingrid
Rogers (Steffie)
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