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Capote

 

Es gibt ja zur Zeit in der Filmlandschaft einige Moden: biographische Filme etwa, oder auch ein neuer Umgang mit Homosexualität, vielleicht auch noch die Besetzung von Philip Seymour Hoffman als Vertreter der schreibenden Zunft. Bennett Millers Capote mischt da auch überall recht kräftig mit. Was man allerdings eher selten erlebt, ist ein Hauptcharakter, der so gar nicht zum Sympathieträger taugt, der einen spätestens zur Hälfte des Filmes anwidert und dessen egomanische Selbstverliebtheit von der Inszenierung noch hemmungslos herausgestrichen wird.

 

Der Titel des Filmes ist insofern verwirrend. Capote – da erwartet man das umfassende Portrait eines Mannes, zumindest einen entscheidenden Ausschnitt aus seinem Leben: Kindheit, Jugend, erster Erfolg, vielleicht; oder auch erster Erfolg, Schaffenskrise, Riesendurchbruch; oder auch Erfolg, Scheitern, Scheitern, Selbsterkenntnis, Tod. Soweit wohl auch die Konvention.

 

Miller macht das anders. Vier knappe Jahre kriegen wir zu sehen aus dem Leben dieses Mannes, dem Autor von Breakfast at Tiffany’s und In Cold Blood, dem Gesellschaftsgockel, dem Manipulator, dem Narzissten. Vier Jahre, die Miller allerdings auch hervorragend nutzt, um Capote auszuleuchten, abzulichten. Dabei helfen ihm nicht nur ein starkes Drehbuch und eine adäquat gefundene Bildsprache sondern vor allem auch seine ganz hervorragenden Schauspieler: Hoffman säuselt sich mit ernsthaftem Pathos durch den Film, ohne seinen Charakter dabei jemals zu verraten; Catherine Keener (so gut wie selten!) steht ihm als klare, nüchterne Harper Lee zur Seite; dazu der unauffällig tiefe Chris Cooper und Clifton Collins Jr. als Mörder Perry Edward Smith, der erstaunliche Sanftheit und Schönheit ebenso zu zeigen vermag wie verstörende Abgründe. Freilich, so ein Protagonist braucht starke und interessante Nebenfiguren, irgendwo muss der Zuschauer mit seinen Sympathien ja hin, und so scheint der Film sich bisweilen auch mehr mit Perry und seiner Gemütslage zu befassen als mit Capote selbst. Und das färbt dann freilich wieder auf Capote ab, dessen Verrat am Menschen zum Nutzen des Buches, des Erfolgs, ach, sagen wir es wie es ist, seiner selbst, damit umso abgründiger wird und inakzeptabler.

 

Nein, nein, es besteht kein Zweifel, was Miller hier geschaffen hat, das ist ein guter Film und eine gestochen scharfe Charakterisierung einer problematischen Persönlichkeit. Man bekommt sogar Lust, es Ermittler Alvin Dewey gleich zu tun und In Cold Blood aus der nächsten Bücherei zu holen, schon alleine um nachzusehen, wie weit der Verrat an den beiden verlorenen Mördern denn nun auch in der Erzählung wirklich geht. Das Leseerlebnis dürfte nach diesem Film allerdings ein grundlegend anderes sein: denn was ist von einem Autor zu halten, der es nötig hat, sich von und vor Todgeweihten seine Lebensfiktion bestätigen zu lassen? Der an der Inszenierung seiner selbst mindestens ebenso viel feilt, in sie mindestens ebenso viel investiert wie in seine Romane? Der die Erfolge seiner engsten Vertrauten verschmäht für einen Moment großen, tiefen, lächerlichen Selbstmitleides?

 

Etwas, irgendetwas ist allerdings auch dran an diesem Mann, ein gewisser Charme, eine kindliche Verletzbarkeit, fast Unschuld, und irgendwo, sehr, sehr tief drinnen auch eine große Ehrlichkeit. Das macht es dem Zuschauer nicht leichter – und doch, die letzten Momente des Filmes wirken wie Balsam auf die Seele, ein leises, beruhigendes Gefühl süßer Rache, oder sagen wir befriedigender Genugtuung. Truman Capote vollendete nach In Cold Blood kein einziges Buch mehr, steht da vor schwarzem Hintergrund zu lesen. Er starb im Jahre 1984 an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. Ach ja, das ist schon recht.

 

Christina Hein

 

Capote

USA 2005 – Regie: Bennett Miller – Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Chris Cooper, Clifton Collins Jr., Bruce Greenwood, Amy Ryan, Bob Balaban, Mark Pellegrino, Marshall Bell, Allie Mickelson – FSK: ab 12 – Länge: 114 min. – Start: 2.3.2006

 

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