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Cannibal
Terror
Die Kleinganoven Mario (Antoine
Mayans) und Roberto (Antoine Fontaine) sind bei ihrem letzten Bruch wieder einmal
gescheitert. Mit Hilfe ihrer Freundin Rina (Mariam Camacho) entführen sie
die Tochter (Annabelle) des reichen Automagnat-Ehepaares Dauville (Olivier Mathot
und Silvia Solar) und erhoffen sich damit eine nutzbare Summe Lösegeld.
Doch die Geldübergabe scheitert, denn der Mittelsmann des Gangstertrios
wird dummerweise von der Polizei verhaftet, als er einen Passanten anfährt.
Sofort setzt sich Roberto mit seinem Boß Don Pepe in Verbindung, der ihnen
die Flucht ins Ausland ermöglicht. Dort angekommen werden sie von einer
jungen Frau erwartet, mit deren Hilfe sie sich in einem Jeep durch das unwegsame
Gelände bahnen. Während eines Motorschadens wird die Komplizin von
den dort lebenden Eingeborenen gefangengenommen und verschleppt (um sie dann
rituell zu verspeisen). Mario, Roberto und Rina können mit ihrer kindlichen
Geisel entkommen und erreichen das Anwesen eines gewissen Antonio (Antonio Jover),
der Handel mit den Eingeborenen treibt. Doch die Idylle ist trügerisch.
Mario hat es auf Antonios Frau Manuela (Pamela Stanford) abgesehen und vergewaltigt
sie sogar. Doch diese Tat bleibt nicht ungesühnt. Antonio findet seine
Frau am Boden zerstört und lockt Mario in eine Falle. Er täuscht vor,
mit ihm auf Jagd gehen zu wollen, um seinen Widersacher an einem Baum gefesselt
den kannibalischen Eingeborenen auszuliefern. Zwischenzeitlich hat Manuela auch
einen Bekannten (Alain Deruelle) über die wahre Identität der Kindesentführer
eingeweiht. Kurzerhand werden die Eltern der kleinen Flaurence verständigt,
die mit Hilfe der Grenzbehörden bis zu Antonios Wohnsitz vordringen, um
ihre kleine Süße zu befreien. Doch den Kidnappern entgeht Dauvilles
Ankunft nicht und fliehen mit dem Kind in den Dschungel, wo sie zunächst
eine abscheuliche Begegnung mit Marios Überresten machen und dann von den
Kannibalen gefangengenommen und in deren nahe liegendes Dorf gezerrt werden.
Dort werden sie Opfer der Kannibalen, aber mit Hilfe von Antonio gelingt den
Dauvilles die Rettung ihrer Tochter. Ende gut, alles gut!
Meine Güte, was sich schon
vom Covertext her liest, klingt ja ehrlich gesagt alles andere als innovativ,
aber was hier auf Zelluloid gezaubert wurde, schlägt dem Faß den
Boden aus. Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll, denn dieser Streifen
hat rein gar nichts Unterhaltsames an sich. Er ist einfach nur schlecht! Schon
in den ersten Minuten, in denen die zwei schmierigen Kleinganoven versuchen
in ein Boot einzubrechen, zieht sich die Handlung endlos wie Kaugummi. Das Verhalten
der Protagonisten ist einfach nur lachhaft, obwohl ich befürchte, daß
die „Situationskomik“ sogar beabsichtigt war. Dennoch ist nicht einmal ein Funken
von Humor zu erhaschen, egal ob freiwillig oder nicht. Mit den gebürtigen
Franzosen Olivier Mathot, Antoine Fontaine, Silvia Solar, Pamela Stanford und
dem Spanier Antonio Mayans haben wir auch gleich eine Riege mehr oder weniger
bekannter Exploitation-Darsteller, die u.a. auch in diversen Jess Franco-Filmchen
zu sehen sind; aus zusammenhängendem Anlaß sei als Beispiel Mondo cannibale (Mondo
Cannibale 3. Teil – Die blonde Göttin der Kannibalen,
1981) erwähnt. Doch ihre darstellerischen Leistungen reichen dank ihrer
ausdruckslosen und lustlosen Spielart nicht über den Tellerrand der Laienschauspielerei.
Das nette Blondchen Sabrina Siani, die für Franco die „weiße Göttin“
mimte, ist hier in einer kurzen Einstellung in einer Bar zu sehen.
Während die männlichen
Protagonisten sich in stumpfsinnige Mienen und unsäglichen Dialogen flüchten,
bleibt es den weiblichen Akteuren lediglich vorbehalten, ihre stützlosen
Knautschmänner in luftigen Kleidchen spazieren zu führen. In dieser
Gesellschaft kann einem die kleine Annabelle richtig leid tun, zumal sie altersbedingt
– von der Erfahrung ganz zu schweigen – nicht viel mit ihrer Filmrolle anzufangen
weiß. Das merkt man gleich, denn unter dem Zwang zu schauspielern wirkt
sie ziemlich irritiert. Drehbuchtechnisch hatte man auch versäumt dem Kind
das nötige Heimweh nach Mama und Papa zuzuteilen, denn sie fragt während
des gesamten Films nicht einmal nach ihren Eltern. Ob das eine Erscheinung mangelhafter
Fürsorge ist? – man weiß es nicht. Hinzu kommt die Tatsache, daß
ihre inhaltlich zugeteilte Rolle nicht zentralisiert wird, sondern nur als Mittel
zum Zweck dient, und das obwohl sich ja die gesamte Geschichte um sie dreht.
Und die nebensächlichen Szenen mit den Grenzbeamten sind für den Verlauf
der Story völlig unerheblich und dienen lediglich dazu, die Spielzeit auszudehnen,
was die Geschichte noch tiefer in den Sumpf der Belanglosigkeit versinken läßt.
Wie dem auch sei, selbst der Titel
gebende „Kannibalenterror“ bleibt aus, obwohl die Gedärmewühlszenen
bis zum Erbrechen in die Länge gezogen werden, wie die Kordeln aus dem
Körperinneren ihrer Opfer. Hier zerfließen die Grenzen zwischen Ekel
und Langeweile, wobei letzterer Teil dieses Wirkungsmechanismus die Oberhand
gewinnt. Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, daß die Effekte
an sich, also die anatomische Zerstörung, nur Sekundenbruchteile lang dauern
und auch so stark herangezoomt werden, daß der Spezialeffekt als solcher
kaum nennenswert bleibt; ein probates Mittel um Geld zu sparen. Unterbrochen
wird das ganze durch unnötig langatmige und überflüssige Handlungen
der Kannibalen. Neben den minimalen Gewaltanteilen gibt es auch sleazy Einsprengsel,
wie die Ruckzuck-Badenummer der aufregend unattraktiven Pamela Stanford – scheinbar
wusch sie sich mit kaltem Wasser, denn dieser Wischiwaschinummer kann man nun
wirklich nicht auch nur einen Hauch knisternder Erotik zusprechen – und ihre
plumpe Vergewaltigung. Selbst diesem verabscheuungswürdigen Akt kann man
keine ernste Miene entgegenbringen. So verpufft die Wirkung nicht nur durch
die unglaublich miserable Darstellung, sondern auch mit dem Einfall, daß
Pamela kurze Zeit später auf der Hausparty verführerisch tanzend mit
ihrem Peiniger flirtet.
Und wäre das nicht schon schlimm
genug, sind die sogenannten Kannibalen in keiner Weise ernst zu nehmen. Denn
Terreur cannibale leidet wie sein Verwandter Mondo cannibale an der gleichen Krankheit: Die
Eingeborenen werden zum größten Teil von „Weißen“ gespielt.
Unglaublich, was man sich für Statisten ausgesucht hat. Männer mit
Haarausfall, Schnauzbärten, Kotletten und Bierbäuchen; sogar ein blondhaariger
Mann befindet sich unter ihnen. Der Grund für diese infektiöse Gaudi
ist einfach zu diagnostizieren: Rund 90% der Kannibalenszenen wurden direkt
aus Francos Film entnommen bzw. aus dessen nicht verwendeten Filmschnipseln.
Tja, dumm gelaufen, denn gut geklaut ist noch lange nicht gewonnen. Aber es
wird noch schauriger, denn einige Darsteller (z.B. der Anführer der Kannibalen)
mußten sich eine Perücke aufsetzen, um eine wilde Zottelmähne
vorzutäuschen, die aber weniger Zotteln als vielmehr Wellen schlägt.
Zu guter letzt gibt es noch die notwendigen Lendenschürze und damit die
Wilden auch wirklich „wild“ aussehen, hat man sie mit dem Gesicht in einen Farbkessel
Buntes getunkt – et voilà: fertig ist der Trash-Kannibale!
Ein weiterer Faktor nichtauthentischer
Feinheiten ist die gesamte Lokalität. Denn wie bei Jess Francos Kannibalenopus
wurde nicht in tropischen Gefilden gedreht, sondern vermutlich im sonnigen Spanien.
Die Vegetation ist daher alles andere als exotisch, sondern beherbergt lediglich
Laub- und Nadelbäume sowie Olivenhaine. Der Rest ist eine dürre Steppe
mit trockenen Büschen, wie man sie in den südeuropäischen Gebieten
begutachten kann. Trockene Hitze statt Schwüle ist hier angesagt. Selbst
Franco hatte nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern bediente sich
meiner Kenntnis diverser Parkanlagen mit Palmenhainen, Mischwälder und
kleineren Gärten in Spanien. Und da sämtliche Kannibalenszenen aus
Mondo cannibale stammen, kann sich jeder selber
denken, daß es diesbezüglich kein Eigenmaterial in Terreur
cannibale gibt.
Selbst die Natur- und Tierszenen wurden überdeutlich aus oben genanntem
Film hineingeschnitten. Da helfen auch keine visuellen Verfremdungen, um den
geneigten Betrachter zu täuschen; ebenso wenig kurze Blicke auf lausende
Affen und Papageien (die ausnahmsweise mal nicht geklaut sind).
Technisch gesehen ist der Film ohnehin
eine Katastrophe, die Kamera erzeugt keine Bewegung in den Bildern, jede Szene
wird stumpf und statisch eingefangen und vertreibt damit jede Möglichkeit
eines Spannungsaufbaus. Nicht selten werden auch verschiedene Sequenzen wiederholt,
wie die Feierlichkeiten im Kannibalendorf, Autofahrten oder auch der Blick auf
Antonio Mayans erbärmliche Überreste, welche die Kannibalen nach ihrer
kulinarischen Exzession hinterlassen haben. Und sogar die Sequenz wurde aus
Mondo cannibale geklaut!
Lange Rede kurzer Sinn: Mit Terreur cannibale haben wir es einfach nur mit einem
absolut miserablen Flickwerk zu tun. Kann ich dem Mondo
cannibale oder
auch Il cacciatore
di uomini (Jungfrau unter Kannibalen, 1980) noch etwas abgewinnen, doch
unter der Regie des ehemaligen spanischen Schauspielers und Kameramanns Julio
Pérez Tabernero, der auch den Pseudo-Giallo Sexy
Cat (1973) und
die spanische Version von Francos La
coccolona (1975)
inszenierte, ist schließlich alles aus. Denn im direkten Vergleich steigt
Terreur cannibale noch eine Stufe tiefer und befindet
sich damit – ich will es gar nicht aussprechen – schon so gut wie auf Amateurniveau.
Gelten die Menschenfresserfilme des spanischen Exploitationfilmers allgemein
als Bodensatz und Untergang dieses Subgenres, so sei jedem geraten, sich diesen
Film anzusehen, danach wird man seine Meinung bestimmt revidieren. Der einzig
positive Aspekt – obwohl, auch darin ist der Film keine Ausnahme – ist das Ausbleiben
jedweder Tierschlachtungen.
Bleibt noch zu sagen, daß
der Film neben Sisworo Gautama Putras Primitif (Der
Todesschrei der Kannibalen,
1978) zweifellos der seltenste Dritte-Welt-Kannibalenfilm sein dürfte,
zumal es davon bis vor wenigen Jahren keine deutsche Fassung gab. (In England
landete er auch auf der Liste der Video-Nasties.) Das änderte sich 2001,
als eine Videokassette mit einer grottenschlechten Synchronisation – mit ihr
wird diese filmgewordene Frechheit noch unerträglicher – aus dem Hause
X-Rated Kultvideo den Weg in die heimischen Recorder fand; kurz darauf folgte
auch die DVD-Auswertung von Laser Paradise, womit sich eine Lücke in der
Genresammlung schließen läßt. Irritierend ist nur, daß
der selbst gebastelte Vorspann mit einem Stück aus Nico Fidencos Soundtrack
zu Joe D’Amatos Emanuelle
e gli ultimi cannibali
(Nackt unter Kannibalen, 1977) unterlegt ist. Ob das so
seine Richtigkeit hat? Na, ich weiß ja nicht.
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Cannibal
Terror
Originaltitel:
Terreur cannibale
Alternativtitel:
Cannibal Terror (GB)
aka.
Kidnapping
aka.
Terror caníbal (Spanien)
Produktionsland/-jahr:
Frankreich/Spanien 1980
Regie:
Julio Pérez Tabernero (= Allan W. Steeve)
Produktionsfirma:
Eurociné
Produktion:
Marius Lesoeur
Drehbuch:
Ilona Kunesova & H.L. Ristaine (= Marius Lesouer?)
Kamera:
Alain Hardy & Emilio Foriscot (?)
Musik :
Jean Jacques Lemeztre (= Jean-Jacques Lemètre) & CAM Film Music Library
Schnitt :
Roland Grillon & Dominique Petit
Darsteller :
Silvia Solar (Madame Dauville), Stan Hamilton, Olivier Mathot (Monsieur Dauville),
Annabelle (Flaurence Dauville), Antonio Jover (Antonio), Gérard Lemaire,
Tony Fontaine [= Antoine Fontaine] (Roberto), Anthony Mayans [= Antonio Mayans]
(Mario), Pamela Stanford (Manuela), Burt Altman, Michel Laury, Mariam Camacho
(Rina), Amparo Marsilla, Montserrat Salvador, Chris Yebenes, Alain Deruelle
(Pietro) u.a.
Deutsche
Erstaufführung: Februar 2001
Verleihfirma:
X-Rated Kultvideo
Altersfreigabe:
ab 18 Jahre (ungeprüft)
Bildformat:
1.66:1
Laufzeit:
89 Minuten (PAL)
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