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Caché
Nicht
im Bild ist das Rätsel, das Bild selbst ist das Rätsel. Eine Einstellung,
starr, es tauchen Buchstaben auf, der Vorspann, nüchtern, der Text ins
Bild geschrieben, das zum Hintergrund wird. Zu sehen ist eine Straße,
begrenzt von Häuserwänden, zu sehen sind parkende Autos, im Zentrum
des Bildes ein Hauseingang, eine Frau verlässt das Haus. Stimmen sind zu
hören, ein Schnitt, ein Mann verlässt das Haus und sieht sich um.
Dann wieder dieselbe Einstellung, für ein paar Momente, die sich, ein plötzlicher
Bruch, in Bewegung setzt: ein starres Bild im Vorspulmodus.
Das
Bild, als das Michael Hanekes "Caché" zu Beginn sich präsentiert,
ist ein zunächst nicht ausgewiesenes Zitat. Es stürzt in sich zusammen
in dem Moment, in dem der Mann, die Frau, das Ehepaar den Vorspulknopf bedienen.
Dieser Zusammenbruch wird sich später im Film als Verunsicherungseffekt
wiederholen. Das Beobachtungs-Bild, das Haneke präsentiert, bevor er in
den Normalmodus filmischen Erzählens zurückspringt, hat keinen Autor.
Es ist ein manifestes Bild aus dem Verborgenen, dem sich unversehens ein zweites
Bild hinzugesellt, ein latentes Bild aus dem Unbewussten: ein Junge, der aus
dem Mund blutet. Michael Haneke beginnt seinen Film mit einer Bildverwirrung,
einem Einbruch des wahren Bildes ins falsche Leben, von dem sich die Familie,
die im Zentrum von "Caché" steht, nicht mehr erholen wird.
Georges Laurent ist,
als ihn die Bilder ereilen, ein erfolgreicher Mann. Im Fernsehen leitet er eine
Literaturgesprächssendung, die Wände zu Hause voller Bücher (und
Videos), kultivierte Freunde zu Besuch, beste Pariser Gesellschaft. Die Bilder,
die ihn einholen, als anonym zugesandte Videokassetten, sind lesbar als objektivierte
Zeugnisse eines schlechten Gewissens. Als Kind hat Georges Majid, einen Jungen
arabischer Herkunft, heimtückisch aus seiner Familie gedrängt. Das
Blut auf den Kinderbildern, die die zugespielten Videokassetten begleiten, markiert
die Rückkehr des Verdrängten. Die leeren Bilder, in denen es kein
Rätsel gibt, werden zum Auslöser für Bilder, die verborgen waren,
aber nicht vergessen.
Anders
als bei David Lynch, zu dessen "Lost
Highway"
der Beginn einen offenkundigen Bezug herstellt, ist der Horror bei Haneke nicht
namenlos. "Caché" ist eine moralische Experimentalanordnung
und eine mögliche Übersetzung der Beobachtungsbilder lautet: "Gott
sieht alles". Und Gott, das Gewissen, als Autor der zugespielten Bilder,
führt Georges zu einer Bewährungsprobe, zur Konfrontation mit seinem
Opfer von einst. Gott gewährt eine zweite Chance und Georges versagt erneut.
Die Kinder-Bilder werden wahr, zum Menetekel, das sich erfüllt. Als die
Leiche im Keller – so eine mögliche Lesart des Films – ein zweites Mal
auftaucht, muss Georges Laurent sie ein zweites Mal töten.
Hanekes
Moralismus war von Sadismus noch nie weit entfernt. Hier transponiert er ihn
in eine sehr effektvolle und in der Genre-Aneignung auch originelle Kriminalgeschichte,
in deren Auflösung kein Heil liegt. In dem Maß jedoch, in dem die
Experimentalanordnung diesmal – wie die wiederum starre Schlusseinstellung –
auf mehrere Lektüren hin offen bleibt und damit jede Eindeutigkeit verweigert,
ist "Caché" Hanekes bisher subtilster Film.
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Hidden
117
Min
Frankreich
2005
Regie:
Michael Haneke
Darsteller:
Daniel Auteuil, Juliette Binoche, Maurice Benichou, Annie Giradot
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