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Buena
Vista Social Club
Als
einem der Popkultur abgewandten Liebhaber des guten alten Neuen Deutschen Films
war mir natürlich nicht bekannt, welche Band derzeit die Verkaufscharts
des Plattenhandels anführt. So erschien mir Wim Wenders’ aktueller Film
"Buena Vista Social Club" denn auch nur ein weiteres interessantes
Filmexperiment eines der letzten wirklich aktiven Filmemacher aus jener Zeit,
in der Schlöndorff, Kluge, Herzog, Straub und Fassbinder noch gutes deutsches
Kino boten. Wenders hatte sich in vergangenen Jahren immer wieder als Apologet
des postmodernen Films hervorgetan. Gerade in Filmen wie Aufzeichnungen
zu Kleidern und Städten (1989)
oder Tokyo
Ga
(1985) bewies er Gespür dafür, wie man als Dokumentarfilmer mit den
Mitteln des Mediums Film (oft im Kontrast zum Medium Video) dessen Möglichkeiten
darstellen kann, ohne wirklich in die Untiefen des Experimentalfilms abzurutschen.
Und immer hatte ich dabei das Gefühl, dass die Arbeit mit 35mm für
Wenders die bestimmende war. Machte er doch stets deutlich, wie vergänglich
das Video war, wie unästhetisch, wenn es von den Monitoren fort auf die
große Leinwand gezerrt wurde.
In
Buena
Vista Social Club
verwunderte mich deswegen am stärksten, dass er ausschließlich mit
Video (Sony Digital Camcorder) vorging. Die Bilder, die er von Kuba, New York
und Amsterdam einfängt, bekommen daher etwas Urlaubsvideohaftes – gewollt
oder nicht. Und in Einklang mit der Urlaubsvideoästhetik wird dann auch
eine Geschichte von alten Menschen und ihrer Liebe zu Kuba und zur kubanischen
Musik erzählt, die sich des Pittoresken eines Urlaubsfilms nicht zu erwehren
vermag. In Fahrten die langen Straßen Havannas und New Yorks entlang,
immer um das jeweils erzählende Bandmitglied herumwuselnd und nebenher
mit einem flinken Blick die ökonomischen Missstände (in Form verbeulter
Autos und verfallener Häuser) erhaschend, versucht Wenders, die Geschichten
aus alten Tagen, die die Menschen der Kamera erzählen, zu bebildern. Er
schreckt dabei nicht einmal vorm Schnulzigen zurück. So ist der Film natürlich
durchsetzt mit den Musikclips der Soneros-Band, abwechselnd im Studio oder beim
Live-Auftritt in New York. Der Schnitt, mit dem solche Szenen mit besagten Urlaubsvideos
und Frontalen auf die Musiker verbunden werden, ist hinreichend bekannt aus
den Star-buhlenden Dokumentarfilmen von MTV, RTL und anderen Sendern, die vorgeben,
zu informieren, aber hinterrücks beweihräuchern. Dem kann sich wohl
selbst ein Wim Wenders nicht entziehen.
Dabei
ist das Objekt seiner Begierde – eben die Band – ja tatsächlich ein Kuriosum.
Die Musiker schienen längst vergessen, als Ry Cooder (der heimliche Hauptdarsteller
des Films, der für Wenders in zahlreichen Filmen den Soundtrack stellte)
von einem New Yorker Produzenten die Idee bekam, eine Platte mit kubanischer
Musik aufzunehmen. Der Film versucht nun, die Geschichte der mittlerweile superpopulären
Band nachzuerzählen: Wie Cooder jeden einzelnen aufgespürt hat, wie
die Musiker zu dieser Art der Musik gekommen sind, was sie mit ihren Instrumenten
und miteinander verbindet. Und ganz nebenbei gefriert Buena
Vista Social Club
zum Geschichts-(erzählenden) Video, geeignet für den Einsatz im Musikunterricht.
Wenders
versucht zu verschweigen, dass er aus der Gegenwart heraus die Gegenwart filmt
und eben nicht die Vergangenheit. Das zeigt sich selbst am Ausblenden des Politischen
auf Kuba. Nur ganz am Anfang und am Ende werden wir mit den Namen Castro und
Guevara konfrontiert und bekommen verblichene Slogans wie "Die Revolution
wird ewig währen" auf Häuserwänden zu Gesicht. Bei mir hat
das funktioniert, denn mir war die Band bis dahin unbekannt und ich wähnte
mich tatsächlich in einem Entdecker-Video. Auch kannte ich bis dahin keinen
der Songs und konnte mich daher unvoreingenommen auf die Musik einlassen. Ob
das hingegen auch bei Leuten funktioniert, die keine Popdinos sind, ist fraglich.
Alles
in allem würde ich Buena
Vista Social Club
gern unterstellen, dass er kein Wenders-Film ist. Das so typische Intellektuelle
im Umgang mit Sujet und Bildern fehlt völlig. Zu eindimensional bleibt
das Gezeigte und kostet zu sehr den Effekt aus. Vielleicht wird mich der nächste
Spielfilm von Wim Wenders ja entschädigen.
Stefan
Höltgen
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Buena
Vista Social Club
Deutschland
/ USA / Kuba – 1999 – 105 min.
Erstaufführung:
17.6.1999/16.12.1999 Video
Produktionsfirma:
Road
Movies Prod./Kintop Pictures/Instituto Cubano del arte e Industrias Cinematográficos
/ICAIC)/arte
Produktion:
Ulrich Felsberg, Deepak Nayar
Regie:
Wim Wenders
Buch:
Wim Wenders
Kamera:
Jörg
Widmer
Theo
Bierkens
Brigit
Hillenius
Robby
Müller
M.
Claire Pigman
Lisa
Rinzler
Schnitt:
Brian
Johnson
Monica
Anderson
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