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The
Brown Bunny
Ich
habe auf diese Sichtung fast zwei Jahre gewartet. Erwartungen: keine. Die beste
Haltung, einem Film zu begegnen, dessen man lange nicht habhaft wurde. Hoffnungen?
Zugegeben, viele. Ich halte Buffalo ’66
für ein begnadetes Stück eigenbrötlerisches Independent-Kino
und Gallo selbst, bei allen politischen Differenzen, für eines der letzten
exzentrischen Künstlerwesen, die sich diesen Status noch erlauben dürfen.
Natürlich waren da die Kontroversen in Cannes. Die waren abzusehen und
an sich auch nicht aussagekräftig. Dann kam eine begeisterte Kritik eines
geschätzten Filmfreundes zur letzten Berlinale, wo der Film nur im mir
nicht zugänglichen Filmmarkt zu sehen war, und dann natürlich tauchte
der Film auf vielen, geschätzten Top-2004-Listen auf. Sogar auf denen mancher
Kritiker, die sich in Cannes nicht einkriegen konnten mit ihren Schmähreden.
Gestern dann, endlich, war es soweit.
*
Langverweilende
Bilder und Einstellungen. Nicht so sehr erzählende, eher zeigende. Understatementhaft,
zumal nach dem ästhetisch hoch- und durchkonzipierten Buffalo
’66.
Eine Leere, die sich in der Weite und oft Relieflosigkeit der Landschaft spiegelt
und, wie zu sehen sein wird, mit der im Protagonisten, Gallo selbst, korrespondiert.
Eine Leere, die schuldzerfressen ist.
*
Bud
Clay ist Motorradrennfahrer. Er zieht durch’s Land, von Rennen zu Rennen. Versuche
von Affären am Straßenrand. Charisma und höllisch gutes Aussehen
(der Mann ist 41!) hat er für zwei. Küsse, dann Tränen. Die Intimitäten
zerbrechen, bevor sie überhaupt beginnen. Weiter durch’s Land. Am Ende
der Verlust, "mono-dialogisch" gezeigt, eine Rückblende noch
darin selbst. Standbild, aus.
*
Lichtstrahlen
fallen ins Bild, ergeben Flächen, Punkte, Spiele im Bild. Immer wieder
der Blick nach vorne aus dem Buick, durch die Scheibe, auf der sich Schmutz
und tote Insekten ausmachen lassen. Die Sonne blitzt noch kurz auf, bevor sie
hinter dem Berg verschwindet. Karge Landschaften, Musik wie aus anderen Zeiten
(und natürlich geht es auch hier, wie bei Buffalo
’66
immer um das, was nicht mehr im Nostalgiebild zu fassen zu kriegen ist, wie
also das Bild, das von Vergangenheit durchtränkt ist, Wesentliches der
Vergangenheit eigentlich verdrängt, ungreifbar macht. Es ist ein instinktiv
kluger, kein konzeptionell-intellektueller Umgang mit dem Bild in der Geschichte
seines Protagonisten, den Gallo hier an den Tag legt.). Man könnte kurz
an einen Western denken, dem Genre, das von der Landschaft maßgeblich
lebt. Doch wo im Western die Landschaft und die Frau bezwungen werden muss,
ist Gallos Held kein Westerner. Er ist vielmehr einer, der die bereits endlos
durchmessene, unendlich oft eroberte Landschaft einmal mehr durchreist, immer
auf der Suche nach dem, was noch jenseits dessen liegen könnte, dabei aber
immer in der Landschaft, im Bild, in seinem Leben bleiben muss. Ein tableauartiges
Bild in der Salzwüste, bestimmt von der Horizontlinie, davor der Buick,
das Motorrad, Gallo, dessen Kopf milimetergenau die Horizontlinie tangiert,
wie auch die Oberkante des Wagens dies tut. Er fährt hinaus in das Weiß
der Wüste, verschwimmmt, wird Teil von ihr, erreicht aber nichts Neues.
Melancholisches Folgebild: Der Wagen, wie er enttäuscht sich von dieser
Sphäre abwendet, nicht aber verlässt.
Thomas
Groh
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
The
Brown Bunny
USA,
Japan, Frankreich 2003
Regie:
Vincent Gallo
Drehbuch:
Vincent Gallo
Kamera:
Vincent Gallo
Schnitt:
Vincent Gallo
Produzent:
Vincent Gallo
Soundtrack:
Ted Curson, Jackson C. Frank, Vincent Gallo, John Frusciante
Laufzeit:
93 Minuten
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