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The
Brothers and Sisters of the Toda Family
Ein
letztes Mal kommt die Familie Toda zum 69. Geburtstag des Vaters zusammen, alle
Söhne und Töchter, Ozu versammelt sie in Alltagsszenen, dann in einem
Familienbild im Freien, erste Risse in der Harmonie zeigen sich schon hier.
Bald darauf stirbt der Vater, die Kinder werden informiert und zeigen weniger
Bestürzung, als angemessen wäre. Es war, stellt sich heraus, weniger
Geld da als vermutet, der Besitz muss aufgelöst werden, ohne eigene Anbindung
ziehen nun die Witwe und Setsuko, ihre letzte unverheiratete Tochter zu einem
Sohn, mit dessen Ehefrau es zu Konflikten kommt (der letzte unverheiratete Sohn
geht unterdessen nach China, ein eigenes Leben zu leben). Die beiden begeben
sich zu einer anderen Tochter, im Gepäck immer das Foto vom verstorbenen
Ehemann und Vater: der Blick hinauf, die Erinnerung an bessere Zeiten, kehrt
ebenso wieder wie das Bild eines Vogels in seinem Käfig, den die beiden
mit sich nehmen, den auch keiner haben will.
Auch
hier wieder dasselbe: die beiden werden geduldet, aber nicht geliebt. Es kommt
zu einem Streit über den Sohn der Tochter, die Mutter hört sich die
Vorwürfe an, entschuldigt sich, Setsuko, für die Kamera im Bild hinter
einer Seitenwand, krümmt den Rücken, weint. Anders als in früheren
Filmen findet die Aggressivität, die hier die Beziehungen bestimmt, keinen
Ausdruck in Entladungen: die Schläge werden mit Gesten geführt, mit
Untertönen, mit dem bloßen Signal: ihr seid hier unerwünscht.
Entsprechend nimmt sich die Inszenierung zurück, geht auf Abstand, zum
Beispiel im Fotobild des Beginns, eine Einstellung, die mit Unterbrechungen
mehrmals wiederholt wird in einer Kadrierung, die das Bild vom Rand her denkt,
der hier der Vordergrund ist: ein Baum, ein Busch, ein Erdhügel, weit dahinter
die Familie Toda und die Fotografen. Zum selbstverständlichen Inventar
der nicht-narrativen Reihung der Bilder gehören bei Ozu nun Einstellungen
auf Gegenstände, manchmal symbolisch aufgeladen (Uhren), manchmal aber
wie entleert zur bloßen Pause zwischen anderen Szenen, die, wie unbeteiligt,
dann die Figuren im belanglosen Gespräch zeigen.
Die
Kamera ist in einer Position der Zeugenschaft, die weder Kommentar noch Dokumentation
ist: das elliptischen Voran des Erzählens ist Auswahl, Zuspitzung, Konzentration.
All das aber wird in der Inszenierung, in ihrer Langsamkeit und der Reduktion
der Gesten, der Bewegungen, beinahe wieder unsichtbar. Dem korrespondiert ein
Pathos der Wiederholung und der Leere – das aus früheren Filmen vertraut
ist. Einmal sieht man Mutter und Tochter sich von der Kamer entfernen, einer
Mauer entlang, auf die der Schatten Streifen malt. Ein Bild der Einsamkeit –
untermalt auch von Musik -, das sich gegen Ende wiederholen wird: ohne die Figuren
nun. Es schließt sich, in solchen Momenten besonders deutlich, der Film
(sanft, ganz sanft) gegen Referenz-Zumutungen, wird zu Rhythmus, Struktur, Wiederholung,
kadriertem Bild. Aus dieser so gefundenen Form aber findet er, als Zeuge menschlicher
Begegnungen, zu komplexen Einsichten in zwischenmenschliche Verhaltensweisen.
Wie wenig das mit Schwere oder Düsternis zu tun haben muss, zeigen die
letzten Bilder: der Bruder, aus China zurückgekehrt, entspringt den Versuchen
seiner Schwester, ihn unter die Haube zu bringen. In ein Bild des beinahe offenen
Horizonts, am Strand, am Meer, zu dem im Scherz, im Ernst der Bruder flieht.
Ein überraschend anmutiges, beinahe albernes Ende. Abrupt nämlich
folgt auf diese unabgeschlossene Bewegung die Schlusstafel: das Herz des Zuschauers
rennt noch ein bisschen weiter.
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
(Todake
no kyodai)
Japan
1941
Regie:
Yasujiro Ozu
Drehbuch:
Tadao Ikeda, Yasujiro Ozu
Darsteller:
Mieko
Takamine …. Setsuko
Shin
Saburi …. Shojiro
Hideo
Fujino …. Shintaro Toda
Ayako
Katsuragi …. Mrs. Toda
Mitsuko
Yoshikawa …. Chizuru
Masao
Hayama …. Ryokichi
Tatsuo
Saito …. Shinichiro
Kuniko
Miyake …. Kazuko
Yoshiko
Tsubouchi …. Ayako
Kayoko
Kuwano …. Tokiko
Chishu
Ryu …. Friend
Länge.
105 min
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