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Braindead

 

Wahrscheinlich gehörte Peter Jackson schon immer – auch lange vor seinen Herr der Ringe-Spektakeln zu der schlimmsten Sorte Filmemachern, zu denen nämlich, die auf Gedeih und Verderb ihre Zuschauer unterhalten wollen. Mit Braindead unterhält er auf Verderb, daran kann kein Zweifel aufkommen. Die Stars in Braindead „sind nicht wirklich tot, sie faulen nur so vor sich hin“, sagt Lionel, der handlungstragende Nicht-Zombie über die Zombies seiner Sozialisation, Pfarrer, Rocker, Krankenschwester und Mutter.

 

Die britische (neuenglische, neuseeländische) Mutter, so wird sich manifestieren, ist der Ursprung alles Bösen, und hier knüpft Jackson direkt bei Hitchcocks Psycho an: Lionel ist ein Slapstick-Anthony Perkins, das Elternhaus, das wie ein Grabstein einen Hügel krönt und überschattet, ist in seiner expressionistischen Untersicht schlechthin unbezwinglich, und seine Mutter, in ihrer kleinbürgerlichen Grausamkeit ist nur durch eines zu bezwingen, durch ihre finale Vernichtung.

 

An der Denunziation und Demontage seiner bösen pubertären Geister versucht sich Braindead auf ausgesprochen vitale, einfallsreiche und schließlich buchstäbliche Art: Die Schreckensgestalten einer neuseeländischen Kindheit brauchen nur ein wenig Biss, genauer gesagt, den eines Ratten-Affen aus Sumatra, um, nur um eine Nuance erweitert, dahin zu mutieren, wo sie sich ihrer Blödheit restlos hingeben können, nach ihrem Zombie-Coming-Out eindeutig dingfest gemacht und umso problemloser dahingerasenmäht werden können.

 

Mit Braindead geht Jackson ganz zielbewußt seinen ekligsten Phantasien nach, aber er schafft es, sie mit hübschen Witzen, die mitunter durch den britischen Humor der Monty Pythons in ihren derbsten Filmen (z.B. Sinn des Lebens) befruchtet scheinen, zu verquicken, seien sie satirischer Art (wenn der Ex-General während eines Dinners herausplatzt: „Was wir brauchen, ist ein neuer Krieg!“), oder indem er die Splatterversion des Blondinenwitzes „Frage: Was muss man tun, um die Augen einer Blondine zum Leuchten zu bringen? Antwort: Eine angeschaltete Taschenlampe ans Ohr halten.“vorstellt: Warum nicht gleich den ganzen Blondinenschädel zum Lampenschirm machen?

 

Natürlich ist das alles so eklig, wie es auch ziemlich lustig ist, aber mir hat der Film vor zehn Jahren besser gefallen. Vielleicht bin ich etwas zu subtil geworden, auch die gekürzte Fassung hinterlässt bei mir Brechreiz, der zwei Stunden lang anhält. Der Spaß tut das nicht. Und dass Jackson nun den Ruf eines Neuseeländer Spielbergs hat, inzwischen auch sehr gekonnte, völlig unanarchische Filme über ein Kultbuch mit Faschismusverdacht gemacht hat, diese Ambition des großen, totalen Unterhaltens kann man irgendwie schon in Braindead erahnen, der einen natürlich atemlos macht, der alle Nerven durchkitzelt, schon damals die neuesten technischen Mittel auffährt, um am laufenden Band ‚Ohs’, ‚Ahs’, ‚Ihs’ und ‚Würgs’ zu provozieren, eben die Klaviatur (bestimmter) Emotionen zu bedienen, und wofür?

 

In der Nacht der lebenden Toten, als Zombies noch stumpf und grau und unwitzig waren, hatten sie noch Würde. Die Würde der grauen, hirntoten Massen. In Braindead werden sie zu Jahrmarktsfiguren – ihres symbolischen Backgrounds verlustig gegangen sind sie Karikaturen, auch sicherlich trefflich überzogene, aber schliesslich mündet doch alles, auch die Dekonstruktion, in Spaß, in Zerstreuung, in Unterhaltung. Die neunziger Jahre waren die Zeit der Spaßgesellschaft, die Zeit der Auflösung von Sinnzusammenhängen. Vielleicht ist Braindead schon ein (pubertäres) Beispiel dafür.

  

Mit Beschluss vom 17.10.2002 nun ist auch die gekürzte Fassung von Braindead einer der gewaltverrlichenden Filme, die zu indizieren sind, und damit in keiner Videothek mehr erhältlich. Die Liste der Gründe für eine Beschlagnahmung des Videos bereits im Jahr 2000 ist fast deckungsgleich eine Liste der Gründe, weshalb der Film so eklig, fantasievoll und spaßig geworden ist – und beinahe eine komplette Inhaltsangabe:

 

Beschluss zur Beschlagnahmung durch das AG Tiergarten vom 01.03.2000:

 

Videofarbfilm

Vertrieb: ACME-Video, München

Ausgabe: 1995

 

"Der Film ist inhaltsgleich mit dem als Laser-Disk durch Beschluss des AG Tiergarten 350 Gs 2816/99 und 350 Gs 3064/99 bundesweit beschlagnahmten gleichlautenden Film.

 

Der Film enthält gewaltverherrlichenden Charakter durch folgende Szenen:

 

6. min. Im Vorspann des Films wird einem am Boden liegenden Mann die rechte Hand und dann der linke Arm mit einer Axt abgetrennt. Die Gliedmaßen sind in Nahaufnahme zu sehen.

18. min. In einem Zoo wird einem Affen der Arm durch ein undefinierbares exotisches Tier abgerissen und danach verspeist. Dies ist in Nahaufnahme zu sehen.

19. min. Das gleiche Tier beißt Lionels Mutter in den Nacken. Die Wunde ist in Nahaufnahme zu sehen. Anschließend wird das Tier zertreten bis nur noch ein Brei zu sehen ist.

29. min. Am Esstisch fällt der Mutter von Lionel das blutige Ohr ab. Aus dem Pudding wird es herausgeholt und dann von der Mutter genüsslich verspeist.

34. min. Die Mutter reißt einer Krankenschwester von hinten die Wangen auseinander und den Kopf nach hinten, so dass eine klaffende Halswunde zu sehen ist. Unmittelbar danach wird diese Krankenschwester durch Lionel gefüttert, indem er ihr Brei in den geöffneten Hals gibt.

58. min. Ein entstelltes Zombie-Baby wird in einen Mixer gesteckt. der wird angestellt, bis das Baby nur noch ein blutiger Brei ist.

68. min. Einem jungen Mann wird ein Rechen in den Kopf gerammt. Dies ist in Nahaufnahme zu sehen.

72.min. Einem jungen Mann wird der Brustkorb aufgerissen und das Rippengerüst herausgeholt. Einem weiteren jungen Mann wird die Kopfhaut vom Kopf gerissen. Einer jungen Frau werden Stücke aus dem Hals gebissen und einer anderen jungen Frau werden die Gedärme aus dem Bauch gezogen. Diese Handlungen sind jeweils in Nahaufnahme zu sehen.

74. min. Ein Mann wird durch ein Fenster gezogen, wobei das Unterteil skelettiert wird.

75. min. Ein Zombie stößt einer Frau die Faust in den Nacken. Die Faust tritt durch den Mund wieder aus.

78. min. Ein Mann trennt einem Zombie den Kopf mittels einer Zange vom Rumpf. Der Kopf wird als Fußball benutzt.

87. min. Lionel zerstört alle Zombies mit einem Rasenmäher. Diese werden kleingemetzelt, wobei einzelne Körperteile wahllos herumfliegen.

 

Es wird auf die vorgenannten Beschlüsse des AG Tiergarten Bezug genommen.

 

Der Film erhält durch die vorgenannten Szenen gewaltverherrlichenden Charakter, so dass seine Verbreitung gemäß § 131 StGB zu verbieten sein wird."

 

 

Andreas Thomas

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen in der filmzentrale

 

 

Braindead

Alternativtitel:

Dead Alive

Braindead – Der Zombie-Rasenmähermann

Splatters gli schizzacervelli (Italienischer Titel)

Neuseeland 1992

Regie: Peter Jackson

Darsteller: Timothy Balme, Diana Peñalver, Elizabeth Moody, Ian Watkin, Brenda Kendall, Stuart Devenie, Jed Brophy, Elizabeth Bimilcombe, Stephen Papps, Murray Keane, Glenis Levesiam, Lewis Rowe, Elizabeth Mulfaxe, Peter Jackson, Harry Sinclair

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