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Born to be Wild
Der erste US-Wilde war Biker Marlon
Brando gewesen und seine Gang (“The Wild One”, 1953). Ein halbes Jahrhundert
später wird er als Lebenshilfe für ältere Bürger gebraucht,
die Stress haben und mal wegmüssen von getrimmtem Rasen und verstimmter
Beziehung. Rauf auf die Harley Davidson und weg. Ein Road Movie for 4. Voran
John Travolta. Frei sein! Nackt baden! Unzüchtig sein in der Öffentlichkeit!
Travolta erklärt dem Bullen: „Ich bade hier nackt mit meinen schwulen Freunden“.
Alles klar. Der Beamte legt die Uniform ab und macht mit.
Unter der Regie von Walt Becker
(„Party Animals“) wird die Midlife-Crisis auf die Sitcom-Weise lässig behoben.
Tim Allen, Weihnachtsmann („Santa Clause 3“, 2006), und Martin Lawrence, Quotenschwarzer
(„Big Momma’s House“, 2000) sind beide Stand-up-Comedians. – William H. Macey
(„Bobby“, 2006) kriegt es sogar hin, aus seiner kreischkomischen Rolle (mit
Fünfzig noch Jungfrau) eine Charakterstudie zu machen: Wie werde ich praktizierender
Hetero? Macey ist der Star des Films, der im übrigen saumäßig
ist.
Etwa wie er vorschlägt, was
als Hobbybiker zu tun ist, um Voll-Biker, also Mann zu werden. Statt also in
New Mexiko auf dem Chili-Fest die dauersingende Tunte auszuhalten, gleich dem
nächsten was auf die Fresse geben. Dann den wahren Bikern, Los Fuegos,
die Maschinen abfackeln, Bullen (Tiere) einen Klaps auf den Hintern geben und
zu viert die 50 wahren Kerle zusammenschlagen. Yeah, Exaltation and Good Vibrations.
Die Beach Boys kommen auf der Tonspur rein, und die Tanga-Girls draußen
auf der Promenade kucken schon. Die Born-to-be-Wild-Therapie hat zur Gesundung
geführt. Macey ist entjungfert, den anderen reisen ihre Beziehungen hinterher.
Küßküßchen. Kein Stress mehr. Stehen wir wieder auf Anfang? –
Wieso denn? Wir, d.h. die Frauen haben gelernt, wer Mann im Haus ist. Endlich
halten sie die Klappe. Scheidung (Travolta) muss nicht mehr sein. Die böse
Schwiegermutter verzieht sich. Der kleine Sohn blickt endlich gläubig zu
seinem Vati auf. Mann, tut das gut. Auch wenn es nur eine Wunschvorstellung
ist und ein Spiel mit Klischees. Im Ernst müsste es doch wehtun, wenn der
Stier mich auf die Hörner nimmt und zehn Meter in die Luft schleudert oder
wenn ich als durchschauter Freizeitbiker gelyncht werde. Hat aber gar nicht
wehgetan. Wir können uns jetzt die Augen reiben, versöhnt mit der
Familie, „I love you“, wieder in Harmonie mit der besten aller Welten. Ist das
eine Botschaft! I like it! Wir können jetzt ungebremst weitermachen, gestärkt,
dank Dir, Travolta, Anführer der Wild Hearts!
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist
zuerst erschienen in der taz
Born to be wild – Saumäßig unterwegs
USA 2007 – Originaltitel: Wild Hogs – Regie: Walt Becker – Darsteller:
Tim Allen, John Travolta, Martin Lawrence, William H. Macy, Marisa Tomei, Jill
Hennessy, Ray Liotta, Shane Baumel, Kevin Durand, Stephen Tobolowsky – FSK:
ab 6 – Länge: 99 min. – Start: 19.4.2007
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