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Bonnie
und Clyde
Sie
wollten Stars sein – keine Helden
Manche
Filme wirken in ihrer Zeit durch entschlossene Ungenauigkeit. 1967, als BONNIE
AND CLYDE entstand, schien Hollywood am Ende, und das Ende schien aus Hollywood.
Natürlich auf großartige Weise. Zwischen BONNIE AND CLYDE und TAXI
DRIVER,
ein gutes Jahrzehnt also, gab es ein großartiges, neurotisches, hybrides,
larmoyantes, rebellisches, Rock-infiziertes, zorniges, zynisches, melancholisches,
nostalgisches, experimentelles amerikanisches Kino, das den Namen „New Hollywood"
bekam. Was danach kam, zwischen Blockbuster und Eigensinn, war nicht besser
und nicht schlechter. Aber anders. Die Treffen zwischen Kunst und Genre mussten
wieder heimlich geschehen.
In
BONNIE AND CLYDE lieben sich Kunst und Genre ganz öffentlich. Arthur Penns
Film gehört zum einen zu einer Reihe von Gangsterfilmen über die „ländlichen
Volkshelden", kaputte Typen aus der Zeit der Depression, im tiefen Herzen
der amerikanischen Provinz, Filme wie DILLINGER oder THE GRISSOM GANG. Der letzte
Westernheld war gerade in dem Dreck gestorben, aus dem die ersten neuen Gangster-Helden
sich erhoben. In Farbe! Die neuen Gangsterfilme mussten in Farbe sein, damit
man den Dreck sehen konnte. Den Staub, das Blut, und die Fetische der schönen
neuen Warenwelt. Aber BONNIE AND CLYDE entwickelte gerade aus dieser Heruntergekommenheit
den eigenen, dann auch wieder hochartifiziellen Glamour.
Zum
Zweiten gehört BONNIE AND CLYDE zum Versuch der jungen Filmemacher, auch
unter dem Einfluss des europäischen Kunstkinos, die Ratlosigkeit in Hollywood
für ihre off-beat-Produktionen
zu benutzen, sich die Produktionsmittel, die Verwertungsmaschinen, sogar die
Stars zu schnappen. Und Arthur Penn war ein großer Schnapper; er kam aus
New York, ein bisschen wie Orson Welles nach Hollywood gekommen war, aber gewitzt
genug, nicht gleich zu verraten, wie er mit dem Spielzeug umgehen würde,
das man ihm da bieten musste. Robert Benton und David Newman träumten ja
davon, dass Truffaut oder Godard ihr Drehbuch verfilmten, und Penn musste die
Rolle des Künstlers übernehmen und zugleich die Wünsche der Produzenten
erfüllen. Ein Genre-Film, ein Kunst-Film, ein Pop-Film und ein kritisches
Americana-Bild. Die Rechnung ging auf, nicht zuletzt wegen der beiden Hauptdarsteller,
Warren Beatty und Faye Dunaway. Sie spielten Natural Born Gangsters, und anders
als ihre realen Vorbilder waren sie dabei extrem stilbewusst.
Clyde
Barrow und sein Bruder Marvin Ivan „Ivy" begannen eine sehr frühe
Gangsterkarriere in ihrem Heimatort West Dallas, Texas. Wegen Autodiebstahls
wurden sie 1930 verhaftet. Kurz nachdem Clyde im Jahr 1932 auf Grund einer Amnestie
freigelassen worden war, beraubte er eine Tankstelle. Zwei Monate später
schoss er einen Ladenbesitzer nieder und weitere fünf Monate darauf zwei
Männer in einer Dance-Hall. Sein Partner, Roy Hamilton, wurde bei diesem
Zwischenfall gefangen genommen und musste, da einer der beiden Männer getötet
worden war, mit einer schweren Bestrafung rechnen. Barrow tat sich unterdessen
mit der Freundin seines Partners zusammen: Bonnie Parker. Die beiden verübten
ein paar Raubüberfälle, bis sie im Januar 1933 in eine Falle der Polizei
gerieten, aus der sie sich allerdings, wie es heißt, „ihren Weg frei schossen".
„Ivy" wurde ein Jahr darauf tödlich verwundet, und Bonnie und Clyde
machten allein weiter, bis sie am 23. Mai 1934 von der Polizei in einem blutigen
Gefecht erschossen wurden.
Der
Film macht daraus die Geschichte eines schönen Scheiterns. Aber es ist
auch die Tragödie der spielenden Kinder, die in der Wirklichkeit gefangen
sind; von den „Spielzeugpistolen, die echtes Blut verspritzen",
sprach damals Pauline Kael. Bei Godard waren die Gangster als spielende Kinder
gestorben, ohne ihr Spiel zu unterbrechen; bei Arthur Penn gibt es immerhin
die Möglichkeit des Aufwachens, der Ernüchterung. Daher dieser Zorn,
daher musste BONNIE AND CLYDE zu dem Gewaltfilm werden, für den es im europäischen
Kunstkino keine Vorbilder gab.
BONNIE
AND CLYDE funktionierte anders als EASY
RIDER;
es ging hier nicht um die authentische Füllung des Mythos der Gegenkultur,
sondern eher um ihre Pop-Art-Abbildung. Ein missing
link zwischen
Comic-Traum und Straßenrevolte. Das blutige Paar stellte sich radikal
außerhalb der Gesellschaft, sie suchten die Erfüllung in der Gefahr
und im schnellen Tod, sie wollten nicht Helden, sondern Stars sein (und das
wirkliche Elend, von dem Robert Altman in THIEVES LIKE US sprach, kannten sie
nicht). Auch deswegen sind Bonnie und Clyde die Gegen-Helden zu den Easy Riders,
die ihren Tod als Opfer wollen und sich vom ersten Bild des Films an nur in
die Vergangenheit bewegen: Bonnie & Clyde leben schwer daneben, aber eben
auch: utopisch.
Georg
Seeßlen
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd film
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„Bonnie und Clyde“ gibt’s im archiv
mehrere Texte
Bonnie
and Clyde
(Bonnie
and Clyde)
USA
1967, 111 Minuten
Regie:
Arthur Penn
Drehbuch:
David Newman, Robert Benton, Robert Towne
Musik:
Lester Flatt, Earl Scruggs, Charles Strouse, Mitch Murray
Director
of Photography: Burnett Guffey
Schnitt:
Dede Allen
Produktionsdesign:
Dean Tavoularis, Raymond Paul
Hauptdarsteller:
Warren Beatty (Clyde Barrow), Faye Dunaway (Bonnie Parker), Michael J. Pollard
(C. W. Moss), Gene Hackman (Buck Barrow), Estelle Parsons (Blanche), Denver
Pyle (Frank Hamer), Dub Taylor (Ivan Moss), Evans Evans (Velma Davis), Gene
Wilder (Eugene Grizzard), Mabel Cavitt (Bonnies Mutter), Harry Appling (Bonnies
Onkel)
Internet Movie Database:
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