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Bombón – Eine Geschichte aus Patagonien
Ein zuversichtlicher Film, der auf wunderbar altmodische Weise das Herz erwärmt, obwohl. Obwohl, wer in den Film einsteigt, ist konditioniert, einen Sozialfall vorgestellt zu bekommen und Betroffenenleid zu teilen, denn. Denn Juan Villegas (Juan Villegas) ist soeben die Arbeit los (Tankstelle); er ist nicht qualifiziert, und er ist 52.
Juan ist der Held des Films. Allein in der Pampa.
In Patagonien. Das alte Auto (Abfindung) fährt im Ostinato der langrhythmischen
Bodenwellen dahin. Wind, Staub weit und breit. Kaufen die Fabrikarbeiter an
der Straße seine handgeschnitzten Messer? Sie kaufen nicht, auch ist die
Mittagspause um. Juan läßt geschehen, was geschieht. Er bleibt bei
Laune. Sollte man ihm helfen? Solche Signale sendet er nicht aus. Warum auch,
wenn die Sache mit Bombón-dem Hund passiert. Er kriegt die große
weiße Dogge geschenkt. Für eine Reparaturgefälligkeit. Das ziemlich
selbstsichere Tier sitzt jetzt auf dem Beifahrersitz. Die Köpfe sind auf
gleicher Höhe. Juan und Bombón beäugen sich, skeptisch anfangs.
Wird das eine Beziehung werden? Sie wird.
Die Blicke gehen hin und her. Daraus folgt zweierlei.
Erstens haben wir eine gemeinsame Körpersprache von Tier und Mensch. Und
die muß schon deswegen sein, weil es mit der verbalen Kommunikation hapert.
Und zweitens ist die zu unrecht in Verruf geratene Schnitt-/Gegenschnitttechnik,
mehr als angemessen. Sie ist zwingend.
Der ästhetische Aufwand des Films ist minimal.
Er dient den zwei Protagonisten, und das sind einfache Menschen bzw. Tiere,
man kommt gar nicht auf die Idee, den passenden Oberbegriff zu suchen. Die weiße
Dogge ebenso wie der Ex-Tankstellenwärter sind imponierende Charaktere,
ja das wäre das Gemeinsame. Und wie selbstverständlich glückt
ihnen, was nie glückt. Ein doggenfreundlicher Bankdirektor. Ein Züchter,
der Doggenfan ist. Auf Anhieb ein Preis in der Hundeschau. Eine syrisch-libanesische
Bauchtänzerin in Patagonien. Aber dann doch die Katastrophe: Bombón-der
Hund ist impotent. Und er läuft weg, überfordert.
Wer den Film sieht, tappt jetzt in Fallen. Die Hundefarm
mit dem schönen Namen El Progresso ist das letzte. Entkräftete Tiere
hauchen das Leben aus. Das Haus ist beim Zusammenfallen. Dreck scheint auch
der Besitzer am Stecken zu haben. Mit tückischem Blick streitet er ab,
unsere weiße Dogge zu haben oder gehabt zu haben. Der Hundefarmer ein
Underdog und ein bösartiger dazu? Wir sind im Unrecht. Ziemlich sogar.
Was ist die Schlußpointe?
Aber man muß das der Körpersprache überlassen.
Und die ist verständlich. Mensch und Tier spielen nicht, sie sind, was
sie sind. Mit "Bombón-El Perro" setzt Regisseur Carlos Sorin
seine berühmten "Historias Mínimas" fort. Wieder sind
alle Rollen mit Laien besetzt, und den Spielfilm können wir ebensogut als
Dokumentarfilm sehen. Befreites Sehen ist die Folge, und den Film wahrzunehmen,
macht unmittelbar Spaß. Es lebe die unverstellte Rezeption! Die Wortbotschaften
sind bloßer Kontrast. "Jetzt sind Sie im Programm", sagt der
städtische Bürokrat erleichtert, nachdem er umständlich am Computer
hantiert hat, um den Arbeitslosen zu registrieren und den Fall zu erledigen.
Juan Villegas ist jedoch nicht erledigt. Man muß nur seine Augen sehen
und das Elementare, das er ausstrahlt, als er den ersten Beifall auf der Züchterausstellung
bekommt. Da ist einer vom ersten Applaus überwältigt.
"Bombón" ist sein erster Film. Vor
und nach der Produktion fährt er Autos in die Garage. Und der Bankdirektor
leitet nachwievor die Pressestelle der Regierung von Bahía Blanca. Bis
unmittelbar vor Drehbeginn hatte er geglaubt, daß das Projekt ein Scherz
sei, den sich seine Freunde ausgedacht hätten. Ein Beamter, eine Dogge,
ein arbeitsloser Arbeiter in einer Interaktion, die nicht der Übersetzung
in Worte bedarf: ein Märchen? Daß dem nicht so ist, dem steht das
Dokumentarische vor. Respekt!
Dieser
Text wurde geschrieben für die taz
Argentinien / Spanien 2004 – Originaltitel: Bombón – El Perro – Regie: Carlos Sorín – Darsteller: Juan Villegas, Walter Donado, Rosa Valsecchi, Mariela Diaz, Micol Estévez, Kita Ca, Claudina Fazzini, Carlos Rossi – FSK: ohne Altersbeschränkung – Länge: 97 min. – Start: 4.8.2005
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