zur
startseite
zum
archiv
Die
Blume der Hausfrau
Es ist eine Sekte, ihr Gott schickt nur schwäbisch
sprechende Abgesandte, die von Dingen wie dem Modul 4 sprechen, man imponiert
ihm (der die Namen Vorwerk und Kobold trägt), indem man Punkte sammelt.
Der Weg zu den Geldbeuteln der zu Missionierenden ist hart und auch wenn man
einen mächtigen Gott im Rücken hat und eindrucksvolles psychologisches
Training: vor dem Kunden ist man jedesmal wieder völlig allein.
Nun, nicht völlig. Im Gepäck ist die Blume
der Hausfrau, ist rätselhafter und eßbarer Zellulose-Staub, sind
Geräte, die saugen, putzen, die man knicken und zusammenbasteln kann. Letztlich
aber hilft einem angesichts des seltsamen, s e h r seltsamen,
Wesens, das Kunde heißt, nur eines: eine große Klappe und ein sicheres
Gespür für manipulative Redeführung. Es gilt, Kühlschränke
an Eskimos zu verkaufen, nämlich unglaublich überteuertes Teppichreinigungsgerät
an Leute, die eher kein Geld übrig haben. Das Wesen des Kapitalismus (ein
anderer Name des Gottes, wie in der Schulung klipp und klar gesagt wird) wird
in seinen Personifkationen vorgeführt. Einmal dem Klingeln der Türglocke
gefolgt, dem süßen, italienisch-schwäbischen Säuseln der
Verführung nachgegeben, vergeht einem Hören und Sehen angesichts der
immer mächtiger erstarkenden Bedürfnisse, von denen man zuvor noch
nichts, gar nichts, wußte, die nun aber nur noch mit dem Kauf eines Geräts
zu stillen sind. Eines Geräts, dessen komplette Bescheuertheit für
die Aufladbarkeit des letzten Schrotts mit dem, was fromm Gebrauchswert heißt,
steht, manchmal auch fliegt.
Dominik Wesselys Dokumentation dieses Sektenkosmos ist
makellos, die tragischen Obertöne der vorgeführten Verhältnisse
werden im Musikeinsatz (und einer raffinierten Dramaturgie) genauso ausgespielt
wie die, allerdings letztlich immer bitter traurige, Komik, die im so notwendigen
wie unerträglichen Ernst dieser Leben nicht verborgen, sondern allzu offensichtlich
ist. Vorgeführt werden diese Figuren nicht in denunzierender Absicht –
sie denunzieren sich selbst und, a fortiori, die Verhältnisse, unter denen
die größten Arschlöcher die dicksten Kartoffeln kriegen. Der
loser, die einzige Gestalt, mit der man sympathisieren kann
(selig sind die, die arm sind in der erreichten Punktzahl), steht dafür,
daß innerhalb dieses falschen Sektenlebens es kein richtiges geben kann.
Der gezeigte Verhängniszusammenhang ist ein totaler.
Ekkehard
Knörer
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Die
Blume der Hausfrau
Deutschland
1999
Buch
und Regie: Dominik Wessely
Koproduzent:
Michael Jungfleisch
Musik:
Oliver Biehler
Schnitt:
Raimund Barthelmes
Ton:
Angelo D’Angelico, Stefan Runge
mit:
Angelo
Ditta
Maurizio
Marino
Massimo
Santagatti
Salvatore
Trovato
Steffen
Widule
zur
startseite
zum
archiv