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Blow-up

BLOW-UP ist die Geschichte eines jungen Fotografen, der in zufällig aufgenommenen Bildern Indizien für ein Verbrechen entdeckt, aber in der Wirklichkeit dessen Spuren verliert. Gezeigt wird ein Zeitausschnitt von 24 Stunden aus dem äußeren Tagesablauf von Thomas (David Hemmings). BLOW-UP handelt so auch von der Großstadtszene, in der sich Thomas bewegt, von »Swinging London« und der Pop-Kultur, deren Zeitgefühl, Verhaltens-Codes, Musik und Farbengrelle als Raster über der Wahrnehmung und Motorik der Hauptfigur liegt. Thomas nutzt jeden Reiz des Augenblicks agil, ist ein Jäger, der Beute macht mit der Kamera. Er ist ein Einzelgänger und professioneller Bildermacher – Gegentypus zu den gespaltenen Individuen in den früheren Antonioni-Filmen, ein Anti-Bürger. Subjektive Sphären, Nischen und Fallen für überkommene Emotionen existieren für ihn nicht, er hat keine persönliche Geschichte, weder Ungleichzeitigkeiten noch Leiden belasten ihn. Arbeit und Lebensgefühl sind eins. Thomas nimmt die Dinge wie die Menschen objektiv wahr – gleichsam wie durch das Auge oder Objektiv seiner Kamera.

 

In den Fotos, die er in einem Park eher nebenbei machte, will Thomas ein vergangenes Ereignis rekonstruieren, den Zusammenhang von optischen Arrangements entschlüsseln, um einen Sinn auszumachen. Sein Mittel der Annäherung an die Wirklichkeit ist die Bild-Vergrößerung, aber im Blow-up (das Wort ist ein technischer Terminus, bedeutet aber auch Explosion) verlieren sich eindeutige Bezeichnungen, übrigbleiben nur körnige Strukturen. Um die Tatsachen zu ergründen, müßte der Fotograf eine andere Art von Aufmerksamkeit, einen anderen Habitus von Realitäts-Orientierungen aufbringen.

 

BLOW-UP beschreibt diesen Prozeß nicht als Kritik am engen Wahrnehmungsraster eines modernen Lebensgefühls, sondern nutzt dessen klare Strukturen als Ausdrucksmittel und setzt die Kritik an der Oberfläche direkt in der Auseinandersetzung mit fotografischen Bildern an. So wie sie im Film produziert, reproduziert und angesehen werden, verlieren sie den Mythos der Abbildlichkeit, funktionieren nicht als Beweis für Realität, nur als Indiz. Aber auch dann, wenn der Fotograf das Atelier verläßt und die Wirklichkeit in Augenschein nimmt, den Tatort und die Tatsache, bleibt ihm davon nur ein Bild, eine Erinnerung mit allen Implikationen von Täuschung und Phantasie. Die Geschichte ist austauschbar subjektiv und objektiv. Antonioni übersetzt – oder »vergrößert« – das Thema von BLOW-UP in die Erzählform des Films. Die kontinuierliche Dramaturgie suggeriert Objektivität, – alle Ereignisse und Momentaufnahmen von London sind mit Thomas in Zusammenhang gezeigt und wirken zugleich schlüssig (als konzentriert inszenierte Realitätsausschnitte) und als Dokumentation von Thomas’ subjektiver Perspektive darauf.

 

Bildführung und Montage zeigen nicht mehr, als was sich in Thomas’ Gesichtskreis ereignet: objektive Zeichen, die erst subjektiv bedeutsam werden. Die Musik von Herbie Hancock, die cool-snobistische Mod-Variante von Beat, funktioniert realistisch als Konserve, die abgerufen wird, wenn Thomas in bestimmten Situationen die Reize beschleunigen will.

 

Die Außenansichten von London sind keine Milieudarstellungen (in welche individuelle Geschichte einzubetten wäre), sondern plakative Signale wie aus Foto-Reportagen. Die Kunstfaser-Farben aus Thomas’ Atelier wiederholen sich außen vereinzelt und grell, so wie er warme Farben und nostalgisches Design aus einem typischen Trödler-Laden in sein Interieur mitnimmt.

 

BLOW-UP beginnt abrupt mit einer Gruppe von bunt Kostümierten, die laut lärmend vor einem Büro-Hochhaus vorfahren und sich unter die Passanten mischen. Sie kreuzen Thomas’ Weg durch die Stadt mehrere Male und schließen ihn am Ende in ihr Phantasie-Spiel ein. Es ist Morgen, und Thomas verläßt unrasiert und übernächtigt ein Obdachlosenasyl, steigt in seinen abseits geparkten offenen Rolls Royce und fährt zu seinem Haus. Assistent, Sekretärin und das Fotomodell (Veruschka von Lehndorff) warten, alles ist in dem dunkel ausgeschlagenen Atelier im Erdgeschoß vorbereitet für eine Session. Das Modell ist kühl verärgert über sein Zuspätkommen, weil um 11.00 Uhr bereits ihre Maschine nach Paris abfliegt. Thomas zieht nur die Schuhe aus, läßt die Musik laufen und beginnt, das Modell vor der schwarzen Folie zu dirigieren. Er ist mit den Posen der langhaarigen, schmalen Blonden nicht zufrieden, die ihm mit starrem, leicht unwilligem Gesichtsausdruck ihren Körper anbietet wie in einer Reihe von abrufbaren Abstraktionen exzessiver Sinnlichkeit. Thomas nimmt die Kamera vom Stativ und geht nah an die nackte Frau im metallisch glänzenden, fransigen Gitterhemd heran, animiert sie, verführend und vergewaltigend in einem, zu »zeigen, was sie kann«. Sie windet sich am Boden, imitiert immer schnellere Lust-Affekte, Reiz-Reaktion auf die Berührung eines unsichtbaren Liebhabers, bis der Fotograf über ihr kniet, dann abbricht, sich müde auf einem Sofa im Hintergrund niederwirft, während sie einen Moment lang wie frustriert liegenbleibt und dann wortlos aus dem Bild verschwindet.

 

In einer anderen Szene an diesem Vormittag soll Thomas mit fünf Modellen Mode-Fotografien machen. Wieder ist alles vorbereitet, die Mädchen warten, die Szene setzt ein mit Thomas’ Auftauchen. Langeweile schlägt plötzlich auf seine Anweisungen hin in hektische Aktivität um. Die Mädchen sind das top-modische Gegenmuster zu der abstrakten Sinnlichkeit des ersten Modells: sie tragen zeltförmige Kleider in grellen Farben, ihre Körperkonturen verschwinden völlig in den Umrißlinien des Designs. Thomas arrangiert sie im Kommando-Ton gestaffelt hintereinander, so daß das Bild eine diagonale Achse in den Raumhintergrund beschreibt. Das optische Arrangement und das maskenhafte Make-Up unterstreichen die Asexualität dieser Kunstfiguren. Die Gesichter zeigen eine Art Leere in der Schrecksekunde. Thomas mäkelt über ihre Leblosigkeit, kehrt aggressiv seine Dominanz heraus; aber es gibt keinen Impuls zur instinktiven Verständigung, die Mädchen reagieren kaum auf seine Provokationen, bedienen seine, sprachlich nicht zu vermittelnden Ansprüche an optisch wirksame Stimulation nicht genug. Er macht sein Desinteresse klar, indem er die Situation übersteigert, die mangelnde Präsenz der Mädchen als Müdigkeit deklariert, die durch Hypnose zu reparieren sei, läßt sie die Augen schließen und schleicht davon.

 

BLOW-UP beschreibt Sex in einem Zirkel von Objektbeziehungen, in einem Tempo, das subjektive Einlassung ausschließt: vollkommen äußerlich und versachlicht als Funktion von Thomas’ Arbeit, in der er sich auslebt. Thomas jagt die Frauen mit der Kamera. In der Szene mit den Mannequins erlahmt sein Interesse an der Arbeit, weil der Mechanismus von Reiz/ Reaktion ins Leere läuft und sein Potenzversprechen – Voraussetzung seines Erfolgs – nicht bestätigt wird.

 

Antonioni verfolgt Thomas wie ein Reporter und beschreibt einen Mann, der mit anderen Menschen nichts zu tun hat und Dinge haben will, an denen er das Interesse verliert, sobald er sie besitzt. Seine Begegnung mit dem Unvorhergesehenen entwickelt sich aus dieser Motorik, es ist kein Abenteuer, das Offenheit für das Außerordentliche voraussetzen würde.

 

Erst wenn er seine Bilder genauer befragt, ihnen Bedeutung zumißt und an die Grenzen stößt, hat er für Momente ein subjektives Verhältnis zur Wirklichkeit, – in dem Sinn, in dem ein Bild für den Maler (John Castle) wichtig ist. Thomas besucht ihn und seine Freundin (Sarah Miles) nach der Foto-Session im Nachbarhaus, will das abstrakte Gemälde auf der Staffelei kaufen, aber der Maler lehnt ab, weil er jetzt erst zu dem fertigen Bild einen Zugang gefunden hat, – »wie eine Spur im Krimi«. Offener als in Antonionis früheren Arbeiten liefern die Themen in BLOW-UP den Schlüssel zur Struktur des Ganzen. Thomas fährt zu einem Trödel-Laden, den er kaufen will, weil die Gegend zugkräftig zu werden verspricht. Während er ein Angebot macht, fällt ihm ein alter Holz-Propeller im Laden auf, den er sofort mitnehmen will, aber wie in einem Slapstick nicht in seinem Rolls verstauen kann. Bei dem Laden entdeckt Thomas einen stillen kleinen Park und beginnt dort zu fotografieren: Tauben, Sträucher im Wind, eine Rasen-Anhöhe. Weit entfernt kommt ein auffällig ungleiches Paar ins Bild: eine große junge Frau mit Mini-Rock, kariertem Männerhemd und Halstuch (Vanessa Redgrave) und ein älterer Mann von eher etabliertem Zuschnitt. Sie umarmt und küßt ihn und zieht ihn die Anhöhe hinauf zu einer Baumgruppe. Thomas schleicht wendig hinterher und schießt Bilder, bis die Frau ihn entdeckt und erregt die Herausgabe des Films verlangt. Er läßt sie nicht an seine Kamera heran, es gibt fast ein Handgemenge, die Frau läuft fort, in den Park hinein, wo ihr Begleiter verschwunden ist. Thomas fährt unbeeindruckt nach Hause, wo ihn zwei kichernde Teenager erwarten und um einen FotoTermin angehen, gelangweilt läßt er sie ein. Die beiden (Jane Birkin und Gillian Hills) strolchen in dem nun leeren Atelier und den verwinkelten Nebenräumen von Thomas’ Wohnung herum. Sie finden Kleider, und die Exhibitionistische animiert ihre schüchterne Freundin, ihr grellgrünes Minikleid auszuziehen. Als Thomas dazukommt, wechselt die Szene abrupt von einer Anprobe in eine aggressive Verführung. Die Als-ob-Vergewaltigungen der Fotografier-Szenen wiederholen sich rabiat in einem exzessiven Spiel: beide machen sich lachend über das Mädchen her, das sich wehrt, indem es versucht, Thomas auszuziehen. Zu dritt fallen sie gegen eine Hintergrundfolie. Der lila Papierberg verbirgt und dekoriert im selben Moment Angst und brutalen Spaß, Ausbeutung und infantile Lust sind in Thomas’ Lachen und dem hysterischen Kreischen der Mädchen ununterscheidbar. Sex ist in dieser Szene ein hektisches Zerren, im Ausziehen und Herumbalgen im Papier, im Vorzeigen und Verstecken erschöpft sich der Reiz unvermittelt, wenn (nach einem harten Schnitt) die Mädchen dem lethargisch daliegenden Thomas die Schuhe anziehen.

 

Thomas zeigt seinem Agenten Ron (Peter Bowles), einem dicklichen Mod, die Bilder, die er im Obdachlosenasyl gemacht hat. In einem schicken Restaurant besprechen sie die Auswahl für ein Buch mit Schwarzweiß-Porträts der abgerissenen Penner. Thomas will die »harten« Bilder am Ende des Buches mit friedlichen Motiven auffangen und schwärmt von den Fotos aus dem Park, aus denen er die nötigen Gegen-Akzente zu filtern hofft. Das Treffen löst sich plötzlich auf, weil Thomas sieht, wie ein Fremder sich an seinem Wagen zu schaffen macht. Er kann ihn nicht verfolgen im Stadtbetrieb, in dem eine kleine Gruppe von Friedensdemonstranten sich brav von einem Bobby über die Straße führen läßt und die bunt Maskierten anarchisch dazwischenfahren. Vor seinem Haus erwartet ihn Jane, die Frau aus dem Park und verlangt ihre Fotos. In einer langen Sequenz belauern und provozieren sich beide. Sie deutet schwierige Privatverhältnisse an, trifft auf kein Mitgefühl, geht unruhig in Thomas’ Dachzimmer umher, ist so plötzlich dekorativer Blickfang für ihn. Er dirigiert sie wie ein Fotomodell, lobt ihre Art zu stehen, gibt ihr Tanzbewegungen vor (»immer gegen den Rhythmus, nicht verkrampft«), plaziert sie in seinem Interieur zwischen heller Couch, schwarzen Balken und rohen weißen Mauern, beobachtet ihre Wirkung vor den nostalgischen Requisiten, einem gelb-orange-lila Revue-Fächer, einer Jugendstil-Büste mit Spitzengarnierung, einer Linie winziger Kamele als Wandmuster. Sie macht – als einzige Frau im Film – die unterschwellige sexuelle Aggression von sich aus offen und zieht ihre Bluse aus. Man sieht sie beieinander stehen, gleich groß, mit nacktem Oberkörper und schmaler Hüftlinie, Hemmings Haare sind nur wenig kürzer als ihre. Die Bilder betonen ihre androgyne Ähnlichkeit, auch im Ausdruck ihrer verkrampft gebändigten Nervosität und seiner permanent outrierten Gespanntheit. Aber die Gesichter suggerieren totale Gegensätzlichkeit.

 

Hemmings agiert in BLOW-UP mit zielstrebiger Motorik, -borstiges Haar, ein glattes, verschwitztes Gesicht, zusammengepreßte Lippen, ein hypertropher heller Blick assoziieren jungenhafte Unzugänglichkeit. Er ist ein Augenmensch, der nicht schaut, sondern fixiert. Vanessa Redgrave ist die ältere, das dunklere Gegenbild. Einen Moment lang provoziert sie mit Blicken, wenn sie sich anbietet, um an die Fotos zu kommen, nervös weicht sie sonst seinem Blick aus, behält ihre Geschichte für sich.

 

Es bleibt bei einem Kuß, – die Sexszene zwischen ihnen bricht ab wie alle nur als Auslöser funktionierenden Begegnungen im Film. Thomas ist abgelenkt von der Lieferung des Holz-Propellers, den er achtlos weglegt. Jane verschwindet mit den Filmrollen, die Thomas ihr versprochen hat. Es waren die falschen und – nun neugierig geworden – macht er sich daran, die Bilder aus dem Park zu entwickeln. Seine Konzentration beim Abtasten mit der Lupe überträgt sich in der Stille, er verharrt lange vor den Reproduktionen, die er in einer Reihe aufhängt, so daß sich Bruchstücke einer möglichen Geschichte zusammensetzen: die Frau zieht ihren Begleiter zu der Baumgruppe, blickt über seine Schulter. Thomas rekonstruiert eine Achse und kreist in der Schwarzweiß-Schraffur des Gebüschs die Umrisse eines Kopfes und einer Hand mit Pistole, das Bild einer Mordszene, ein. Je stärker er den Ausschnitt vergrößert, desto mehr verschwimmen die Konturen in der Körnigkeit des Bildes. Aber Thomas’ immer gespannteres Lesen der Bildfolge beschreibt unmittelbar in knappen Gesten, daß er die Geschichte ernst nimmt.

 

Thomas findet niemanden, dem er seinen Fund mitteilen kann. Patricia und ihr Freund im Nachbarhaus schlafen gerade zusammen. Sie schaut wie entschuldigend auf Thomas und kommt kurz darauf in sein Haus, scheint aber so von einer unaussprechbaren eigenen inneren Geschichte eingenommen, daß sie auf die Bilder kaum eingeht.

 

Der Fotograf fährt erneut in den Park, sieht unter den Büschen die Leiche des Mannes liegen und geht wieder, – ein kurzer Augenschein in der wie unwirklichen Szenerie des dunklen Parks. Die Leiche erscheint surreal, wie von einem Blitz beleuchtet, – plastisch umrißkräftiges Gegenbild der Schwarzweiß-Chiffren, die die Szene vorwegnahmen, zugleich auch mit allen Konnotationen farbiger Nachtbilder belastet, eine Vision, ein imaginäres Bild. Blätterrauschen und die blauschwarze Umgebung unterstreichen das Unheimliche.

 

Thomas fährt in die Stadt, ziellos auf der Suche. Einen Moment lang sieht er Jane in einer Schlange stehen. Er geht hinterher, nähert sich durch schäbige Passagen und Hinterhöfe einer Halle, in der die Yardbirds »Stroll on« vor einem völlig starr versunkenen Publikum spielen. Jane ist nirgends zu sehen. Am Ende des Rock-Songs zertrümmert der Bassist seine Gitarre und bei diesem aggressiven Akt erwachen die Zuhörer, schlagen sich in einer plötzlich ausbrechenden Hysterie um den Fetisch. Thomas schnappt das Trümmerstück, verteidigt den Besitz brutal und wirft die Reste kurz darauf achtlos in der Passage weg, andere Jugendliche stürzen sich darauf.

 

Er fährt zu einer Villa, in der er endlich Ron findet und versucht, ihm von der Geschichte zu berichten. Die Gäste einer anonymen Party liegen bekifft und müde-teilnahmslos herum und Ron ist in einem Zustand, der es ihm unmöglich macht, für Thomas Interesse aufzubringen. Selbst dessen beharrliche Wiederholung, er habe die Leiche gesehen, löst keine Reaktionen bei Ron aus. Thomas schläft unter den Gästen ein und fährt am frühen Morgen noch einmal zu dem Park. Die Leiche ist verschwunden. In diesem Moment der Leere fahren die Maskierten in ihrem bunten Auto vor. Ihr fröhliches Geschrei wechselt in gespannte Aufmerksamkeit, wenn zwei aus der Gruppe auf dem Tennisplatz am Fuß der Rasenanhöhe zu spielen beginnen. Sie imitieren den Ballwechsel in präziser Pantomime. Die Gruppe folgt dem unsichtbaren Ball gespannt. Als ob es über die Umzäunung geflogen wäre, bedeuten die Spieler stumm, daß Thomas das imaginäre Ding zurückwerfen solle. Er greift ins Gras, holt aus und macht eine kräftige Wurfbewegung, das Tennisspiel geht weiter, die Gruppe applaudiert stumm und man hört plötzlich das Aufschlaggeräusch über der realen Szene des Phantasie-Spiels. Das letzte Bild zeigt Thomas allein als Zuschauer weit entfernt auf der Rasenfläche.

 

Die Idee zu BLOW-UP geht zurück auf eine Kurzgeschichte von Julio Cortäzar, in der ein Übersetzer und Amateurfotograf in Paris eine Verführungsszene beobachtet und später in seinen Bildern davon die Grenzen von Erfahrung und Imagination überspringt, – sie beginnen zu leben und er in ihnen. Antonioni übertrug die Handlung nach London, wo von der Mod-Kultur der 60er Jahre stilbildende Innovationen in die Mode, Fotografie und das Alltags-Design ausgingen. Das Drehbuch, an dem wieder Tonino Guerra beteiligt war, konzentriert die Geschichte auf diesen realistischen Rahmen funktioneller Ästhetik und beschreibt darin plastisch, wie Faktizität von Erfahrung durchlöchert wird und die Oberfläche ihre deterministische Schlüssigkeit einbüßt.

 

An den Dialogen von BLOW-UP arbeitete der englische Bühnenautor Edward Bond mit, dessen zeittypische Stücke in den 60er Jahren sehr erfolgreich waren. Antonioni drehte an Originalschauplätzen in London, und die mächtige Verleihwerbung von MGM, für die Carlo Ponti diesen Film produzierte, nutzte die sensationelle Signalkraft der dargestellten Mod-Szene für die Distributionsstrategie. BLOW-UP wurde nicht nur ein Schlüsselfilm für die Filmästhetik der 60er Jahre, sondern auch – gerade wegen der Zensureingriffe in mehreren europäischen Ländern (die vor allem die Szene mit den zwei Mädchen trafen) – Antonionis einziger kommerzieller Erfolg. BLOW-UP erhielt 1967 den Großen Preis des Filmfestivals von Cannes.

 

Claudia Lenssen

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: Michelangelo Antonioni; Band 31 der (leider eingestellten) Reihe Film, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek von Peter W. Jansen und Wolfram Schütte im Carl Hanser Verlag, München/Wien 1987.

Zweitveröffentlichung in der filmzentrale mit freundlicher Genehmigung der Autorin Claudia Lenssen und des Carl Hanser Verlags.

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken

 

Blow Up

BLOW-UP

England 1966

Regie: Michelangelo Antonioni – Drehbuch: Michelangelo Antonioni, Tonino Guerra, nach der Kurzgeschichte Las babas del diablo von Julio Cortazar. – Englische Dialoge in Zusammenarbeit mit Edward Bond. – Kamera: Carlo Di Palma – Kamera-Führung: Ray Parslow. – Schnitt: Frank Clarke. – T: Robin Gregory:. – Ton-Schnitt: Mike le Mare. – Ton-Mischung: J. B. Smith. – Musik: Herbie Hancock; Song: »Stroll On« ; Interpreten: The Yardbirds. – Bauten: Assheton Gorton. – Kostüme: Jocelyn Rickards. – Photographische Arbeiten: John Cowan. – Regie-Assistenz: Claude Watson.

Darsteller: Vanessa Redgrave (Jane), Sarah Miles (Patricia), David Hemmings (Thomas), John Castle (Bill, Maler), Peter Bowles (Ron), Jane Birkin, Gillian Hills (Teenager), Harry Hutchinson (Antiquitätenhändler), Veruschka, Jill Kennington, Peggy Moffitt, Rosaleen Murray, Ann Normann, Melanie Hampshire (Fotomodelle), Julian Chagrin, Claude Chagrin (Tennis-Spieler), Dyson Lovell (Der Mörder; uncredited), Ronan O’Casey (Der tote Liebhaber; uncredited). – Produktion: Bridge Films für MGM. – Produzent: Carlo Ponti. – Produktionsüberwachung: Pierre Rouve. – Produktionsleitung: Donald Toms. – Gedreht  vom 12. April bis August 1966 in London und den MGM-Studios, Boreham Wood. – Format: 35 mm, Farbe (Metrocolor). – Original-Länge und Deutsche Länge: 111 min. – Urauführung: 18.12.1966, New York. – Deutsche Erstauführung: 11.5.1967. – TV: 10.1.1976 (ARD); 7.5.1976 (NDR/RB/SFB III); 13.11.1983 (ZDF) – Verleih: Filmverleih Die Lupe (35 mm, 16 mm).

 

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