Black Hawk Down
Der Krieg ist wieder da. Und mit ihm der Kriegsfilm. Nicht der politisch
korrekte Anti-und-trotzdem-Kriegsfilm, sondern die volle Breitseite: zwei
Stunden Gemetzel.
Natürlich nach einer wahren Begebenheit. Ein Routineeinsatz, der im Jahre
1993 in Mogadishu, Somalia, ganz fürchterlich schief ging: Zwei
amerikanische Kampfhubschrauber wurden über feindlichem Stadtgebiet
abgeschossen. Neunzehn Soldaten starben. Die Toten unter den Somalis
konnten nur geschätzt werden.
Der Produzent Jerry Bruckheimer fand in dieser Begebenheit den idealen
Stoff für einen Film, der die Gewaltverherrlichung auf eine neue Stufe
hebt. Waren die bisherigen Bruckheimer-Filme erträglich durch eine
Grundhaltung, die eher dem Kasperltheater als der Illusion von Realität
verwandt schien, so gibt sich Black Hawk Down hemmungslos naturalistisch,
verliert sich in einem immer abstrakter werdenden Dauermassaker und wird
spätestens durch den moralischen Heldenverehrungsgestus obszön und
unerträglich. Er feiert die US-Elitesoldaten, die mit ihrem ehernen
Prinzip, nie einen Mann, ob tot oder lebendig, dem Feind zu überlassen, die
Katastrophe erst heraufbeschworen, völlig fraglos als moralische Sieger,
während die Gegenseite ein schwarzer Mob bleibt.
Aber Black Hawk Down funktioniert vor allem als Film nicht. Die bewährten
Rezepte, nach denen Hollywood seine Erfolge strickt, werden noch vor dem
Vorspann erschossen. Es gibt eine Unzahl von Protagonisten, die sich durch
Uniformen und Kurzhaarschnitte wie ein Ei dem anderen gleichen. Auch an der
Stimme hat der Betrachter keine Chance der Unterscheidung, da alle ständig
schreien. Es ist völlig egal, ob Josh Hartnett oder Ewan McGregor oder
sonst irgendwer durch den Staub rennt und in eine formlose Masse aus
schwarzen Komparsen hineinballert. Keine Identifikation, keine Emotion,
nichts von dem, was Hollywood sonst so gerne hat. Die dramaturgische
Struktur löst sich auf in konfusen Kampfhandlungen, man weiß nicht, wem man
gerade wobei zusieht, und will es auch nicht wissen.
Vermutlich ist diese Schwäche Absicht. Ridley Scott weiß, was er tut,
Black Hawk Down ist kein schlechter Film im alten Sinne des Wortes; er ist
mit nicht zu überbietender Perfektion inszeniert. Konsequent knüpft er dort
an, wo Spielberg bei Saving Private Ryan nach einer halben Stunde aufgehört
hatte, und macht nach demselben Prinzip einen ganzen Film, der den
Zuschauer mit allen Mitteln des Überwältigungskinos mitten ins Schlachtfeld
schleudert. Wo Spielberg seinen moralischen Heroengestus aber nach dem
experimentellen Anfang dann doch noch aus einer klassisch gebauten
Geschichte bezog, geht Scott einen Schritt weiter und mischt den
Hyperrealismus mit naiver Heldenverehrung, die nicht einer Geschichte
entspringt, sondern in jedem Moment, aus jeder Handlung, jedem Wort
überdeutlich zu uns spricht. Alles zielt auf die Installierung der Protagonisten als modellhafte Idealgestalten – so
überlebensgroß, daß ihnen jeder individuelle Zug, jeder private Moment verwehrt bleibt. Die Mischung aus
Naturalismus und Sprechblasenrhetorik, die so entsteht, ist zumindest für
uns Europäer nicht zu ertragen.
Black Hawk Down funktioniert allenfalls als unfreiwilliges Lehrstück. Er
entlarvt jede Beteuerung, man könne im Krieg zwischen Militär und
Zivilbevölkerung unterscheiden, letztere eventuell verschonen, als nackte
Lüge. Will man sonst etwas fürs Leben daraus lernen, bieten sich in erster
Linie die drei möglichen Grußformeln an, mit denen ein Soldatenleben enden
kann. Sie lauten im Film, je nach Alter und Familienstand des Sterbenden:
Sagt meinen Eltern, daß ich tapfer gekämpft habe. Sagt meiner Frau, daß
ich sie liebe. Sagt meinen Kindern, daß es mir gut geht.
Danach noch ein passendes Schlußwort zu finden, ist gar nicht so einfach.
Dietrich Brüggemann
Dieser Text ist zuerst erschienen im:
Black Hawk Down
USA 2001. R: Ridley Scott. B: Ken Nolan. K:
Slavomir Idziak. S: Pietro Skalina. M: James
Micheal Dooley, Mike Patton, Jeff Rona, Mel Wesson,
Hans Zimmer. P: Columbia, Jerry Bruckheimer Films,
Revolution Studios, Scott Free Productions. D:
Josh Hartnett, Eric Bana, Tom Sizemore, Ewan
McGregor, Sam Shepard, William Fichtner u.a. 144
Min. Senator ab 10.10.02