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Black Christmas 

 

„Drivin’ Home for Christmas“ von Chris Rea ist in diesem Film leider nicht zu hören. Dabei hätte der Song vorzüglich zur ideologisch aufgeladenen Thematik dieses Films gepasst, einem Remake des (im Original) gleichnamigen Pseudo-Genreklassikers aus dem Jahr 1974 (dt. „Jessy – Die Treppe in den Tod“, fd 19 543). Es geht sehr oberflächlich um den ur-amerikanischen Vorstellungskomplex „Weihnachten bei der/mit der Familie“, der sich wie ein blutroter Faden durch die Handlung zieht, wenngleich sich hier keine der Personen wirklich auf Weihnachten zu freuen scheint. Die Geschichte wird von Regisseur Glen Morgan derart zwanghaft verkompliziert inszeniert und erzählt, als sei sein Film auf die Schnelle (fürs Weihnachtsgeschäft?) aus Resten einiger halbrealisierter Projekte zusammenmontiert worden; sie besteht lediglich aus zwei, höchstens drei leicht modifizierten Ideen des Originals, die dessen (bescheidenen) Qualitäten vollends den Garaus machen.

 

Da ist Billy, ein traumatisierter Junge, der unter seiner gefühlskalten Mutter litt und miterleben musste, wie diese gemeinsam mit ihrem Geliebten den schwachen Vater ermordete. Als dann auch noch Agnes, die kleine Schwester, geboren und zum „Sonnenschein“ der Familie wurde, sah das frustrierte Kind die Zeit gekommen, sich furchtbar an der Familie zu rächen und – in zweifelhafter Bibelexegese – einfach das Auge herauszureißen, das ihn so sehr ärgerte. Agnes sollte ihm (und anderen) das nie verzeihen. Billy wanderte hinter Gitter. Einige Jahre später ist das „Murder House“ zum Wohnhaus einer quietschfidelen Studentinnen-Verbindung geworden. Wieder einmal steht Weihnachten ins Haus, und im Gefängnis sollte eigentlich gespannte Aufmerksamkeit herrschen, denn Billy hat bislang noch jedes Mal angekündigt, zum Fest „nach Hause“ zurückkehren zu wollen. Als Billy dann tatsächlich vorhersehbar, aber auf abenteuerlich umständliche Weise tatsächlich aus dem Gefängnis entkommen kann, werden für die nicht sonderlich intelligenten Studentinnen die letzten Stunden bis zur Bescherung in Billys Haus unangenehm. Nicht nur, dass ein schwerer Schneesturm das Haus von der Außenwelt isoliert, auch erweist sich dessen Architektur als weit komplexer als es zunächst den Anschein hatte. Da hat ein ungeliebtes Kind die langen Jahre seiner Einsamkeit höchst kreativ zu nutzen gewusst.

 

War das Original über weite Strecken eher ein Horror- als ein Slasherfilm, der atmosphärisch mit dem Schrecken des Klangs eines klingelnden Telefons arbeitete, so ist dieses Remake nicht nur ohrenbetäubend, sondern geizt auch nicht mit drastischen Unappetitlichkeiten. Die erstaunliche Eingebung, dass ein Täter, der seine Opfer mit Telefonanrufen terrorisieren will, in Zeiten omnipräsenter Mobiltelefone ganz andere Möglichkeiten besitzt, nutzt der Film dabei nur in wenigen Szenen. So schleppt sich „Black Christmas“ ebenso mühsam wie aufdringlich dahin, und selbst der entscheidende dramaturgische Twist kommt nicht überraschend, sondern ist viel zu schnell bereits abzusehen und verpufft entsprechend wirkungslos. Dass sich der Film, eigentlich unüblich in diesem Genre, kein offenes Ende erlaubt, dürfte in diesem Fall den akustisch malträtierten und intellektuell unterforderten Zuschauer dann doch beglücken: Mit einer Fortsetzung ist hoffentlich wohl nicht zu rechnen.

 

Ulrich Kriest

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-dienst

 

 

Black Christmas

Kanada / USA 2006 – Regie: Glen Morgan – Darsteller: Katie Cassidy, Mary Elizabeth Winstead, Lacey Chabert, Michelle Trachtenberg, Oliver Hudson, Andrea Martin, Crystal Lowe, Kristen Cloke – FSK: keine Jugendfreigabe – Länge: 85 min. – Start: 21.12.2006

 

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