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The Birth of a Nation
“The Birth of a Nation” von D.W. Griffith aus dem Jahr 1915 ist wohl
einer der umstrittensten Filme der amerikanischen Filmgeschichte.
Filmerisch und filmtechnisch als “landmark movie” und als rassistisch
gleichmaßen tituliert, beruht der Film auf dem schwarzenfeindlichen
Theaterstück “The Clansman” von Thomas Dixon.
Geschichtlicher Hintergrund ist der amerikanische Sezessionskrieg von
1866 und die Reconstruction Ära danach. Im Fokus stehen zwei Familien,
die Stonemans aus dem städtischen Norden (Washington) und die Camerons
aus dem ländlichen Süden. Die politischen Ereignisse wie der Krieg
General Shermans, der Wahlsieg der Schwarzenpartei in den Südstaaten und
die Ermordung Lincolns werden darum herumgesponnen und dienen als
chronologischer und dramaturgischer Faden.
Der ausführliche Plot des Dreistünders sei bei Tim Dirks ausführlichem
Review nachgelesen, hier nur soviel:
In Part One werden die Vorbereitungen und der Sezessionskrieg behandelt.
Beide befreundete Familien sind nun offizielle Feinde, der Norden zieht
gegen den Süden zu Felde, um die Lincoln-Resolution vom Wahlrecht und
Freiheit der Schwarzen durchzusetzen. Dabei werden ein Sohn des Stonemans
und zwei Söhne der Camerons getötet.
Part Two illustriert die Reconstruction nach dem Bürgerkrieg. Die
Schwarzen gewinnen bei den Abgeordnetenwahlen in den Südstaaten und
beginnen ihre Herrschaft in den Staaten mit Unterstützung der Yankees zu
errichten. So besucht der alte Stoneman die Kleinstadt der Camerons, um
dort den schwarzen Bürgermeister Silas zu protegieren. Die Camerons,
zunehmend entmachtet, beginnen damit, eine Bürgerfront gegen die neue
Macht aufzubauen: den Ku-Kux-Klan. Die Situation spitzt sich zu als Silas
Camerons Tochter ehelichen möchte und sein Gefolgsmann Gus ihr
hinterherstellt. Auf ihrer Flucht kommt sie zu Tode (“lieber tot als von
einem Schwarzen entehrt”). Der KKK spürt Gus auf und hängt ihn.
Als daraufhn Silas die Camerons unter Hausarrest stellt und diese in ein
entlegenes Blockhaus fliehen, eskaliert der Konflikt vollends. Der KKK
kann die Gefangenen befreien und zieht gegen die Kleinstadt, in der
mittlerweile die Lage durch marodierende Schwarzenverbände ausser
Kontrolle geraten ist.
Die weißen Verbände siegen und reiten in weißer Vermummung durch die
Straßen. In den folgenden Wahlen tragen sie wieder den Sieg davon,
nachdem den Schwarzen das Wahlrecht wieder aberkannt wurde. Der Film
endet mit einer Doppelhochzeit zwischen den Söhnen und Töchtern der
Camerons und dem pathetischen Versprechen wieder “Liberty and Union, one
and inseparable, now and forever” unter dem Schutz des einen Gottes
hergestellt zu haben.
“The Birth of a Nation” ist zweifellos filmtechnisch ein Meisterwerk:
die Massenszenen des Krieges, die Kameraführung, die Blendentechnik und
Lichtführung sind epochemachend.
Allerdings hat hier ein Mastermind an einem gefährlichen Stoff
gearbeitet, und es ist wohl unverständlich, dass Griffith später die
Aussagen seines Film verteidigt hat mit der Bemerkung, es sei wohl noch
nie einer mehr missverstanden worden. Es ist hier wohl das am Werke, was
Walter Benjamin später als den gefährlichen Zug zur “Ästhetisierung der
Politik” bezeichnet hat.
Die Dichotomie von Schwarz und Weiß und ihre Aufladung mit moralischem
Gehalt, ist so offenkundig böswillig wie genial umgesetzt. Es macht einen
frösteln. Ebenso die pathetische Bigotterie und Wertevermittlung des “One
and Inseparable”, die wohl bestenfalls als Aufforderung an die Südstaaten
verstanden werden kann.
Dabei sei nur am Rande erwähnt und dem “Zeitgeist” althergebrachter
“Ständeklausel” zuzurechnen, dass die Hauptcharaktere nur von Weißen
gespielt werden, die schwarzen Charaktere wie Silas sind geschwärzte
Weiße.
Tatsächlich führte der Film, der zu einem großen Kassenerfolg wurde, zu
einem Revival des KKK.
“The Birth of a Nation” ist ein Meilenstein des Filmschaffens und kann
stofflich wohl nicht mehr als zeitgemäß betrachtet werden, enthüllt er
doch einige Schattenseiten der American Values, mit denen die Welt auch
heute noch zu kämpfen hat.
Wolfgang Melchior
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
The Birth of a Nation
USA 1915, Regie: D.W. Griffith
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