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Der Bauch des Architekten

 

Der Handlungsverlauf

 

Stourley Kracklite, weltbekannter amerikanischer Architekt, fährt nach Rom, um dort eine Ausstellung über den französischen Architekten Etienne-Louis Boullée auszurichten (der fast ausschließlich visionäre, nicht zu verwirklichende Entwürfe produzierte, die z.B. anderthalb Jahrhunderte später Albert Speer als Inspiration dienen sollten). Zusammen mit seiner Gattin macht er sich mit der örtlichen kulturindustriellen High Society bekannt. In einer besonders schönen Szene sitzt er mit deren Vertretern abends beisammen, in breiter Stuhlreihe dem Pantheon zugewandt, dem sie gemeinsam als einem Zeugnis für die Vollkommenheit der menschlichen Schöpfungskraft applaudieren, die schon vor zwei Jahrtausenden ein solch makelloses Bauwerk vollendeter Proportionen und Formen geschaffen und somit die Natur übertroffen habe.

 

Allerdings wird Kracklite seine tiefe Faszination für das Schaffen des Visionärs Boullée bei der besessenen Konzeption der Ausstellung zum Verhängnis. Während seine römischen Kollegen in gegenseitigem Einverständnis das Ganze eher professionell-kaufmännisch betreiben und ihn zunehmend hintergehen und betrügen, entgleitet ihm die Ausstellung. Zugleich ringt er mit immer seltsameren Magenschmerzen und dem nicht unbegründeten Verdacht, dass ein besonders garstiger Mitarbeiter ihm seine Frau ausspanne.

 

Von den einheimischen Kollegen immer weiter an den Rand gedrängt, versinkt er in seinen künstlerischen und körperlichen Obsessionen mit Boullée und sich selbst. Unheilbarer Magenkrebs wird ihm diagnostiziert. Halb stoisch und in Anerkennung der Ausweglosigkeit, torkelt er seinem Untergang entgegen. Nicht nur seine Frau, auch die Boullée-Ausstellung wurde ihm vollends entwendet. Zu deren Eröffnung stürzt er sich über einem großen Modell von Boullées “Kenotaph für Sir Isaac Newton” vor die Füße seiner schwangeren Frau in den Tod. In dem Moment setzen bei ihr die Wehen ein.

 

Einiges für den Regisseur Unübliches

 

Vieles entspricht hier nicht dem, was man gemeinhin von einem Greenaway-Film erwartet. Vergleichsweise harmlos ist noch der musikalische Bruch. Peter Greenaway und Komponist Michael Nyman trennten sich erst bei “Prospero’s Books” 1991 im Streit voneinander, aber schon in “The Belly of an Architect” arbeitet Greenaway nicht mit seinem Stammkomponisten, sondern mit Glenn Branca und Wim Mertens zusammen (wobei letzterer – ebenfalls zur Clique der Minimalisten von Nyman bis Glass gehörig -, hier durchaus nach Nyman zu klingen weiß).

 

Auffälliger ist da schon der Ausbruch des Menschlichen gegenüber seinen anderen Filmen: Man könnte leicht einwenden, dass Greenaway sich hier noch am ehesten an jenem allgegenwärtigen konventionell-dramatischen Kino orientiere, das vor allem anderen die Psychologie der Figuren betont. Tatsächlich enthält der Film die einfühlsame Erzählung vom körperlichen und seelischen Verfall eines Mannes, der vom bärenhaften Brian Dennehy auch noch überaus natürlich und eindrucksvoll verkörpert wird. Üblicherweise ist das höchste Gefühl, das man für Greenaways exzentrische, flache Figuren empfindet, distanziertes Mitleid wegen besonders grausiger Schändungen oder Todesarten. Hier hingegen haben wir in Stourley Kracklite einen achtungsgebietenden und komplexen Charakter als Zentrum des Films.

 

Trotzdem ist ‘The Belly of an Architect’ kein leicht konsumierbares Arte-Abendprogramm-Kino. Auch wenn die Stärkung des psychologischen Aspekts für Greenaway scheinbar ungewöhnlich massenpublikumsfreundlich ist, steht diesem dennoch die formbetonte, unbekümmert menschenverachtende Welt- und Filmordnung gegenüber, die man von ihm gewohnt ist. Zwischen beidem ergibt sich eine spannende Reibung, in der zugleich jede erlösende Botschaft, Hoffnung oder Befreiung fehlt. Und der ästhetische Genuss, der Zerstörung des Menschen Kracklite zuzusehen, steht möglicherweise nicht nur für den Zuschauer, sondern auch für die Figur Kracklite selbst im Mittelpunkt.

 

Christian Heller

 

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in:  Plomlompom.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Der Bauch des Architekten

THE BELLY OF AN ARCHITECT

England – 1986 – 118 min. – Erstaufführung: 1.10.1987/23.6.1988 Video/12.4.1989 ZDF

Regie: Peter Greenaway

Buch: Peter Greenaway

Kamera: Sacha Vierny

Musik: Wim Mertens

Schnitt: John Wilson

Darsteller:

Brian Dennehy (Stourley Kracklite)

Lambert Wilson (Caspasian Speckler)

Chloe Webb (Louisa Kracklite)

Sergio Fantoni (Io Speckler)

Stefania Casini (Flavia Speckler)

 

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