Basquiat
Unter
Malern
Überzeugend
unzulänglich: Julian Schnabel verfilmt einen toten Kollegen
Hier
kommt zusammen, was gar nicht zusammengehört. Wie eng es zusammenhängt,
kann man an der Besetzung sehen: da sind David Bowie und Dennis Hopper, Willem
Dafoe und Christopher Walken, Gary Oldman und Michael Wincott, alle in mittleren
bis kleinen Rollen, bestimmt nicht fürs Geld und wahrscheinlich auch nicht
wegen des Ruhms. Eher einfach so. Und um dem Kumpel Julian Schnabel behilflich
zu sein bei seinem Film-Debut.
Daß
sie nicht wirklich zusammengehören, die gemalten und die bewegten Bilder,
kann man hier auch sehen. Gelungene Filme über Bilder gibt’s höchstens
im Fernsehen, bei "100 Meisterwerke", und gelungene Filme über
Maler sind immer so gut, wie das Drehbuch und das Talent der Beteiligten erlauben.
So gesehen, ist eigentlich völlig klar, daß Basquiat
kein wirklich guter Film werden konnte. Weil Regisseur und Drehbuchautor Julian
Schnabel vom Drehbuchschreiben keine und Spielfilminszenieren wenig Ahnung hat.
Schnabel
war in den achtziger Jahren als Maler eine gewisse Zeit richtig berühmt,
seine Bilder waren richtig teuer, er hatte vielbeachtete Einzelausstellungen
und Retrospektiven und hat im zarten Alter von 35 Jahren bereits seine Autobiographie
geschrieben. Da war sein Stern bereits schwer am sinken. Seitdem hat man wenig
von ihm gehört, wahrscheinlich hat er in New York mit seinen Showbiz-Spezis
rumgehangen und zwischendurch an einen anderen überschätzten Maler
gedacht, dem es einerseits noch schlechter als ihm ergangen war, der andererseits
aber auch unsterblich geworden ist. Nicht unbedingt wegen seiner Kunst, sondern
wegen seines schnellen Lebens und seines frühen Todes: Jean-Michel Basquiat,
der Jimi Hendrix der bildenden Kunst, der New Yorker Graffiti-Van-Gogh, der
praktisch aus dem Nichts rucksfix in die höchsten Sphären des Kunstbetriebs
aufgestiegen ist und ein Leben wie ein Rockstar geführt hat, an dem er
dann auch gestorben ist. Oder an den Verhältnissen. Oder an der eigenen
Unzulänglichkeit. Immerhin handelt der Film auch davon: von diesen Fragen,
aber "immerhin" ist nicht ganz richtig.
Denn
auch wenn Basquiat
nach filmischen Gesichtspunkten kein wirklich guter Film ist, hat er Qualitäten,
die uns den Kinobesuch wirklich haben genießen lassen, und die – was selten
ist – einen wohligen und nachdenklichen Nachklang erzeugten.
Das
kommt wohl daher, daß sich Schnabel in der Szene besonders gut auskennt
und daß er – erstaunlicherweise – genügend Distanz hat – auch zu
seiner eigenen Person -, daß Ironie entstehen konnte. Und weil Schnabel
Jean-Michel Basquiat offenbar mochte, verrät der Film seine Hauptfigur
nicht. Basquiat
versucht, was Basquiat angeht, ehrlich zu sein. Und: ungeachtet Schnabels Qualitäten
als Maler – von Bildern versteht er etwas. Wie er zum Beispiel Basquiats Verrat
an seiner Freundin zeigt, die am Ende sehr einsam und gedemütigt auf einer
Vernissage steht, keiner der anderen Gäste merkt etwas, nur Basquiat verdrückt
sich: eine persönliche Tragödie, mit zwei, drei Bildern auf den Punkt
gebracht. Oder die kleinkindgroßen Plüschenten, die auf einer grauen
New Yorker Straßenkreuzung unter die Räder kommend die Gefühle
Basquiats illustrieren, der gerade vom Tod seines Mentors Andy Warhol erfahren
hat. Von solchen Momenten hat der Film einige.
Auch
toll: die Besetzung (wie gesagt). Jeffrey Wright als Basquiat, mit beeindruckenden
mimischen Fähigkeiten, aber doch etwas zu schön für diese Rolle.
David Bowie als Andy Warhol, mit Mop-Perücke, Warhol-Diktion und dieser
ganz eigenen Art, etwa den Kopf zu halten. Haarscharf an der Parodie, also absolut
überzeugend. Oder Willem Dafoe in einem Kurzauftritt als malender Elektriker.
Dennis Hopper als Kunsthändler Bruno Bischofberger. Gary Oldman als Schnabels
Alter ego Albert Milo. Und Christopher Walken als Fernseh-Kunstkritiker, der
versucht, mit Basquiat ein ernsthaftes, aber sendefähiges Gespräch
zu führen. Herrlich, da kann man sich vorstellen, wie es hinter den Kulissen
von "Aspekte" zugeht.
Hätte
sich Julian Schnabel eines richtigen Drehbuchautoren bedient, hätte Basquiat
vielleicht ein runder Film werden können, mit einer richtigen Geschichte
und einem Spannungsbogen. Daß Schnabel das nicht getan hat, tut einem
nichtmal leid. Weil dann Basquiat
nicht dieser schön unzulängliche Film geworden wäre, sondern
ein weiteres Biopic über einen armen Kerl, der einem eigentlich leid tun
sollte.
Jens
Steinbrenner
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