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Auto
Focus
Video
killed the TV-Star
Der
etwas bodenständigere Zwilling zu George Clooneys Regiedebut:
auch hier ein TV-Star, den die Geltungssucht in die Medien treibt, den vor allem
aber die Libido umtreibt, auch hier ein retro-chices Ästhetikdestillat
der 60er und 70er. Allein, in Auto
Focus
geht’s ein wenig ernsthafter zu als beim "The Showbiz Must Go On"-Kollegen.
Bob Crane steht hier im Mittelpunkt, den man hierzulande wohl vor allem als
Hogan aus Ein
Käfig voller Helden,
dieser bisweilen recht witzigen Klamotte im Nazi-Gefangenenlager, kennt, und
wie er – Schrader bleibt sich treu – einsam in der Masse ist, mit den Konventionen
seiner Zeit nicht umzugehen weiß, an diesen zusehends zu ersticken droht.
Am Ende ist er tot: ermordet, 1978, der Schuldige wurde nie gefasst.
Crane
ist, wenn auch zunächst noch biederer Familienpappa, sexsüchtig. Mit
seinem überaus zwielichtigen Kumpan John Carpenter (nein, nicht etwa zu
verwechseln mit…), der Cranes Celebrity-Status bereitwillig nutzt, um ebenfalls
zum Zuge zu kommen, dreht er Homemade-Pornos, denn Carpenter ist Technikaficionado
und Bastel-Ass, hat zudem einen hohen Posten in der Entwicklung bei Sony und
kommt an alle Goodies und Prototypen: Video tritt seinen Weg an, die Welt zu
erobern! Die Pornobänder stapeln sich, zusammen (aber ganz klar: nicht
gegenseitig) holt man sich vor dem Bildschirm einen runter, redet über
den Fick auf dem Bildschirm, weiß schon den Namen der Frau gar nicht mehr:
Sex, Lügen, Video. Doch Crane zerbricht an seinen Obsessionen, mit denen
er, trotz zweier Scheidungen, noch immer recht naiv umgeht: "Ich liebe
Titten! Große, kleine, hängende, straffe – Titten sind was Schönes!",
verkündet er aus dem Off und klingt dabei wie ein Kind, das mit leuchtenden
Augen von seinen Lieblingsschokoriegeln erzählt. Dem kurzen Ruhm von Hogan’s
Heroes folgt der lange Absturz, das lange Siechtum, die biederen 70er, die political
correctness.
Ein
Film über den Wandel, den das davon betroffene Individuum nicht fassen,
lediglich fassungslos beobachten kann. Ein Film über den Zeitgeist der
Mode also, über die Mode des Zeitgeists. Die Interieurs ändern sich,
die Kleidungen ändern sich, die Frisuren ändern sich, Vorstellungen
vom gesellschaftlichen und privaten Miteinander ändern sich. Ja, sogar
die Technik zur Bildfabrikation, die ändert sich, ebenso wie die Archivierung:
die blanken Bandrollen der ersten Videotage werden, geradezu beiläufig,
eines Tages von den noch globigen Vorreitern der heutigen Videokassetten abgelöst.
In grellen Farben kommen die 60er daher, wie in einem hippen Club in Berlin
Mitte sieht das alles aus, die 70er dann schon etwas reduzierter, wenn wir dann
am Tiefstpunkt angelangt sind, wechselt gar das Aufnahmemedium: Crane ist –
buchstäblich – gefangen im Videobild, grobkörnig, verwackelt, amateurhaft,
blass: Video killed the tv-star!
Schrader
wagt es nicht, über Crane zu urteilen. Klar, das ist schon ein Arschloch,
so irgendwie. Egozentriert, geltungssüchtig, gegenüber anderen geradezu
sorglos hedonistisch. Doch Crane ist auch ein Mensch, der für seine Veranlagung
augenscheinlich nichts kann, für den "Sex vollkommen normal"
ist, so normal gar, dass er sein Fotoalbum, darinnen Aufnahmen zahlloser geschobener
Nummern der letzten Jahre, bereitwillig jedem zeigt, der sie gar nicht sehen
will. Einer also, der mit den bürgerlichen Vorstellungen von Monogamie
und Sexualität nichts anzufangen weiß, letzten Endes gerade an der
Allmacht dieser Moralvorstellungen im Leben scheitert. Disney wagt es jedenfalls
nicht mehr, mit diesem Mann einen Film zu drehen. Nicht, nachdem "diese
Fotos" in der Boulevardpresse aufgetaucht sind.
Auto
Focus
ist sicherlich kein Meisterwerk, auch ob er als großer Klassiker in die
Annalen der Filmgeschichte eingehen wird, ist zumindest fraglich. Sorgfältig
inszeniertes Qualitätskino, dem man die vielen Jahre seines Urhebers im
Geschäft, damit einhergehend dessen Reife hinsichtlich der Wahl und des
pointierten Einsatzes filmischer Mittel, in jeder Einstellung ansieht, stellt
er aber in jedem Falle dar.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Auto
Focus
Auto
Focus, USA 2002
Regie:
Paul Schrader
Drehbuch:
Michael Gerbosi, nach dem Roman von Robert Graysmith
Kamera:
Fred Murphy
Schnitt:
Kristina Boden
Darsteller:
Greg Kinnear, Willem Dafoe, Rita Wilson, Maria Bello, Ron Leibman, Bruce Solomon,
u.a.
Start:
26. Juni 2003
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