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Auf Anfang [:reprise]

Auf einen Film wie diesen haben wir lange gewartet. Weit weit weg sind die Beziehungsdramen, die das Ende anpeilen und nichts als das Ende. Lieber spielen wir durch, was sein könnte oder auch nicht, und wenn es fad wird, klicken wir uns aus dem link raus und sind wieder auf der Startseite. 23-Jährige haben die Orientierungslust und den Übermut, etwas zu entwerfen und wieder zu verwerfen, – diesen Weg auszuprobieren oder jenen, grad wie ins Auge kommt oder in den Sinn, und am liebsten törnt man sich in der Clique an.

 

Sind wir bei der Handlung? Konjunktivisch schon und rhetorisch hoffentlich. Einfälle muss haben, wer sich vorstellt, Autor zu sein oder zu werden. Wer wird reüssieren? Erik? Phillip? Spielen wir das durch. Das geht so: am besten treten wir in parkende Autos. Ein Alarmsignal piepst nach dem anderen. Warum das Konzert? Ein Angebot: 15 Jahre zurück. „Bist du schwul?“, macht der bullige Mitschüler den hilflosen Achtjährigen an. Aha? – Kein aha, sondern, jetzt wieder in der Gegenwart, die wiederum eine Möglichkeit ist, – jetzt also sitzt der Alarmauslöser auf der Parkbank. Ein schwarzer Bullenbeißer springt stracks auf ihn zu und wirft ihn zu Boden. Was folgt? Die Notaufnahme? Nein? Dann aber der Besuch beim älteren Freund? Dem gestandenen Dichter? Aber dort trollt sich eben dieser Beißhund in der Wohnung sowie im Vordergrund der Einstellung.

 

Um es kurz zu machen. Wir folgen sich überschlagenden Assoziationen. „Auf Anfang“ ist ein Film der vielen as: assoziativ, anekdotisch, autobiografisch, ambivalent, auch aggressiv. Eine Überschussproduktion, die Laune macht (und auf Festivals Publikumspreise einheimst). – In Paris die Tochter des Gallimard-Verlegers heiraten, wär’s das? Und was könnte das Buch, frisch verlegt, bewirken? Noch eine Revolution in Afrika? Den Bann des Vatikans? Den Rücktritt des Dalai Lama? Oder die sexuelle Konditionierung eines 12-Jährigen? Den haben wir jetzt im Bild, und er hat einen dicken Hintern im Blick oder anders gesagt das a von anal.

 

Noch mal. Eine lineare Handlung gibt es nicht. Es herrscht das Gesetz und die Lust des trial and error. Das ist kreativ und gut und unvorhersehbar. Mit den Latenzen und großen Erwartungen ist es so, dass, wer auf den Vorschein kuckt, seine Tentakeln ausfährt. Nicht weil er Sensibelchen ist, sondern weil er wissen will, was auf ihn zukommt möglicherweise. Sicher ist erst mal nichts. Reden wir lieber etwas herbei, ehe es ab in Depression, Klapse und Suizid geht. Alles vielversprechend unklar jetzt. Noch bei Mutter leben? Seine Identität mit Punkmusik aufladen? Die Band „Die Kommune“ hat große Momente im Film. Hemd und Schlips und coole Haltung. Die Pose regiert in der Jungsclique und die Attitüde gegenüber dem anderen Geschlecht. Kari, die in das Spiel mit den vielen as nicht reinkommt, arbeitet jetzt im Callcenter. Erik, Phillip und die anderen üben das parlare und gesticolare im öffentlichen Raum. Solch ein Forum erwarten wir allerdings eher im sonnigen Italien als im kalten Norden. Wir müssen mit „Auf Anfang“ die Blickrichtung ändern. Aus Norwegen kommt dieses große Spiel der Erwartungen und Versprechungen. Man braucht ja nur runterzählen beim Radfahren. 9, 8, 7, … 2, 1, 0, wobei man, um ganz sicher zu sein, überrascht zu werden, die Augen zuhat. Besser kann es nicht funktionieren, das trial and error und das Brainstorming, wenn es enthusiasmieren soll. „Auf Anfang“ kuckt genau hin, wie man das Ding dreht, zum Beispiel den Henkel der Kaffeetasse: mit dem Daumennagel. Das Detail macht es, nicht der Plot.

Ein Filmdebüt von JoachimTrier und Eskil Vogt (Koautor).

 

Dietrich Kuhlbrodt

 

Dieser Text wurde geschrieben für die: taz

 

Auf Anfang [:reprise]

Norwegen / Schweden 2006 – Originaltitel: Reprise – Regie: Joachim Trier – Darsteller: Espen Klouman Høiner, Anders Danielsen Lie, Christian Rubeck, Pål Stokka, Odd-Magnus Williamson, Viktoria Winge, Rebekka Karijord, Silje Hagen – Länge: 105 min. – Start: 2.8.2007   

 

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