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Attentat
auf Richard Nixon
Es dreht sich nur
ums Geld!
Andreas Busche über Niels Muellers Paranoia-Film
»Attentat auf Richard Nixon«.
Manchmal gelingt es dem Kino noch,
jenen eine Stimme zu verleihen, die im Gang der Geschichte ungehört
geblieben sind. Hoffnungslosen Idealisten und gescheiterten Existenzen, denen
es zu Lebzeiten nicht vergönnt war, ihre Spuren zu hinterlassen, und die
schließlich in der Obskurität verschwanden. Menschen wie Samuel Byck,
einem chronisch erfolglosen Reifenverkäufer, der am 22. Februar 1974 mit
einer gestohlenen Waffe und einer selbst gebastelten Bombe für wenige Minuten
ein Flugzeug in seine Gewalt brachte, bevor er vom Sicherheitspersonal überwältigt
werden konnte. Byck hatte geplant, die Passagiermaschine in das Weiße
Haus zu steuern und Amerika damit von seiner Nemesis Richard M. Nixon zu befreien.
Das Flugzeug hob jedoch nie ab und Nixon ging an jenem Tag ungestört seinen
Geschäften nach.
Der längst vergessene Byck
diente Niels Mueller als Inspiration für sein vor zwei Jahren entstandenes
Regiedebüt Attentat
auf Richard Nixon,
das es unerklärlicherweise nicht in die deutschen Kinos geschafft hat.
Muellers Film ist das beunruhigende Psychogramm eines ewig zu kurz Gekommenen,
eines Kollateralschadens des American Dream. Sean Penn spielt Byck (im Film
Bicke) mit der schmerzhaften Intensität eines Mannes, der verzweifelt für
sein Recht auf Teilnahme an diesem Traum kämpft, ohne ihm je nahe zu kommen.
Seine Frau Marie (Naomi Watts) reicht auf dem Postweg die Scheidung ein, sein
Chef drückt ihm permanent Floskeln aus Ratgeber-Bibeln des mittleren Managements
(»Wie man Freunde gewinnt und Menschen beeinflusst«) rein, und sein
Versuch, den Black Panthers beizutreten, endet als Farce. Bicke, der hoffnungslose
Fall, steigert sich wahnhaft in die Rolle des Don Quijote, der gegen die Verblendungen
der Welt in den Kampf zieht. Und gegen ein Establishment, in dem er nur Lügen
und Heuchelei erkennt. »Wissen Sie, Bicke« fragt ihn sein Chef einmal,
»wer der beste Verkäufer Amerikas ist? Nixon, dieser Hundesohn. Er
hat uns den Vietnamkrieg gleich zweimal verkauft.«
So entwickelt sich Attentat auf Richard Nixon auch zur beklemmenden Schilderung
des gesellschaftlichen Klimas in den USA der siebziger Jahre. Nixon verkörperte
dieses Amerika wie keine andere Figur des öffentlichen Lebens. In der Hochphase
des New-Hollywood-Kinos durchwehte sein böser Geist Filme wie Scorseses
Taxi Driver, Alan J. Pakulas Zeuge einer Verschwörung oder Hal Ashbys Shampoo. Auch In
Attentat auf Richard Nixon ist »Tricky Dicky« omnipräsent: im Fernsehen,
im Radio, in den Zeitungen. Man kann Nixon nicht entkommen. Sein niederträchtiges
Geschnatter legt sich wie ein störendes Umweltgeräusch unter die Bilder
– bis Bicke schließlich der Kragen platzt. »Es dreht sich nur um
Geld, Dick!«, brüllt der eindrucksvoll ausrastende Penn irgendwann den
Fernsehbildschirmen entgegen.
Trotz allem verweigert sich Muellers
Rekurs auf die große Zeit des Paranoia-Kinos allzu durchscheinenden politischen
Lesarten. Am Ende bleibt Attentat auf Richard Nixon die traurige Geschichte eines amerikanischen Losers, dessen einzige
Errungenschaft sich auf eine bizarre Kurzmeldung in den Abendnachrichten beschränkt.
Schon im Augenblick seines Todes beginnt die Erinnerung an Samuel Bicke zu verblassen.
Was er der Nachwelt zum Beweis seiner Existenz hinterlässt, ist nicht mehr
als eine Phrase, so hohl und sinnlos wie die Kritzelei auf einer Parkbank. Drei
Worte. Ich. War. Hier.
Andreas Busche
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: „Die Zeit“
Attentat
auf Richard Nixon
The
Assassination of Richard Nixon
Regie:
Niels Mueller
Drehbuch:
Niels Mueller, Kevin Kennedy
Kamera:
Emmanuel Lubezki
Musik:
Steven Stern
Darsteller:
Sean Penn, Naomi Watts, Don Cheadle, Jack Thompson, Brad Henke
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