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Arzt und Dämon

London, Ende des 19. Jahrhunderts. Der junge Arzt Dr. Harry Jekyll will das Geheimnnis der menschlichen Seele ergründen und beweisen, dass sich in jedem seiner Zeitgenossen eine gute und eine böse Persönlichkeit verbirgt. Er entwickelt ein Serum, das es ihm ermöglicht, die beiden Charaktereigenschaften völlig voneinander zu trennen – doch scheut er vorerst noch davor, sein Gebräu auf Wirksamkeit und eventuelle Nebenwirkungen zu überprüfen. Als Jekyll nachts dem hübschen Barmädchen Ivy Peterson über den Weg läuft und an ihren Reizen Gefallen findet, obwohl ihm dies sein Status als angesehener Mediziner verbietet, gerät er in einen moralischen Konflikt… und wagt letztlich den Selbstversuch. Der Rest ist bekannt: Jekyll verwandelt sich in den animalischen und durchtriebenen Hyde, der völlig ungezwungen seine Lustfantasien auslebt und die Umgebung terrorisiert. Auch Ivy gerät in die Fänge Hydes und wird von dem Scheusal gequält, bis sie ausgerechnet Schutz bei Jekyll sucht…

 

Kein anderer Roman ist im Lauf der Kinogeschichte mit so vielen Filmadaptionen gewürdigt worden wie Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Die 1932 unter der Regie von Rouben Mamoulian gedrehte Paramount-Produktion gilt unter den weit mehr als einhundert (!) Adaptionen als die beste Verfilmung des Romans. So ist es eigentlich verwunderlich, dass bereits neun Jahre später eine weitere Leinwandadaption entstand, die den Mamoulian-Vorgänger in jeder Hinsicht zu übertrumpfen versuchte, obwohl die Story im Prinzip ohne nennenswerte Änderungen übernommen wurde. Damit niemand das MGM-Remake mit Dr. Jekyll and Mr. Hyde direkt vergleichen konnte, ging das Studio sogar so weit, alle Rechte an der Mamoulian-Fassung zu erwerben und diesen Film dann für ein Vierteljahrhundert aus dem Verkehr zu ziehen! Erst 1967 tauchte der Streifen wieder im Rahmen einer Ausstellung des Lebenswerkes von Mamoulian in der Gallery of Modern Art auf.

 

Das Remake Arzt und Dämon ist ein typischer MGM-Film der 40er Jahre – glamouröse Kulissen, aufwändige Ausstattung und nicht zuletzt eine Spieldauer von über zwei Stunden, die dem Werk leider zahlreiche Längen beschert. In den Hauptrollen sind hochkarätige Stars zu sehen, doch ausgerechnet Spencer Tracy (Das war der Wilde Westen) wirkt in der titelgebenden Doppelrolle fehlbesetzt. Seinen Part als Jekyll mag man ihm noch abnehmen, da er den Wissenschaftler als ziemlich konservativen – fast schon langweiligen – Menschen darstellt. Als Hyde jedoch verzichtete er bis auf winzige verunstaltende "Korrekturen" auf ein wüstes Makeup, so dass er die dunkle Seite seiner Persönlichkeit alleine durch Grimassenschneiden ausdrücken muss. Frederic March, Hauptakteur der Mamoulian-Adaption, hatte es da wesentlich leichter: alleine sein riesiges Gebiss reichte völlig aus, um seine Filmpartnerinnen in Angst und Schrecken zu versetzen… Lana Turner (Im Netz der Leidenschaften) verkörpert Jekylls Verlobte Beatrix Emery, die zwielichtige Ivy Peterson wird von der grandiosen Ingrid Bergman (Das Haus der Lady Alquist) dargestellt, der es hier mühelos gelingt, Tracy die Schau zu stehlen. Die beiden Schauspielerinnen tauschten übrigens nach dem Studieren des Drehbuches ihre Rollen, weil sie ihre ursprünglich zugedachten Filmfiguren wenig ansprechend fanden.

 

Insgesamt ist Arzt und Dämon ein recht gelungener Versuch, an die legendären Horrorklassiker der Universal-Studios anzuknüpfen. Ein grosser Unterschied zu anderen Verfilmungen ist, dass Victor Fleming (Vom Winde verweht, 1939) mehr auf die psychologischen Aspekte der Geschichte eingeht und weniger auf bloße Horroreffekte. Während sonst bloß die Transformationen vom Guten zum Bösen sowie Hyde´s lasterhaftes Treiben im Vordergrund stehen, werden hier die heimlichen Wünsche des Bösen nur angedeutet. Dadurch hat diese "Jekyll & Hyde"-Variante streckenweise mehr Ähnlichkeit mit einem Psychothriller als mit einem Horrorfilm.

 

Christian Lorenz

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei:  Grauen II – Die Rückkehr

  

Arzt und Dämon

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

USA, 1941

127 Minuten, schwarz/weiss

 

Regie: Victor Fleming

Drehbuch: John Lee Mahin

Kamera: Joseph Ruttenberg

Musik: Franz Waxman

Schnitt: Harold F. Kress

Effekte: Warren Newcombe

Produktion: Victor Fleming

 

Spencer Tracy – Jekyll / Hyde

Ingrid Bergman – Ivy Peterson

Lana Turner – Beatrix Emery

Donald Crisp – Sir Charles Lanyon

Barton MacLane – Sam Higgins

Sara Allgood – Mrs. Higgins

Frederick Worlock – Dr. Death

William Tannen – Fenwick

Frances Robinson – Marcia

Dennis Green – Freddie

Billy Bevan – Weller

Jan Hunter – Dr. John Lanyon

 

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