Arlington Road
Das Böse ist immer und überall, am allerliebsten jedoch lauert es in
spießigen Vorstädten hinter der Fassade gutbürgerlicher Normalität, wie
uns der Meister des amerikanischen Abgrundes, David Lynch, gelehrt hat.
Mark Pellington, Regisseur von Arlington Road, greift nicht nur auf den
wohletablierten, cineastischen Formenkanon der versteckten Bedrohung
zurück, schwankende, verkantete Kamera, dumpfe Soundeffekte, bedrohlich
dröhnende Musik (von Angelo Badalamenti, dem bevorzugten Filmmusiker
Lynchs), nein, Pellington erweitert diesen Kanon um ein weiteres subtiles
Detail: In Arlington Road trägt der als Saubermann getarnte Oberböse,
gespielt von Tim Robbins, ausschließlich häßlichste Wollpullover Marke
Eugen Drewermann.
Im Grunde genommen hätte sein nachbarlicher Gegenspieler, gespielt von
Jeff Bridges, schon aus der Kleidung des Strickfans auf dessen maroden,
moralisch-ästhetisch rettungslos verkommenen Geisteszustand schließen
können.
Leider, leider aber frönt Bridges als Dozent für Soziologie lieber
seinem Steckenpferd, dem amerikanischen Terrorismus, welches er um so
inbrünstiger reitet, seit seine beim FBI engagierte Frau von
extremistischen Rednecks um die Ecke gebracht wurde. Bridges glaubt
grundsätzlich nicht mehr an Einzeltätertheorien, sondern riecht überall
den faulen Dunst von Verschwörungen. Bei seinem Nachbarn scheint er
ausnahmsweise richtig zu liegen, was ihm, dem Paranoiker, aber niemand
glauben mag. Derweil verfolgt der Wollpulli als Agent einer obskuren
Organisation dunkle Pläne, in die auch der neurotische Terrorismusexperte
verstrickt wird …
Um es kurz zu machen: Arlington Road ist ein Machwerk. Die
Thriller-Anleihen sollen die Inkohärenz des Drehbuchs verdecken, das so
unglaubwürdig und gestelzt dahin holpert, daß man sich ständig fragt: Was
soll das alles? Die Antwort gibt’s ganz zum Schluß, wenn die lieblos
zusammengestoppelte Handlung in einer hochgradig konstruierten Pointe
kulminiert. Die Hauptfiguren sind mißlungen, der eine ist in seiner
nervösen Weinerlichkeit unsympathisch, der andere in seiner
strickbewehrten Diabolik unglaubwürdig. Soll der Mann nun eine
Vergangenheit und ein Motiv haben, oder ist die ganze Figur als Karikatur
gemeint, so wie seine Gattin, die als eiskalt-makellose Hausfrau die
Atmosphäre von 50er Jahre B-Picture-Weltbedrohungsszenarien beschwört
(gespielt wird sie von Joan Cusack).
Hier liegt das zentrale Problem des Filmes, der sich nicht zu
entscheiden vermag, ob er gerne ein ernster und engagierter Problemfilm
wäre oder aber distanziert-spektakuläres Entertainment. Das unausgegorene
Pendeln zwischen beidem macht Arlington Road zu einer cineastischen
Totalzumutung. Nothing but Verachtung von mir.
Björn Vosgerau
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.
Arlington Road
Mark Pellington, USA 1999