Arac Attack – Angriff der achtbeinigen Monster
Phobien, von jeher eine optimale Grundlage für ordentlichen Horror,
sind bekanntlich nicht zuletzt eine private Angelegenheit. Die Angst
vor Spinnen gehört definitiv dazu und die vor Spinnenfilmen auch. Meine
schlimmste Erfahrung auf diesem Gebiet hieß Mörderspinnen und zwang
mich im Kindesalter dazu, den als Captain Kirk doch so unbesiegbaren
William Shatner halbtot eine Kellertreppe hinauf kriechen zu sehen –
von Vogelspinnen und ähnlichen, handtellergroßen Achtbeinern übersät
und zweifelsohne mehrfach gebissen. Shatner erholte sich zwar wieder,
die Angriffe der Spinnenmassen hielten jedoch an, bis am Ende das ganze
Haus und mit ihm ein kompletter Landstrich schlicht unwiederbringlich
eingesponnen waren.
Vielleicht hängt es mit diesem Trauma zusammen, dass ich den letzten
Spinnenschocker Arachnophobia kaum bis zum Ende ertragen konnte. Auch
hier waren die Tiere – ganz anders als in dem erleichternd
übertriebenen Klassiker Tarantula – entweder echt oder doch zumindest noch
irgendwie im Rahmen einer mit etwas Phantasie als real vorstellbaren
Körpergröße. Allerbeste Voraussetzungen also, einen im Original mit
Eight Legged Freaks betitelten Angriff der achtbeinigen Monster zu
erwarten. Size does matter.
Es beginnt, wie es sich für einen B-Film schickt. Ruckzuck ist das
Wesentliche klar: Unweit der kleinen, abgelegenen, von Rezession und
gescheiterten Großprojekten gebeutelten Bergarbeiterstadt mit dem
schönen Namen Prosperity rollen ein paar Tonnen voll Industriegift in
ein Gewässer. Ein Schild weist auf die eine Meile entfernte Spinnenfarm
hin, auf der ein Eigenbrötler hunderte exotischer (Groß-) Spinnen
züchtet. Nur 15 Filmminuten später sind die Tiere kontaminiert und
schon ein klein wenig gewachsen, so dass eine entschlüpfte, fette
Tarantel mit einem Biss in den Nacken des Spinnenfarmers für das erste
der vielen Opfer sorgt, an denen sich ihre Artgenossen noch laben
werden. Des Farmers Papagei zeigt seherische Fähigkeiten und zitiert
schon mal Haley Joel Osment aus The Sixth Sense: “I see dead people, I
see dead people!”
Bald darauf haben die Spinnen jene Größe erreicht, mit der sie dem
Mörderspinnen-Grauen in Richtung von Paul Verhoevens
Weltraum-Insekten-Spektakel Starship Troopers entwachsen sind, und der
Spaß beginnt. Marodierende Spinnenbanden ziehen durch die Straßen von
Prosperity, fressen Friseurkunden und weben ehrwürdige Bürgerinnen ein.
Ihnen gegenüber stehen die örtliche Polizeichefin Sam (Kari Wuhrer),
ihre beiden Kinder Ashley (Scarlett Johansson) und Mike (Scott Terra),
der Mineningenieur Chris (David Arquette), ein trotteliger Hilfssheriff
und der leicht paranoide Radiomoderator Harlan (Doug E. Doug), der die
Spinnenplage unbeirrt als jene Invasion von Außerirdischen
identifiziert, vor der er schon immer gewarnt hat.
Eine Reihe recht ekliger Spinnenauftritte, ein paar gelungene Gags und
eine rasante Wüstenrallye (Motorradteenager vs. Riesenspringspinnen)
später ist es dann soweit. Sam verkündet den ungläubigen Restbürgern
via Radiodurchsage die Katastrophe: “The town has been overrun by giant
spiders!”, und nachdem eine wilde Horde Gliederfüßer im Gefolge einer
gigantischen Vogelspinne die Nachricht bestätigt hat, flüchtet man sich
ausgerechnet in die ausgestorbene Shopping-Mall von Prosperity – eine
wahre Geisterstadt und das Symbol des (wirtschaftlichen) Untergangs der
Region.
Diese Wahl der letzten Zuflucht (von der es dann zum großen Finale ins
ebenfalls stillgelegte Bergwerk geht) ist ebensowenig ein Zufall wie
das Schicksal, das der Prosperity-Mall am Ende von Arac Attack
beschieden sein wird. Vielmehr gehört die tragende Rolle des in seiner
Bedeutung umgekehrten Einkaufslandes zu jenen Anspielungen und absurden
Gags, die von Regisseur Ellroy Elkayem und seinem Ko-Autor Jesse
Alexander reihenweise in ihrem Spielfilmdebüt platziert werden, ohne
die Spannung oder das Tempo zu reduzieren. Insofern steht Arac Attack
gleich in zwei Traditionslinien: Zum einen bezieht er sich ausdrücklich
auf jene B-Film-Sparte der fünfziger Jahre, zu der Jack Arnolds
Tarantula, Gordon Douglas’ Formicula und Bert Gordons Rache der
schwarzen Spinne gehören. Andererseits – und dies ist nicht weniger
angenehm – setzen Elkayem, Alexander und ihr Executive Producer Roland
Emmerich eine zeitgenössische Linie von Mutations-Horrorfilmen fort,
die man als smarte, in jeder Beziehung selbstbewusste und darin freie
B-Film-Nachkommen bezeichnen könnte. Oder anders: Wer Lake Placid, Deep
Blue Sea und Im Land der Raketenwürmer mochte, dürfte an Arac Attack
seine helle Freude haben.
Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Arac Attack
Eight Legged Freaks
USA 2002. R: Ellory Elkayem. B: Jesse
Alexander, Ellory Elkayem. P: Dean Levlin,
Bruce Berman. K: John Bartley. Sch: David J.
Siegel. M: John Ottman. T: Scott Wolf. A
Charles Breen, Chas Butcher. Ko: Alix
Friedberg. Sp: Karen E. Goulekas, Thomas
Dadras, Yves De Bono. Pg: Warner/Village
Roadshow/NPV Entertainment/Electric
Entertainment. V: Warner. L: 99 Min. FSK:
12, ffr. Da: David Arquette (Chris), Kari
Wuhrer (Sam), Scott Terra (Mike), Scarlett
Johansson (Ashley), Doug E. Doug (Harlan), Rick
Overton (Pete Willis), Tom Noonan (Joshua),
Eileen Ryan (Gladys), Matt Czuchry (Bret).
Start: 15.8. 2002 (D).