Schon Ende der 20er Jahre begann Wilders Karriere als
Drehbuchautor, u.a. 1931 für die Kästner-Verfilmung »Emil und
die Detektive« (1931). Bekannt wurde er aber vor allem durch seine Filme
»Das verlorene Wochenende« (1945, mir Ray Milland), »Zeugin der Anklage« (1958, mit Marlene Dietrich und Charles Laughton)
und seine Komödien »Manche mögen’s heiß« (1959, mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon, Tony
Curtis), »Das Appartement« (1960) und zuletzt »Buddy, Buddy«
(1981, mit Jack Lemmon, Walter Matthau und Klaus Kinski).
»Das Appartement« gehört zu der Sorte
dramatischer Komödien, oder soll man sagen komödiantischer Dramen,
die auf den ersten Blick sehr leicht und fast beschwingt von den Problemen und
Schwächen von Menschen in der Großstadt erzählen.
Der schon fast grenzenlos gutmütige C.C. Baxter
(Jack Lemmon) ist Sachbearbeiter in der Prämienabteilung der New Yorker
Versicherungsgesellschaft »Consolidated«, Single und bewohnt ein
hübsches Appartement. Sein Leben verläuft in ruhigen Bahnen; ein Tag
gleicht dem anderen. Doch irgendwann hat Baxter, von dem alle Kollegen wissen,
dass er allein lebt, sein Appartement einem von ihnen stundenweise für
ein Schäferstündchen zur Verfügung gestellt. In Baxters Leben kommt Bewegung; denn diese Gefälligkeit
hat sich im Eiltempo bei allen verheirateten Männern in der Versicherung
herumgesprochen.
Von da an wird Baxters Appartement mehr oder weniger
zu einem Stundenhotel. Die Ehemänner und deren Geliebte geben sich die
Klinke in die Hand – bis hinauf zu Personalchef Sheldrake (Fred MacMurray),
der für seine Liaison mit der Fahrstuhlführerin Fran Kubelik (Shirley
MacLaine) Baxters Wohnung in Anspruch nimmt.
So muss sich C.C abends in Bars oder sonst wo herumtreiben,
manchmal auch im Freien auf einer Parkbank nächtigen. Folgen: Chronischer
Schnupfen, lobendes Schulterklopfen und eine Beförderung bei »Consolidated«.
Eigentlich geht ihm das alles über die Hutschnur, doch Baxter ist unfähig,
dem Treiben ein Ende zu bereiten.
Als dann am Weihnachtsabend Fran in C.C.’s Appartement
versucht, sich mit Schlaftabletten umzubringen, weil Sheldrake sich nie von
seiner Frau trennen würde und Fran für ihn immer nur das fünfte
Rad am Wagen, eine stundenweise Geliebte, bleiben würde, rettet ihr Baxter
das Leben …
Es ist nicht von ungefähr, dass Wilder eine Versicherungsgesellschaft,
ausgerechnet auch noch mit dem Namen »Consolidated«, zum Verbindungsglied
seiner Figuren in diesem Film gemacht hat. Man versichert gegen die Risiken
des Lebens, gegen alle Unbill; das Leben wird »konsolidiert«. Das
Versprechen einer jeden Versicherung ist, Menschen behagliche Sicherheit zu
bieten. Gerade läuft im Kino eine Werbung der Volksbank unter dem Motto
»Die Bank fürs Leben«. Doch alle – die Versicherer wie die
Versicherten – wissen letztlich, dass es solche Sicherheit nicht gibt. Die Werbung
gaukelt etwas vor und jeder weiß es.
Die Figuren in Wilders Film machen sich vor allem selbst
etwas vor: Die verheirateten Männer sind unfähig, wirklich zu lieben,
betrügen ihren Frauen und ihre Geliebten, allen voran Personalchef Sheldrake.
Fran bildet sich ein, J.D. würde sie wirklich lieben, und verspricht sich
ein Leben mit Sheldrake, in dem Heimlichkeiten endlich aufhören. Baxter
ergeht sich in Gefälligkeiten, Gutmütigkeit und falsch verstandener
Kollegialität und Freundschaft, vielleicht auch in der klammheimlichen
Hoffnung, für seine Nachgiebigkeit das zu bekommen, was er auch erhält:
Beförderung. C.C. arbeitet in der Prämienabteilung und genauso verläuft
sein Single-Dasein: Prämien bekommt er von den Kollegen, deren Lebenszweck
nur noch darin zu bestehen scheint zu betrügen: ihre Frauen und ihre Versicherten,
denen sie eine – nötige oder unnötige – Versicherung nach der anderen
aufschwatzen. Ständig suchen sie nach der Erfüllung ihres Lebens und
ergehen sich in Äußerlichkeiten und (Selbst-)Betrug.
Das Leben in New York als Tauschgeschäft: Gibt’s
Du mir, geb ich Dir, alles hinter einer brüchigen Fassade von vorgetäuschter
Moral und Sicherheit. Die Geschäftsmoral ist genauso doppelbödig wie
die private. Nicht Sicherheit, Verachtung prägt die Beziehungen. Wilder
reizt dieses Spiel bis zur Groteske hin aus. Sheldrake verliert Fran. Das Appartement
wird für die Herren geschlossen. Wilder siegt am Schluss – zumindest moralisch
– über die Verlogenheit: C.C. und Fran finden zu sich selbst und zueinander,
ausgerechnet am Sylvesterabend, an dem die anderen ihre guten Vorsätze
bekunden, an die sie selbst nicht glauben.
»Das Appartement« ist bösartige, scharfe
Gesellschaftskritik, aber nicht bösartig zu seinen Figuren. Wilder gelingt
dies, indem er zwar die Fassade wegreißt, Sheldrake und die anderen jedoch
nicht als Menschen desavouiert, sondern »nur« ihr Verhalten bloßstellt.
Das Gespann Lemmon, MacMurray und MacLaine hätte
nicht besser gewählt werden können. Lemmon spielt hier, was er in
fast allen seinen Filmen, besonders mit Walter Matthau, gespielt hat: den in
sich und in der Welt um sich verlorenen Einzelgänger, der sich abmüht,
nach seinen Vorstellungen handelt, die sich als unzureichend erweisen, und doch
am Schluss irgendwie einen Sieg davonträgt: den sympathischen Loser auf
Zeit, der die Realität doch irgendwie besiegt, ohne sich selbst zu vergewaltigen;
den Verlorenen, der genug innere Kraft besitzt, sich zu verändern und gleichzeitig
zu bleiben, wer er ist.
»Das Appartement« ist auch heute noch eine
der sehenswertesten Komödien der Filmgeschichte. Wilder
treibt seine Moralkritik fast bis zum Exzess, aber eben nur fast. Der Film endet
nicht mit einem vernichtenden Sieg über die in ihrem Verhalten bloßgestellten
Figuren, also als Sieg eines Moralapostels, sondern in einer beinahe freundschaftlichen
Geste.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen bei CIAO.de
Zu
diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Das
Appartement
The
Apartment. USA 1960. R: Billy Wilder. B: Billy Wilder, I.A.L. Diamond. K: Joseph
LaShelle. S:
Daniel Mandell. M: Adolph Deutsch. P:
The Mirisch Corporation. D: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray
Walston, Jack Kruschen, David Lewis, Hope Holiday, Joan Shawlee u.a.- 125
Min.