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Apocalypse
Now Redux
Francis
Ford Coppolas Apocalypse
Now
gehört längst zu den grossen Klassikern des Films, die Geschichte
seiner Entstehung ist schon zur Legende geworden (und ist das Thema das hervorragenden
Dokumentarfilmes Hearts
of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse).
Am Fernsehen wird der Film deshalb auch mit schöner Regelmäßigkeit
immer wieder gezeigt. Auch ich habe den Film schon mehrmals gesehen, doch erst
anlässlich des diesjährigen Philip Morris Open Air Kinos (dessen Programm
ansonsten ziemlich penibel war), hatte ich die Gelegenheit Coppolas Vietnamepos
auf einer großen Leinwand zu sehen, Grund genug für eine Würdigung.
Saigon,
Ende der sechziger Jahre, Captain Willard (Martin Sheen) vegetiert stockbesoffen
in einem düsteren Hotelzimmer vor sich hin. Er wartet auf einen Auftrag,
er muss zurück in den Dschungel. Ein normales Leben in der Heimat ist für
Willard nicht mehr möglich, seine Ehe ist bei seiner ersten Rückkehr
in die Zivilisation zu Bruch gegangen.
Willard
bekommt den ersehnten Auftrag, und was für einen. Er soll Colonel Kurtz
(Marlon Brando), einen hochdekorierten Elitesoldaten finden und liquidieren.
Kurtz, ein kultivierter und gebildeter Mann, dem eine Traumkarriere beim Militär
bevorstand, hat sich mit seiner Einheit nach Kambodscha abgesetzt und führt
dort einen unmenschlichen und jeder Logik entbehrenden Privatkrieg. Gemeinsam
mit ein paar Mann fährt Willard auf einem kleinen Patrouillenboot Richtung
kambodschanische Grenze. Die Fahrt führt ihm den Krieg, den Amerika führt,
in all seiner Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit vor. Oberst Kilgore (Robert
Duvall), der ihm lediglich Begleitschutz geben sollte, lässt mit seiner
Helikopterstaffel ein ganzes Dorf in Schutt und Asche legen, nur um surfen zu
können. Ein Versorgungsposten, auf den Willard trifft, wird zur Unterhaltung
der Truppe per Hubschrauber mit Playboy-Bunnies beliefert. Bei der Routinekontrolle
einer vietnamesischen Dschunke drehen zwei von Willards Männern durch und
töten die ganze Besatzung. Die Soldaten des letzten amerikanischen Posten,
auf den das Boot trifft, sind bis obenhin mit Drogen vollgepumpt, der Kommandant
ist unauffindbar.
In
Kurtz’ Stützpunkt, einer alten Tempelstadt, findet der Irrsinn seinen Höhepunkt.
Hinter Kurtz’ Handelungen ist keinerlei Logik mehr sichtbar. Dennoch ist Willard
von Kurtz fasziniert, dessen Monologe faszinieren ihn, er droht ihm zu erliegen.
Während eines Festes der Eingeborenen metzelt Willard Kurtz mit einer Machete
brutal nieder. Vor dem Hintergrund der brennenden Stadt fährt Willard mit
seinem Boot davon.
Apocalypse
Now
ist eine sehr freie Adapation des Romans Heart
of Darkness
von Joseph Conrad. Bei Conrad ist Kurtz Angestellter einer Handelsgesellschaft,
der im Busch von Afrika mit unmenschlichen Methoden das Elfenbeingeschäft
betreibt und den dunklen Religionen der Eingeborenen verfallen ist. Die Idee,
Conrads Geschichte nach Vietnam zu transportieren, hatte Coppola bereits in
den Sechzigern. Ursprünglich sollte George Lucas den Film in Vietnam drehen.
Doch aus verschiedenen Gründen kam der Film nicht zu Stande – zu Lucas’
Glück, er wäre damals direkt in die Ted-Offensive geraten. Nach dem
riesigen Erfolg mit den beiden Teilen des Paten hatte Coppola 1976 genug Geld
und Einfluss, um den Film selbst zu drehen. Unter vollkommen verrückten
Bedingungen drehte er über zweihundert Tage lang in den Philippinen und
schuf den bis anhin teuersten Film aller Zeiten.
Man
könnte an Apocalypse
Now
manches kritisieren, zum Beispiel, dass er den Krieg in einem noch nicht gesehenen
Masse ästhetisiert und mystifiziert, dass er an manchen Stellen unrealistisch
ist, den politischen Hintergrund des Krieges völlig ausblendet und nie
wirklich eindeutig Stellung bezieht. Doch alle diese Vorwürfe treffen nicht
den Punkt, der Film lässt sie abprallen. Apocalypse
Now
will den Vietnamkrieg nicht moralisierend erklären, sondern ein Porträt
des Wahnsinns liefern. Krieg – im allgemeinen, nicht nur der Vietnamkonflikt
– ist für Coppoloa ein Zustand jenseits jeglicher Rationalität und
Menschlichkeit. Der durchgedrehte Kurtz, der die menschliche Moral hinter sich
gelassen hat, ist nur der konsequenteste Vertreter der Logik des Krieges. Willards
Bootsfahrt ins Herz der Finsternis ist symbolisch auch eine Fahrt an und über
die Grenzen der Humanität.
Der
Zuschauer soll den Irrsinn des Krieges nicht rational erfassen, sondern in physisch
miterleben. Dafür bietet Coppola alles auf, was die Trickkiste des Kinos
zu bieten hat, zweieinhalb Stunden lang ist der Zuschauer einem regelrechten
audiovisuellen Bombardement ausgeliefert. Viele Szenen des Films bleiben unvergesslich,
der Angriff der Helikopter zu Wagners Walkürenritts oder der brennende
Urwald zu den Klängen der Doors etwa.
„Mein
Film handelt nicht von Vietnam. Er ist Vietnam.” So übertrieben dieses
Zitat Coppolas auf den ersten Blick scheinen mag, es trifft den Charakter des
Films. Maßlos, arrogant, mythisch, opernhaft, selbstverliebt, verrückt,
so führten die Amerikaner ihren Krieg, und so drehte Coppola seinen Film,
den wohl eindrücklichsten Kriegsfilm überhaupt.
Nachtrag
zu Apocalypse
Now
Redux
Als
Coppola nach strapaziösen, schier endlosen Dreharbeiten aus den Philippinen
zurückkehrte, hatte er zwar Unmengen belichteten Films im Gepäck,
von einem fertigen Film war er aber noch meilenweit entfernt. Bis zum Schluss
hatte es kein fertig ausgearbeitetes Drehbuch gegeben, und die mehr als chaotischen
Verhältnisse hatten das ihre beigetragen. Das Postproduktionsteam unter
der Leitung von Walter Murch hatte nun die Aufgabe, in diesem schier untentwirrbaren
Chaos einen Film so etwas wie eine koheränte Geschichte ausfinding zu machen.
Wie nicht anders zu erwarten, zog sich diese Arbeit hin. Murch schnitt immer
neue Versionen, Coppola liess Szenen nachdrehen, und der Schriftsteller Michael
Herr erhielt den Auftrag, einen Voice Over-Kommentar zu schreiben, der der ganzen
Sache eine gewisse Struktur verleihen sollte. All diesen Bemühungen zum
Trotz wollte Apocalypse
Now
keine fertige Gestalt annehmen. Der Starttermin musste mehrfach verschoben,
und als Coppola den Film der gespannten Öffentlichkeit am Filmfestival
von Cannes präsentierte, gab es nur eine work in progress-Fassung zu sehen.
Nachdem diese Fassung aber mit dem Hauptpreis des Festivals bedacht wurde, kam
der Regisseur zur Einsicht, dass sein Film doch eine vorführbare Form erreicht
hatte, und gab ihn für den allgemeinen Verleih frei.
Apocalypse
Now,
wie wir ihn fast zwanzig Jahre lang gekannt haben, ist im Wesentlichen mit jener
in Cannes gezeigten work in progress-Fassung identisch. Doch wie bei einem Film
mit einer derart turbulenten Geschichte nicht anders zu erwarten, gab es immer
wieder Gerüchte über eine längere, endgültige Fassung. Besonderes
Interesse galt der French Plantation-Sequenz, von der im bereits erwähnten
Dokumentarfilm einige Ausschnitte zu sehen sind, die im fertigen Film aber vollständig
fehlt. In ihr trifft Willard, als letzte Station vor Kurtz’ Lager, auf eine
französische Familie, die, allen Widerständen zum Trotz, auf ihrer
Plantage ausharrt.
Mehr
als zwanzig Jahre nach der Premiere der ersten Fassung, präsentierte Coppola
2001 in Cannes dann Apocalypse
Now Redux.
Die neue Fassung ist fast eine Stunde länger und ist die wirklich endgültige.
Weitere Versionen sind laut Coppola nicht mehr zu erwarten. Im Vergleich zur
Urfassung enthält Redux
neben der besagten, knapp 25minütigen Plantagensequenz noch eine längere
Szene mit den gestrandeten Playboy-Bunnies, zusätzliche Szenen am Ende
der Helikopter-Attacke – Willard klaut Kilgore das Surfbrett – , und gegen Ende
liest Kurtz dem gefangenen Willard aus einem Time Magazine-Artikel vor und entlarvt
die Lügenkampagne der Medien.
Es
steht ausser Frage, dass Redux
Pflichtprogramm für jeden Filminteressierten ist, ob die neue Fassung aber
wirklich nötig war, ob sie die alte übertrifft, darf bezweifelt werden.
Ein erstes Problem ist die Laufzeit: Mit fast dreieinhalb Stunden Länge,
fordert Redux
den Zuschauer schon ziemlich stark. Dies vor allem deshalb, weil der Rhythmus
der Neufassung sehr unregelmäßig ist. Am meisten Kritik musste Coppola
seinerzeit für das Ende seines Films einstecken. In Kurtz’ Lager geschieht
nur noch sehr wenig, ist in vielen Szenen nur Brando zu sehen, der im Halbdunkel
vor sich hinnuschelt. Aber auch wenn hier der Plot ein wenig zerfasert, sind
diese ruhigen Szenen eine regelrechte Entspannung nach dem vorangegangenen cineastischen
Overkill. Man ist als Zuschauer gar nicht so unglücklich, dass für
einen Moment nicht mehr so viel geschieht. In der Neufassung ist nun aber die
ebenfalls sehr ruhig gehaltene Plantagensequenz eingeschoben, so dass nun fast
eine Stunde lang Dialoge dominieren. Das ist doch etwas starker Tobak, wenn
man ohnehin schon über zwei Stunden im Kino sitzt; unruhiges Sesselrutschen
ist beinahe unvermeidlich.
Die
Hauptkritik, die sich Redux
aber gefallen lassen muss, ist, dass die Neufassung zwar vielleicht kompletter
ist, aber letztlich kaum Szenen enthält, die den Film wirklich aufwerten.
Dies gilt auch und gerade für die Plantagensequenz. Im Gespräch mit
dem Familienoberhaupt wird hier die gesamte Geschichte Vietnams aufgerollt.
Wir erfahren, wo die Ursprünge des Konflikts liegen, wie die Franzosen
ihre Kolonie an die Aufständischen verloren haben und weshalb die USA für
sie in die Bresche gesprungen sind, nachdem Roosevelt ursprünglich die
Freiheitskämpfer um Ho Chi-Minh unterstütz hatte. Das ist historisch
interessant und eröffnet aufschlussreiche Parallelen zur aktuellen US-Aussenpolitik,
passt aber eigentlich überhaupt nicht zum Rest des Films. Was man an Apocalypse
Now
bei Erscheinen oft kritisiert hatte – der fehlende politische Hintergrund, die
fast vollständige Ahistorizität –, hat sich im Nachhinein nämlich
als seine grosse Stärke erwiesen: Apocalypse
Now
ist kein Film über Vietnam, sondern ein filmisches Porträt des Wahnsinns,
und genau das macht ihn zu einem zeitlosen Meisterwerk, das die Zuschauer auch
dann noch bewegen wird, wenn der Vietnamkrieg längst vergessen ist. Die
nun eingefügte, ein bisschen zu didaktische Sequenz erdet den Film nun
aber gewissermassen und nimmt ihm damit viel von seiner ursprünglichen
Qualität. Und der zweite Teil der Plantagensequenz, in der Willard mit
der verwitweten Roxanne (Aurore Clément) schläft, ist schlicht und
ergreifend Kitsch; vielleicht auf hohem Niveau, aber dennoch Kitsch.
Natürlich
ist Redux
kein schlechter Film, er ist aber sicher nicht besser als die erste Fassung.
Die wirklich überwältigenden Szenen, jene, die sich dem Zuschauer
für immer ins Gedächtnis einbrennen, in denen die irre Fratze des
Kriegs für einige kurze Momente sichtbar wird, waren alle schon in der
ursprünglichen Version enthalten.
Simon
Spiegel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: www.simifilm.ch
Zu diesem Film gibt’s im
archiv der filmzentrale mehrere Texte
Apocalypse Now
APOCALYPSE NOW
USA – 1976-79 – 153 min. – Scope
Erstaufführung: 4.10.1979
Produktion: Francis Ford Coppola
Regie: Francis Ford Coppola
Buch: Francis Ford Coppola, John Milius
Vorlage: nach Motiven eines Romans von Joseph Conrad
Kamera: Vittorio Storaro
Musik: Carmine Coppola, Francis Ford Coppola
Schnitt: Richard Marks
Darsteller:
Martin Sheen (Willard)
Marlon Brando (Colonel Kurz)
Robert Duvall (Kilgore)
Dennis Hopper (Fotograf)
Frederic Forrest (Chef)
Samuel Bottoms (Lance)
Laurence Fishburne (Clean
Apocalypse Now Redux
USA 2001 – Regie: Francis Ford Coppola – Darsteller: Marlon Brando,
Robert Duvall, Martin Sheen, Frederic Forrest, Albert Hall, Sam Bottoms, Laurence
Fishburne, Dennis Hopper, Harrison Ford, Christian Marquand, Aurore Clément,
Jerry Ziesmer – Länge: 203 min. – Start: 18.10.2001
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