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Angst
(1983)
Angst
ist der glückliche Fall einer DVD-Veröffentlichung, die ein bislang
weitgehend in Vergessenheit geratenes Meisterwerk schlagartig in die Filmgeschichte
einsortiert. Der österreichische Regisseur (und heutige Werbefachmann)
Gerard Kargl inszenierte diesen höchst intensiven Serienkillerfilm 1983
weitgehend aus eigener Tasche und verschuldete sich damit auf Jahre hin. Dieses
Herzblut, diese Leidenschaft, dieses unbedingte Festhalten an der eigenen Vision
spürt man Angst in jedem Moment ab. Angst ist sicherlich einer der gewagtesten, radikalsten
und beeindruckendsten Versuche, sich dem Topos wie der Figur des Serienkillers
maximal anzunähern – bis hin zur Grenze der Erträglichkeit. 1994 wurde
der Film auf einem britischen Festival in einem Double Feature mit Jörg
Buttgereits nicht minder genialem, wenn auch 10 Jahre später entstandenen
Schramm programmiert; seitdem ist der damals zurecht tief beeindruckte Berliner
Undergroundregisseur in der Mission unterwegs, Kargls Film in Erinnerung zu
rufen. Nun endlich besteht dazu mit der von epiX veröffentlichten DVD Gelegenheit.
Der Film wird ganz durch die Figur des namenlos bleibenden
Killers (gespielt von Erwin Leder, der in Das Boot ‘Das Gespenst" gab)
strukturiert – er ist die unmittelbare Instanz, durch seine Augen, seine Präsenz
staffelt sich der fast ausschließlich in Echtzeit inszenierte Film. Anfangs
wird er aus dem Knast entlassen, vor Jahren hatte er seine Mutter ermordet.
Kaum auf freiem Fuße, macht er sich auf die Suche nach seinen nächsten
Opfern, denn das Zuchthaus mag, wie er sagt, dazu da sein, Menschen zu bessern,
doch den Drang, Menschen zu quälen, habe es ihm nicht austreiben können.
Noch in der selben Nacht wird ein abgeschieden gelegenes Anwesen zum Schauplatz
einer blutigen Tragödie …
Angst
zeigt keinen sardonischen Serienkiller, keinen de Sade’schen Philosophen, auch
keinen nachts souverän durch Großstadtstraßen flanierenden
Dandy, seine Figur wird kaum als pathologische Psychopathen-Abziehfolie geschildert
und er ist auch kein popkompatibler Rächer des Puritanismus, wie man ihn
aus US-Slashern der frühen 80er kennt. Es gibt keinen Masterplan, kein
durchdachtes Vorgehen, nur den gehetzten Drang und dann schließlich den
Rausch der Gewalt selbst, der doch nichts anderes ist als nackte, gehetzte Angst.
Immer ist da der kongenial geschriebene und eingelesene Voiceover, der uns direkt
in die Welt dieses Menschen holt, der nichts erläutert, nichts rechtfertigt,
nur reflektiert und Emotionen schildert – dies allerdings in Form einer literarisierten
Distanziertheit, die im Kontrast zu den eruptiven Bildern steht und einen oft
genug erschaudern lässt.
Die hochgradig präzise Kameraarbeit – die das
widerwärtig detailfreudige Close-Up wie die panoramahafte Totale gleichermaßen
für die Effizienz des Films und sein Projekt zu nutzen weiß – tut
ihr übriges, um uns ganz dicht an diese Figur zu führen und verleiht
dem Film eine Wertigkeit, die anderen Beiträgen des Subgenres völlig
abgeht. Hinzu kommt eine Soundstruktur, die das "Ohr des Films" immer
dicht am Körper des Protagonisten verortet, selbst noch in der distanziertesten
Aufnahme von einem schwindelerregend hohen Kran aus; und die wabernd sich steigernde
Synthie-Musik weist geradezu hypnotische Qualitäten auf. In dieser genau
in sich austarierten Anordnung der Formmittel findet nun Erwin Leder die Möglichkeit,
sein expressives Spiel ganz auszureizen und dem Killer eine ungeahnte physische
Präsenz zu verleihen. Selten hat man einen Schauspieler die unterschiedlichen
Zustandsformen von Rausch, Sadismus, Gehetztheit und schierer Panik und das
Hinübergleiten von einem Zustand in den nächsten besser darstellen
sehen als hier.
Angst
verweigert sich einer moralischen Positionierung, es gibt keine ermittelnde
Instanz und keine vollständig befriedigende Erklärung, die ihrerseits
nur Distanzierung ermöglichen würde. Angst ist ganz Anordnung, ganz experimentives Feld, in
dem über den gezielten Einsatz der Formmittel der Zuschauer direkt affiziert
und emphatisiert wird. Seine Haltung nähert sich dabei selten, ja fast
nie dem Exploitativen an, sehr zu seinem Gewinn. Angst ist ernst gemeint, als Beitrag einer Kunst, die
anhand ihrer Ästhetik Extremzustände erfahrbar machen will, und in
jedem Moment hochkonzentriert. Darin ist er nichts anderes als meisterlich und
eine echte Empfehlung wert.
Thomas Groh
Dieser Text ist
zuerst erschienen im:
Angst
Österreich
1983
Regie:
Gerald Kargl
Drehbuch:
Gerald Kargl, Zbigniew Rybczynski
Kamera:
Zbigniew Rybczynski
Musik:
Klaus Schulze
Darsteller: Erwin Leder, Rudolf Götz, Silvia Rabenreither, Edith Rosset
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