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American Psycho

 

Rot und Weiß

 

Mary Harrons Verfilmung von Bret Easton Ellis’ Roman

 

Im ersten Augenblick strahlt die Leinwand so schneeweiß, wie noch nie am Beginn eines Films. Reine Unschuld. Ausgerechnet hier, wo selbst diejenigen, die Bret Easton Ellis‘ Roman "American Psycho" nur vom Hörensagen kennen, das Kino kaum ohne flaues Vorgefühl betreten werden. Gerade wenn es gelingen sollte, soviel weiß man vorher, wird und muß es eine Zumutung sein.

 

Dann flüssiges Rot. Noch strahlender auf dem weißen Hintergrund. Blutstropfen natürlich. Oder? Wie sich jetzt alles in Sekundenschnelle ereignet, Kopfbilder und Assoziationen, Lektüre-Erinnerungen und Vorahnungen etwaiger Gemütsproben zum Bewußtseinsstrom verdichtet, ironisch in die kalte Reinheit eines Nouvelle Cuisine-Tableaus auflösen, ist ein bewunderungswürdiger Auftakt.

 

Am eigenen Leib erfährt der Zuschauer hier schon alles über eine Geschichte, in der auch im Folgenden Träume, Phantasien, Vorgestelltes und die Verflüssigung der inneren Gewissheiten, ihre Auflösung in den Objekten das Thema sind.

 

Die meisten Bücher sind unverfilmbar, besonders gute, die erst recht. Ellis’ Roman macht es besonders schwer. Wer ihn gelesen hat, kann und will sich eine Verfilmung kaum vorstellen. Dies nicht nur, weil es sich um eines der Bücher des Jahrzehnts handelt, nicht weniger einflußreich und nicht weniger generationsbildend als vor vier Jahrzehnten Kerouac‘s "On the Road". Das Problem besteht vielmehr in Ellis’ Stil und – in seinen Themen. Denn natürlich ist "American Psycho" alles Mögliche mehr, als nur eine weitere Serienkillerstory. Mehr noch lebt das Buch von der Beschreibung eines Milieus und seiner Epoche, der inneren Verschmelzung von einem historischen Ort – dem Manhattan der Yuppie-Ära vor dem 87er-Crash – und den Menschen, die ihn bevölkern. Darin ist es zugleich ein Panorama jener Zeit, an die wir alle uns noch so gut erinnern können, und die gerade so weit zurückliegt, daß man fast glauben möchte, es habe sich gar nichts geändert seit damals.

 

Ellis ist wahrscheinlich kein zweiter Proust, aber vielleicht der Balzac unseres Zeitalters. Das hervorstechendste Merkmal seines Buches ist die Präzision der Beschreibung. Selbst die Psychologien der Figuren werden hier durch genaue Schilderung der sie umgebenden Objekte, durch Spiegelung ihres eigenen Fetischismus entwickelt.

Es handelt sich um eine Präzision der Quantität: Hauptfigur Patrick Bateman ist repräsentativ: hyperrealistisch, aber "so" nicht naturalistisch vorstellbar. Die Tatsache, daß er ein Serienmörder ist, tut dem keinen Abbruch, sie bestätigt vielmehr das Verfahren des Autors: da sich noch der bestialischste Mord in der gleichen Tonlage beschreiben läßt, wie das langweilige Diner im Luxusrestaurant, ruft er im Leser ähnliche Gefühle wach: Langeweile, Überdruß, moralische Gleichgültigkeit.

 

Die Faszination des Publikums für Bateman liegt genau darin: Daß an ihm alles gleich gültig ist, daß man begreift, daß so einer keine Kunstfigur ist: ein exquisit gekleideter Serienkiller, ein teuerst parfümierter Sadist, ein von Reinlichkeitsobessionen gequälter Mörder.

Von diesem Bateman steckt tatsächlich etwas in uns allen: ein eigentlich ganz normaler, ganz typischer Mann, der nur etwas weiter geht als der Rest.

 

Dass dieser Eindruck sich auch in Mary Harrons Verfilmung einstellt, liegt vor allem an den Akteuren: Ob Christian Bale als Patrick Bateman oder Chloë Sevigny, Reese Witherspoon, und Willem Dafoe – sie verkörpern ihre fragwürdigen Charaktere an der Grenze zum Parodistischen, aber ohne sie zu denunzieren, so daß man in ihrer Würde auch sich selbst erkennen kann.

 

Was tun mit solch einem Stoff? Harron weicht vielem aus; und das ist klug. Sie verläßt sich ganz auf Atmosphärisches, genauer: auf die Abstraktion der Atmosphäre. Sie zeigt idealtypische Räume, Personen, Situationen. In diesem Verzicht auf Naturalismus ahmt sie genau das Verfahren des Romans nach: Die präzise Darstellung der Wirklichkeit, durch deren kontrollierte Überbietung.

So gelingt ihr das Kunststück, eben von der Ambivalenz zu erzählen, die Thema ist: dem – nur scheinbar paradoxen – Nebeneinander von Normalität und Wahnsinn.

 

AMERICAN PSYCHO ist ein Film über einen Serienkiller, aber kein Serienkiller-Film geworden. Auf Suspense setzt Harron nicht, vielmehr wird damit gespielt, dass man das Buch kennt, dass man weiß, dass Bateman ein Killer ist, und dass er nicht erwischt werden wird, schließlich, dass man die 80er Jahre kennt. Keine Mainstream-Konzessionen.

In klinischer Kälte zeigt der Film moralische Korruption, Gier, Konsumfetischismus. Statt eines Thrillers oder einer Psychostudie entstand so eine düstere Komödie, die es vermeidet, allzuviel Gewalt zu zeigen. Gelegentlich fühlt man sich an Kubricks A CLOCKWORK ORANGE erinnert, doch der Ton bleibt ein ganz eigener.

Zu vielem hätte man diese Vorlage verarbeiten können; Mary Harron verzichtetete auf die Hüllen und griff nach dem Kern.

 

 

Rüdiger Suchsland

 

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:artechock

Zu diesem Film gibt es im archiv mehrere Kritiken

 

American Psycho

USA/CAN 2000 – 102 Minuten  

Regie: Mary Harron

Drehbuch: Mary Harron, Guinevere Turner

Kamera: Andrzej Sekula

Darsteller: Christian Bale, Willem Dafoe, Jared Leto, Samantha Mathis u.a.

 

 

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