zur
startseite
zum
archiv
American
Dreamz
Die Folter und
das Erdbeersorbet
Im Prinzip haben
wir doch die ganze Zeit gewusst, dass Hugh Grant ein Schwein ist. Charmant,
sicher, aber eben auch ein Schwein. Bedingt sich ja auch irgendwie gegenseitig:
Irgendwann wurde er derartig ekelhaft charmant, dass er sich darauf was einbildete,
und schon wirkte er wie ein Schwein, was ihn dann wieder seltsam attraktiv und
charmant machte. Und die Tatsache, dass er sich im realen Leben ekelhafte Eskapaden
leistet, macht ihn auf der Leinwand auch nur noch charmanter. Oder so.
Auf jeden Fall
hat niemand diese Dynamik besser verstanden und zu nutzen gewusst als die Weitz-Brüder,
die nach ihrem Teenie-Klamauk "American Pie" mit Hilfe von Grant und
dessen liebenswert-ekelhaften Eskapaden in „About
A Boy“
tatsächlich zur eindrucksvollen Darstellung ernsthafter Emotionen und glaubhafter
Tragik gefunden haben – wie jeder weiß, sind das die beiden Hauptingredienzien
für eine gute Komödie.
Mit „American
Dreamz“ nun wird das Regie-Duo erst mal alle Zuschauer verwirren. Wer von der
neuen Wahrhaftigkeit von „About A Boy“ beeindruckt war, wird mit einigen schweren
Vorschlaghammer-Klischees und Scherenschnitt-Charakteren konfrontiert. Wer aber
eine belanglose Showbiz-Komödie erwartet hat, wird sich angesichts der
aufgereihten Absurditäten die Augen reiben, bis sie rot sind. Kleine Inhaltsangabe
gefällig? In einem arabischen Trainingscamp, wo man untereinander in gebrochenem
Englisch parliert und mit Vorliebe amerikanische Soap Operas auf dem Taschenfernseher
glotzt, wird ein Möchtegernterrorist wegen seiner Vorliebe für schmalzige
Broadway-Melodien und seiner generellen Unfähigkeit als Pseudo-Selbstmordattentäter
in die USA abgeschoben. In Ohio bereitet sich eine ultra-intrigante White-Trash-Zicke
auf ihren großen Auftritt in einer Casting-Show vor, deren Moderator inzwischen
im generellen Welt- und Selbsthass versinkt und nebenbei einen orthodox-jüdischen
Rapper als Werbegag promotet. Der extrem belämmerte Präsident der
USA unterdessen begeht eines Morgens den folgenschweren Fehler, tatsächlich
eine Zeitung zu lesen, wobei er derart viele spannende Sachverhalte entdeckt,
dass er tagelang nicht mehr mit dem Lesen aufhört und schließlich
von seiner texanischen Mutterersatz-Frau und seinem onkelhaften Berater mit
Medikamenten ruhig gestellt werden muss. Und am Ende werden sich alle begegnen
und ziemlich viel Zeug wird in die Luft fliegen.
Der geneigte
Spezialist erkennt sofort: Das wäre eine klasse Vorlage für eine halbstündige
Folge „South Park“. Aber für einen zweistündigen Spielfilm?
Die Brüder
Weitz haben es versucht – und sind gescheitert. Der Wille zur politischen Auseinandersetzung
überrascht positiv, und auf dem Weg pflücken Drehbuch und Regie einige
unterhaltsame Momente auf. Aber sie kriegen das Projekt einfach nicht aus seinem
emotionalen Schlingerkurs auf eine Richtung stabilisiert. Denn natürlich
streuen die Regie-Brüder wieder Momente der Einsamkeit und des Mitleids
ein, die uns beispielsweise den arabischen Attentats-Idioten oder Grants schmierigen
Midas-Verschnitt näher bringen sollen. Dabei wird leider vergessen, dass
eben diese Charaktere wie ferngesteuerte Abziehbildchen ihrer eigenen Klischees
durch eine wahrlich hanebüchene Handlung stolpern und in keiner Sekunde
des Films dem Kriterium des Realismus, geschweige denn der Identifikationsfähigkeit
genügen. Stellvertretend für das verwirrende Durcheinander ist natürlich
wieder Grant, der seine Ekelhaftigkeit als Dieter-Bohlen-Verschnitt sogar noch
überdreht und deswegen in den emotionalen Momenten nicht mehr herumreißen
kann. Die so emotional übersäuerte Satire ist zwar immer noch reichlich
radikal, findet aber nichts wirklich Originelles zu sagen: Ein arabischer Terrorist,
der den Spitznamen „Der Folterer" trägt, eine Vorliebe für Erdbeersorbets
pflegt und ein Fan amerikanischer TV-Stars ist, das ist weniger das satirische
Skalpell als der humoristische Holzhammer.
Wer den Film
trotzdem für eine beißende Satire hält, der sollte sich vor
Augen halten, dass nicht nur besagter jüdischer Rapper mit Kipa, Gebetsriemen
und orthodoxer Lockenpracht längst von der Realität eingeholt wurde
(in Gestalt des New Yorker Chart-Stürmers Matisyahu). Nichts lässt
eine Satire so sehr einschrumpfen wie der Verdacht, dass der Alltag schon längst
viel unterhaltsamer ist.
Daniel Bickermann
American
Dreamz
USA 2006. R: Paul Weitz, Chris Weitz. B: Paul Weitz.
K: Robert Elswit. S: Myron Kerstein. M: Craig Eastman, Joe Lervold u.a.
P: Universal Pictures, Depth of Field Productions. D: Hugh Grant, Dennis Quaid,
Mandy Moore, Willem
Dafoe u.a. 107 Min. UIP ab 15.6.06
zur
startseite
zum
archiv