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über Eva
Von Margo zu Eve
bis Phoebe
"And
she’ll tease you
She’ll unease
you
All the better just
to please you
She’s precocious
And she knows
just what it
Takes to
make a pro blush
She got
Greta Garbo
Stand off
sighs, she’s got
Bette Davis
eyes."
(Kim Carnes:
Bette Davis Eyes)
Vorhang auf. Ein älterer Schauspieler hält
eine Festrede. Ein Preis der Sarah Siddons Gesellschaft soll der Theaterschauspielerin
Eve Harrington (Anne Baxter) verliehen werden. Schon in dieser ersten Szene
des 1950 von Joseph Mankiewicz inszenierten Films wird die gespannte Atmosphäre
spürbar, die sich hinter den Gesichtern der anwesenden Schauspieler, Regisseure,
Drehbuchautoren usw. verbirgt. Die Gesichter demonstrieren den Widerspruch zwischen
der öffentlich zur Schau gestellten Feierlichkeit und den Intrigen, Machtkämpfen
und Feindseligkeiten, die zu dieser Situation geführt haben. Mankiewicz
stellt uns in dieser ersten Sequenz des Films alle wesentlichen Beteiligten
vor. Die Preisträgerin Eve, die etwa 40 Jahre alte Schauspielerin und langjährige
Königin der New Yorker Theaterszene Margo Channing (Bette Davis), ihren
Lebensgefährten, den Regisseur Bill Sampson (Gary Merrill), Margos beste
Freundin Karen Richards (Celeste Holm), deren Ehemann, den Drehbuchautor Lloyd
(Hugh Marlowe), den Theaterdirektor Max Fabian (Gregory Ratoff) und last but
not least den Theaterkritiker Addison de Witt (George Sanders). Mankiewicz erzählt
die Geschichte von Margo und Eve, erzählt mittels der Erinnerungen und
Gedanken, die den Beteiligten während der Preisverleihung durch den Kopf
gehen, wie es zu dieser doch scheinbar so feierlichen Situation gekommen ist.
Mit sechs Oscars sowie weiteren acht Nominierungen
wurde der Film 1951 ausgezeichnet. Im selben Jahr erhielt Billy Wilders "Sunset Boulevard", ein Film zum gleichen Thema, drei Oscars
und acht Nominierungen. Beide Filme handeln von der Skrupellosigkeit des Theater-
respektive Filmgeschäfts, von den Intrigen und der Unmenschlichkeit hinter
den Kulissen.
Margo Channing ist der Star an den New Yorker Bühnen,
ein bisschen glamourös, ein bisschen arrogant, ein bisschen herzlich, ein
bisschen egoistisch – und talentiert. Und so spielt Bette Davis diese Rolle
auch: in der ihr eigenen, leicht zynischen, oft komischen und eben auch und
vor allem tragischen Art. Die Aktrice, damals 42 Jahre alt, also in einem Alter,
in dem für viele Schauspielerinnen jugendhafte Rollen nicht mehr oder bald
nicht mehr zu spielen waren, war selbst in der Situation einer Frau, die zunehmend
um Rollen kämpfen musste, auch wenn es für sie vielleicht leichter
war als für andere. Anfang der 60er Jahre drehte sie ihre letzten wirklich
großen Filme: "Was
geschah wirklich mit Baby Jane?"
(1962) und Robert Aldrichs "Wiegenlied für eine Leiche" (1964).
Eines Tages stellt Karen Richards Margo eine junge,
schüchtern wirkende Frau vor, die jede Vorstellung des aktuellen Theaterstücks,
in dem Margo die Hauptrolle spielt, gesehen hat – ein absoluter, wenn auch nicht
fanatischer oder besessener Fan der Margo Channing, die Gefallen an der jungen
Frau findet und sich mit Tränen in den Augen ihre bittere Lebensgeschichte
anhört. Gegen den Willen von Birdie, die sich bislang allein um Margo,
ihre Garderobe usw. kümmerte, engagiert Margo Eve, die junge Frau, als
Sekretärin, eigentlich als Mädchen für alles. Und Eve kümmert
sich um alles perfekt. Sie bringt Ordnung in den Teil des Lebens von Margo,
der nicht direkt mit dem Theater zu tun hat.
Als Birdie nach einer gewissen Zeit Margo allerdings
offen erklärt, Eve kümmere sich nicht nur um sie, sondern beobachte
sie auf Schritt und Tritt, bei allem, was sie mache, wie sie sich verhalte usw.,
kommen Margo erste, wenn auch unbestimmte Zweifel an Eve. Auf einer Party zu
Bills Geburtstag betrinkt sich Margo, weil offenbar alle nur Eve sehen, sie
für unschuldig, sympathisch und fast unfehlbar halten.
Und jetzt passiert etwas, was für den weiteren
Verlauf der Handlung entscheidend ist: Eve bittet Karen, die der jungen Frau
ebenfalls vertraut, um eine Rolle am Theater, aber nicht um irgendeine, sondern
um die zweite Besetzung für Margos Rolle. Eve erklärt, sie sei dafür
besonders geeignet, weil sie die Rolle in- und auswendig kenne und das Spiel
Margos genauestens beobachtet habe. Bill als Regisseur und Max als Theaterdirektor
lassen Eve vorsprechen. Und als Margo zu spät zur Probe erscheint und von
dem Theaterkritiker Addison erfährt, was geschehen ist, kommt es zum Eklat.
Margo macht eine Szene und wenig später publiziert Addison de Witt einen
Artikel, in dem er den ersten Auftritt Eves als zweite Besetzung für die
abwesende Margo in höchsten Tönen lobt und andererseits von ältlichen
Schauspielerinnen schreibt, die ohne Grund immer wieder die besten Rollen bekommen
würden.
Während Eve Lloyd bittet, ihr die Hauptrolle
in seinem nächsten Stück zu geben und versucht, allerdings ohne jeden
Erfolg, sich an Margos Geliebten Bill heranzumachen, spielt Addison De Witt
sein eigenes Spielchen. Er will Eve um jeden Preis zu seiner Geliebten machen …
"Du bist eine unglaubliche Person,
Eve, genau wie ich. Das haben wir
gemeinsam. Außerdem verachten
wir das Menschliche, sind unfähig
zu lieben und uns lieben zu lassen,
sind krankhaft ehrgeizig und
talentiert. Wir verdienen einander."
(De Witt zu Eve Harrington)
Mankiewicz erzeugt in "All About Eve" ein
engmaschig gestricktes Netz aus Lügen, Intrigen, Bösartigkeit und
Erpressung, das sich bis zum Schluss des Films in einer Art Zirkel vollendet:
In der letzten Szene ist es wieder eine junge Frau namens Phoebe (Barbara Bates),
die sich in die Umgebung diesmal von Eve einschleicht – und das Spielchen beginnt
von vorne.
Das Konglomerat von persönlichen und beruflichen
Beziehungen und Verflechtungen wird dabei in einer äußerst realistischen
Schilderung, in einer Art Doppelbödigkeit inszeniert: Die Feier zur Verleihung
des Preises an Eve bietet den äußeren Rahmen, die Erinnerungen der
einzelnen Beteiligten den Füllstoff, der zugleich die Sichtweise der Beteiligten
wiedergibt, und zwar homogen. Jeder weiß, was passiert ist, wenn auch
vielleicht nicht alle Einzelheiten. Dass Eves Aufstieg jedoch ein Ergebnis von
bösartigen Intrigen und auch Verletzungen ist, wissen die Hauptbeteiligten
zum Zeitpunkt der Feier alle. Dass Eves Biografie gefälscht ist, weiß
allerdings nur einer. Dass es ihr von Anfang an nur darum ging, auf Kosten von
Margo schnell Karriere zu machen und Margo zu verdrängen, wissen bald alle.
Dass dieses intrigante Verhalten nie abgestraft werden
würde, wissen auch alle. Denn: Es gehört – das zeigt der Film mehr
als deutlich – zum System "Theaterkarriere". Der- oder diejenige,
die versuchen, über die Intrige eine(n) andere(n) matt zu setzen, gehen
nur ein Risiko ein: Sie können verlieren und müssen die gut eingespielten
Strukturen des Theater- oder Filmgeschäfts dann verlassen. Ebenso ist allen
bewusst, dass der Erfolg seinen Preis hat. Eve bekommt dies zu spüren,
als de Witt sie mit ihrer wahren Vergangenheit konfrontiert und dieses Wissen
als Erpressungsmittel gegen sie einsetzt.
Nur in einer Szene kommt etwas zum Ausdruck, was
den genannten Strukturen möglicherweise entgegensteht. Als Margo mit Karen
während einer Panne im Auto spricht, sagt sie zu ihrer Freundin u.a.:
"Merkwürdige Sache, die Karriere
einer Frau. So viele Dinge wirft man
über Bord, um vorwärts zu kommen,
und vergisst, dass sie einem fehlen
werden, wenn man wieder eine Frau
werden will. Denn die Karriere, die
alle Frauen einmal machen müssen,
ist die, eine Frau zu sein. … Denn
letzten Endes interessiert dich ja
doch nur das eine: Wenn du beim
Essen aufschaust oder dich im Bett
umdrehst – dass er da ist. Wenn nicht,
bist du keine Frau. Dann bist du weiter
nicht als eine Leuchtreklame an einer
Hauswand, ein Sammelband voller
Pressenotizen. Aber du bist keine Frau.
Langsamer Vorhang. Ende."
(Margo zu Karen)
Diese Erkenntnis ist für Margo eine Art Aussicht
auf Rettung. Denn sie meint jetzt, dass sie sich auf lange Sicht dem Starrummel
entziehen muss und den Folgen der Intrige nur entkommen kann, wenn sie ihre
Beziehung mit Bill in Ordnung bringt.
In "All About Eve" verschwimmen die Grenzen
zwischen dem Drama des Lebens und dem Drama auf der Bühne. Genau diese
Differenz nutzen Eve und auch de Witt für ihre jeweiligen Interessen skrupellos
aus. Eve ist Schauspielerin, bevor sie auf der Bühne steht; de Witt wirkt
hinter der Bühne, bevor er auf den Brettern, die die Welt bedeuten, gegen
Eve losschlägt.
Am Ende, als noch einmal die Feier der Sarah Siddons
Gesellschaft eingeblendet wird, wirkt alles, was dort gesagt wird, wie Theater,
wie Schmäh, verlogen, heuchlerisch. Aber niemand steht auf und protestiert,
legt offen, zieht den Vorhang vor diesem Theater zu und verkündet der Welt,
welche Intrigen dazu geführt haben. Das Theater geht weiter, und alle akzeptieren
es, weil sie keine Alternative sehen oder sehen wollen.
"All About Eve" ist aber auch ein Beispiel
für die Geschlechterbeziehungen im Gestrüpp des Theaterdschungels,
das heißt darüber, wie Frauen glauben, an große Rollen heranzukommen.
Und als Margo erkennt, dass sie gegen Eves Intrigen auf verlorenem Posten steht,
sieht sie nur noch eine Chance für ihr weiteres Leben in der privaten Beziehung
zu Bill bzw. darin, diese Beziehung in Ordnung zu bringen – also als Ehefrau.
Dabei sind dieses Geschlechterbeziehungen durchaus komplexer, als es vielleicht
zunächst scheint. Die Männer schreiben die Drehbücher, führen
Regie und leiten das Theater. Die Frauen müssen um Rollen kämpfen.
Doch auch diese Verteilung der männlichen und weiblichen Rollen verdeckt
zum Teil, dass es eigentlich die Frauen sind, die Stars jener Zeit, in der der
Film entstand, die die Fäden ziehen und um die herum sich alles zu gruppieren
scheint. Mit "ihren" Mitteln versuchen sie, Konkurrentinnen auszuschalten,
matt zu setzen. Die Männer scheinen so auf der anderen Seite nur Zuschauer.
Dem Zynismus der Handlung und der Beteiligten entspricht
der Sarkasmus der Inszenierung. Dem System, das dahinter steckt, entsprechen
die Charaktere der Hauptbeteiligten: eine zynische Margo, eine krankhaft ehrgeizige
Eve und ein skrupelloser und gefühlloser de Witt, denen beiden jedes Mittel
recht ist, um zu ihrem jeweiligen Ziel zu kommen, ein feiger Theaterdirektor
Max, dem letztendlich alle auf der Nase herumtanzen – alle Rollen hervorragend
besetzt. Neben Bette Davis gefällt vor allem Anne Baxter, weil sie das
Wechselspiel zwischen unschuldiger junger Frau und gerissener Intrigantin nahezu
perfekt in Szene zu setzen weiß. Daneben glänzt George Sanders als
gefühlloser Schreiberling. Celeste Holm und Gary Merrill passen ebenfalls
gut ins Bild dieser neben Wilders "Sunset Boulevard" einzigartigen
Darstellung der Verhältnisse, die natürlich auch und vor allem auf
Hollywood gemünzt war. In einer Nebenrolle ist Marilyn Monroe als etwas
naive und unbegabte Möchtegernschauspielerin zu sehen, die skrupellos als
potentielle Konkurrentin ausgeschaltet wird.
D V D
Der Schwarz-Weiß-Film erschien
2002 bei 20th Century Fox Film als DVD mit einer ausgezeichneten Bildqualität
und einer guten Tonqualität, allerdings ohne nennenswerte Extras. Diese
DVD-Edition ist für 17,99 bei amazon erhältlich. Wer nicht so viel
Geld ausgeben möchte, kann auch auf die Veröffentlichung der DVD in
der Reihe der SZ-Cinemathek zurückgreifen ( 9,99).
Wertung: 10 von
10 Punkten.
Prädikat: Besonders
wertvoll.
Ulrich Behrens
Dieser Text wurde zuerst publiziert
bei: www.follow-me-now.de
Alles
über Eva
(All
About Eve)
USA
1950, 138 Minuten (DVD: 133 Minuten)
Regie:
Joseph L. Mankiewicz
Drehbuch:
Joseph L. Mankiewicz, Mary Orr
Musik:
Alfred Newman, Franz Liszt
Kamera:
Milton R. Krasner
Schnitt:
Barbara McLean
Darsteller:
Bette Davis (Margo Channing), Anne Baxter (Eve Harrington), George Sanders (Addison
de Witt), Celeste Holm (Karen Richards), Gary Merrill (Bill Sampson), Hugh Marlowe
(Lloyd Richards), Gregory Ratoff (Max Fabian), Barbara Bates (Phoebe), Marilyn
Monroe (Claudia Caswell), Thelma Ritter (Birdie Coonan)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0042192
©
Ulrich Behrens 2005
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