zur
startseite
zum
archiv
Alien
– Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt
Hinweis
zu dieser Rezension: Die Rezension widmet sich zunächst einmal dem Film
"als solchen". In einem separaten Abschnitt am Ende wird dann auf
den neuangefertigten Director’s Cut eingegangen.
Der
Film – Ein Phänomen
Das
Geschäft mit dem Grauen im Kino ist diffiziler Natur. Es gibt eine ganze
Menge Filme, die spannend sind. Manche sind auch ekelhaft und schwer zu ertragen.
Doch wirkliche Angst, das unheimliche Gefühl der Bedrohung, überträgt
sich nur selten von der Leinwand auf den Zuschauer. Diese hohe Kunst beherrschen
nur wenige Regisseure, was vielleicht daran liegt, dass "Angst" etwas
ist, das sich nicht einfach zeigen lässt. Sie entsteht erst im Kopf des
Zuschauers – darum muss der Film dem Zuschauer auch Platz zur Entwicklung eigener
Phantasie bieten.
Einer
der zweifelsohne unheimlichsten Streifen der Filmgeschichte ist "Alien".
Die Geschichte von dem außerirdischen Mordmonster, das Menschen als Brutkästen
missbraucht, war bei seiner Veröffentlichung 1979 eine Sensation – und
ein "Medienskandal" zugleich. Empörte Berichte über Zuschauer,
die im Film in Ohnmacht fielen oder den Saal aufgrund von Übelkeit verlassen
mussten schadeten dem Streifen nicht, im Gegenteil. Über Nacht machte das
britische Projekt, das die nach heutigen Maßstäben völlig lächerliche
Summe von sieben Millionen Pfund gekostet hatte, seinen Regisseur und seine
Hauptdarstellerin weltberühmt. Bislang hat "Alien" drei Fortsetzungen
und eine unüberschaubare Flut an Büchern und Comics nach sich gezogen.
Die
Grundkonstruktion der Geschichte ist ebenso simpel, wie effektiv. Der Bordcomputer
des gigantischen Raumschiffes "Nostromo" weckt unplanmäßig
die im Tiefschlaf befindliche Crew. Es wurde ein unbekannter Funkspruch aufgefangen,
dem die Besatzung nachgehen soll. Er kommt von einem unwirtlichen Planetoiden,
auf dem die Crew eine äußerst merkwürdige und unheimliche Entdeckung
macht. Das Signal stammt von einem Raumschiff, das eher gewachsen als konstruiert
wirkt. An Bord findet die Crew die versteinerten Überreste eine titanischen
Raumfahrers – und einen Raum mit seltsamen Eiern. Als Kane (John Hurt) eines
der Eier genauer untersucht, springt aus ihm ein außerirdisches Wesen
hervor, das seinen Helm durchbricht und sich im Gesicht von Kane festsaugt.
Der
sogenannte "Facehugger" ist aber erst der Auftakt für eine Katastrophe,
in deren Verlauf der größte Teil der Mannschaft des Raumschiffes
dezimiert werden soll. Das Wesen erweist sich als äußerst resistent
und lässt sich nicht operativ von Kane entfernen. Kurze Zeit später
lässt es jedoch freiwillig von seinem Wirt ab. Warum, wird schnell klar:
Kane ist nur oberflächlich genesen, der "Facehugger" hat in seinem
Körper ein Ei gelegt, und nur wenig später "schlüpft"
ein außerirdisches Lebewesen aus dem Körper von Kane. Für die
Crew beginnt ein Kampf auf Leben und Tod, der noch dadurch erschwert wird, dass
nicht die ganze Mannschaft auf einer Seite kämpft…
"Alien"
ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Film. Zunächst einmal
ist die Mixtur aus Elementen des Science-Fiction- und Horrorfilms bis dato weitgehend
unbekannt gewesen und sollte stilprägend für die nächsten Jahrzehnte
werden. Leider Gottes beschränkt sich das Feld der Nachahmer auf größtenteils
qualitativ sehr schlechte Kopien. Das mag daran liegen, dass "Alien"
eigentlich in vielerlei Hinsicht nicht den Konventionen des Horrorgenres entspricht.
Ridley Scott lässt sich für die Exposition der Handlung und der Charaktere
viel Zeit. Es herrscht zunächst ein sehr ruhiges Erzähltempo, das
nur langsam, aber unerbittlich an Tempo zunimmt. Vieles wie beispielsweise die
oftmals sehr langen Einstellungen und der sparsame, allerdings höchst effektive
Einsatz von Musik, trägt zu diesem Gesamteindruck bei. Vom Erzählmuster
her ungewöhnlich ist auch, dass es bis weit über die Hälfte der
Spieldauer des Filmes keinen klar auszumachenden Hauptdarsteller innerhalb des
weitestgehend gleichberechtigt agierenden Ensembles gibt. Dadurch, dass sich
"Alien" weigert, dem Zuschauer von Anfang an eine Identifikationsfigur
an die Hand zu geben, steigert sich das Moment der Bedrohung und der Unsicherheit
enorm. Ripley (Sigourney Weaver) "erwacht" erst im letzten Viertel
des Filmes zur Heldin der Geschichte.
Bleibt
die Frage, was es ist, das "Alien" zu einem derart verstörenden,
unheimlichen Erlebnis macht, das auch nach 25 Jahren nur wenig von seiner Eindringlichkeit
verloren hat. Sicher ist es zum Einen die Tatsache, dass Ridley Scott in diesem
Film eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er die Kunst des Andeutens versteht.
"Alien" ist einer der raren Filme, die im Kopf immer unheimlicher
werden. Eigentlich ist das namengebende Monster nur sehr selten und meistens
unvollständig zu sehen. Diese fetzenhaften Bilder sorgen dafür, dass
sich die auf der Leinwand gespielte Hysterie auf den Zuschauer übertragen
kann: Der Zuschauer ergänzt in seiner Phantasie die Puzzlestückchen,
die ihm der Film zuwirft. Selbst die zugegebenermaßen recht spektakuläre
Szene, in der das Alien aus dem Brustkorb von Kane hervorbricht ist bei genauer
Betrachtung sehr knapp und geradezu spröde inszeniert. Keine anschwellende
Musik, keine dramatische Beleuchtung und das Alien ist wieder nur für wenige
Bruchteile zu sehen. Doch gerade die Tatsache, dass hier die Katastrophe völlig
unvermittelt eintritt und dokumentatorisch-nüchtern festgehalten wird,
macht diese Szene so unheimlich.
Doch
das Unbehagen, das der Zuschauer verspürt, lässt sich nicht einfach
durch filmtechnisch kluge Inszenierungsweise erklären. Es liegt wohl darin
begründet, dass im Subtext des Filmes eine stetige Verknüpfung aus
Gewalt und Sexualmetaphorik stattfindet. "Alien" ist voll gestopft
mit sexuellen Andeutungen, sowohl auf der visuellen, als auch der Handlungsebene.
Allein das "Schlüpfen" des Aliens, das die brutale Perversion
eines normalen Geburtsvorgangs darstellt, frisst sich tief in das Bewusstsein
des Zuschauers. Es ist nicht von Ungefähr, dass sich das Alien einen Mann
"ausgesucht" hat. Die Szene dokumentiert eindrucksvoll einen Aspekt,
um den sich Sigmund Freud ganz offensichtlich stets herumgedrückt hat:
Den "Gebärmutterneid" des Mannes. Kane ist als Mann nicht fähig,
Leben zur Welt zu bringen, er gebiert nur Tod und Vernichtung – die biblische
Referenz in seiner Namensgebung (Kain) ist also nur allzu passend.
Diese
verstörende Verknüpfung von sexueller Metaphorik und Gewalt findet
ihre Entsprechung in der visuellen Umsetzung. Sicher wäre "Alien"
hier konzeptionell nicht derart radikal geraten, wenn nicht der schweizerische
Künstler H.R. Giger federführend beim visuellen Design gewesen wäre.
Giger, der in seinen surrealistischen Bildern auf bizarre Weise das Erotische
mit dem Abstoßenden vermischt, erwies sich als wahrer Glücksgriff.
Sein düsteres Design setzt in der Bildersprache den sexuell aufgeladenen
Subtext fort. Phallussymbole wie beispielsweise der seltsame "Stuhl"
mit dem der skelettierte außerirdische Raumfahrer verwachsen ist oder
natürlich die ziemlich eindeutige Kopfform des Monsters (die bezeichnenderweise
in James Camerons Fortsetzung "Aliens"
deutlich abgeschwächt wurde) wechseln sich mit Referenzen an weibliche
Geschlechtsorgane (die Eingänge des Raumschiffes, die Alieneier) ab. Stets
stehen sie in mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang zu Verfall und (gewaltsamen)
Tod.
Hier
bedient sich der Film sehr geschickt des gerade in der westlichen Gesellschaft
immer noch sehr zwiespältigen Verhältnisses zur Sexualität. Denn
alle Aufklärung und vermeintliche "Sittenlockerung" hat nichts
daran geändert, dass im kollektiven Bewusstsein der Gedanke tief verankert
ist, dass "die schönste Sache der Welt" schmutzig und mit dem
Makel des unkontrollierten fleischlichen Triebes behaftet ist. "Alien"
nährt durch seine Verbindung von Sexualmetaphern mit Tod und Vernichtung
diese Ängste. Der Film ist aber klug genug, mit derartigen Ängsten
nur im Subtext zu spielen, ohne auf der Handlungsebene den oftmals moralinsauren
Handlungsregeln des Horrorfilms zu folgen. Im Gegensatz zu anderen Actionheldinnen
erkauft nämlich Lt. Ellen Ripley ihren Status nicht über Verleugnung
ihrer Weiblichkeit. Hier etablieren die Drehbuchautoren und Regisseur Scott
erstmals einen eigenständigen Gegenentwurf einer "starken Frau",
die nicht einfach nur die Kopie eines Mannes darstellt. Interessanterweise ist
diese Figur in jeder drei Fortsetzungen stets auf eine leicht abgewandelte,
neue Weise interpretiert worden (James Cameron betont beispielsweise den mütterlichen
Aspekt von Ripley).
Es
ist diese mit dem Zuschauer nur halbbewussten Ängsten spielende Konstruktionsweise,
die "Alien" weitestgehend "zeitlos" erscheinen lässt
und wohl auch noch in Jahrzehntenten die Zuschauer erschrecken und verstören
wird. Die verblüffend modern wirkende Kameraführung und das trotz
geringen Budgets äußerst edel wirkende Setdesign verstärkt den
Eindruck, dass dieser Film weit weniger "Staub" ansetzt, als so manch
anderer Film der letzten 25 Jahre.
NOTE:
1
Der
Director’s Cut
Dennoch
hat sich Regisseur Ridley Scott nach einem Vierteljahrhundert erneut hinter
den Schneidetisch gesetzt, um eine neue Fassung des Filmes zu erstellen. Der
ursprüngliche Anlass war dabei die Vorbereitung einer gigantischen DVD-Box,
die Ende 2003 erscheint (Umfang 9(!) DVDs mit allen drei Filmen in verschiedenen
Versionen) und für die das Original von 1979 aufpoliert werden sollte.
Es blieb jedoch nicht dabei, einfach nur den Ton neu abzumischen und das Filmmaterial
zur restaurieren. Ridley Scott nahm einige Änderungen im Schnitt vor und
fügte neue Szenen ein. Ungewöhnlich an dem Director’s Cut ist, dass
auch Filmmaterial entfernt wurde. Gerade der Einstieg in manche Szenen, in denen
sich die Kamera oft viel Zeit lässt, wurden von Scott "zurechtgestutzt",
weil er sie als zu langatmig empfand. Das Ergebnis ist nicht immer überzeugend,
manche Übergänge wirken nun etwas holprig. Auch über den Wert
der eingefügten Szenen lässt sich streiten. Für Fans ist es möglicherweise
ganz interessant, einige neue Schnipsel in "ihrem" Film zu sehen,
doch letzten Endes bringen die neuen Szenen wenig für die Handlung des
Filmes. Sie vermögen es aber auch nicht, dem Film zu schaden, dennoch erscheint
es fragwürdig, ob man an einem derartigen Klassiker herumschnippeln sollte,
wenn man ohnehin nichts substantiell Neues beizutragen hat. So hinterlässt
der "Director’s Cut" den etwas schalen Nachgeschmack der lancierten
Promotionsmaßnahme für die DVD-Veröffentlichung.
Daniel
Möltner
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Alien
– Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt
Originaltitel:
Alien
GB,
1979, 115min
(Director’s
Cut: USA/GB, 2003, 117min)
Regie:
Ridley Scott
Drehbuch:
Dan O’Bannon, Ronald Shusett
Kamera:
Derek Vanlint
Musik:
Jerry Goldsmith
Darsteller:
Sigourney Weaver – Lt. Ellen Ripley
Tom
Skerrit – Dallas
Yaphet
Kotto – Parker
John
Hurt – Kane
Ian
Holm – Ash
Harry
Dean Stanton – Brett
Veronica
Cartwright – Lambert
zur
startseite
zum
archiv