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Alien – Die Wiedergeburt

Gern unterschätzter Abschluss der Alien-Tetralogie – die Vorgänger als ironischer Schnelldurchlauf.

 

Zweihundert Jahre nach Alien 3: In einem militärisch-industriellen Komplex wird an der Wiederherstellung des außerirdischen Wesens gearbeitet. Zu diesem Zweck wird eine mit der Alienkönigin schwangere Ripley (Sigourney Weaver) geklont – das Resultat ist eine Mixtur aus menschlichem Aussehen und der Kraft und Gefährlichkeit des Aliens. Bald darauf trifft eine Gruppe von Weltraumpiraten auf der Station ein, die den Forschern nach der erfolgreichen Geburt frisches Menschenmaterial zur Alien-Zucht bringt. Doch inzwischen ist der Königin die Flucht gelungen. Auf der Station bricht Chaos aus – nur wenigen gelingt es, vor der sich schnell vermehrenden Herde zu entkommen. Es liegt an den verbliebenen Piraten, sich zu retten und zu verhindern, dass die Station ihren Kurs auf die Erde beibehält, wo sie die menschliche Zivilisation auslöschen könnten. Nur widerstrebend akzeptieren die Renegaten dabei Ripley als Partner: Schließlich ist ein Teil von ihr der Feind.

 

Nachdem in Alien 3 ein unzureichendes Drehbuch und feierlicher Ernst für ein eher unbefriedigendes Erlebnis gesorgt hatte, holte man für den vierten Teil den französischen Regisseur Jean-Pierre Jeunet. Der hatte in den mit Marc Caro gedrehten Filmen Delicatessen und besonders Die Stadt der verlorenen Kinder nicht nur ein Auge für futuristisches Design bewiesen, sondern auch seinen abgedrehten Sinn für Humor ins Genre gebracht. Der bleibt auch hier unangetastet – und das ist ein echter Glücksfall für den vierten Eintrag in die Alien-Serie. Man kann sich schließlich nicht ewig ernst nehmen: Und gerade nachdem der Vorgänger ja schon als endgültiger Abschluss der Reihe angelegt war, tut es gut, hier die altbekannten Drehbuchmuster mit der nötigen Ironie serviert zu bekommen. Alien Resurrection gibt sich keinen Illusionen mehr hin, dass mit einer weiteren Folge noch großartig Wichtiges oder Originelles gemacht werden könnte: Anstelle mühseliger Parallelen gibt es hier die Elemente der ersten drei Teile als hochgradig amüsanten Dub-Remix.

 

Das wird schon zu Anfang klar, wenn die geklonte Ripley auf ihre Lernfähigkeiten hin getestet wird: "Fork", sagt der Wissenschaftler, eine Gabel hochhaltend. Und Ripley blickt kurz hin und wiederholt nonchalant "Fuck?". Dialogspaß wird großgeschrieben in Alien Resurrection, und glücklicherweise hat Jeunet die richtige Besetzung, um das auch funktionieren zu lassen. Ron Perlman hat als Pirat stets einen blöden one-liner auf den Lippen, Brad Dourif gibt einen durchgeknallten Wissenschaftler, Dan Hedaya brilliert als haarig-pedantischer Stationsleiter, Jeunet hat noch ein paar seiner Haus- und Hofdarsteller mitgebracht (Dominique Pinon und Gary Dourdan) und abgerundet wird die Liste durch immer gern gesehene Gesichter wie Michael Wincott. Sie alle treffen genau den richtigen Ton zwischen Härte und Parodie, um den Film auf seinem ironischen Vibe dahingleiten zu lassen – ein Glücksfall wie die Besetzung von Aliens.

 

Dabei gehört der Film vermutlich noch mehr Sigourney Weaver als seine Vorgänger: Sie sieht nicht nur in jedem Teil besser aus (hier schlägt sie Winona Ryder mit links), sondern legt noch mehr Zornigkeit und Witz an den Tag als in den früheren Werken. Im Verlauf der Alien-Filme wird ihre Rolle nämlich nicht nur immer zwielichtiger (sie wird immer mehr zum Spiegelbild der Aliens: Hier zirkuliert sogar schon das säureartige Blut in ihren Adern), sondern auch mit mehr Sinn für Selbstironie angelegt. Als Resultat wird Ripley mit jedem Film komplexer als in den Vorgängern – ein ähnlicher Idealfall von Interaktion zwischen Schauspieler und Rolle wie Al Pacinos Godfather-Darstellungen.

 

Das lässt sich natürlich nicht nur mit Witz erreichen: Obwohl er grundlegend als komische Actionvariante der drei ersten Teile funktioniert, sind die zentralen Stücke dieses Films ernst gearbeitete Szenen. Neben dem stärksten emotionalen Moment des Films (in dem Ripley ihre Klonvorgänger entdeckt – grauenvoll entstellte Wesen), der auch notwendig ist, um einen gefühlsmäßigen Grundstein für Ripleys ambivalente Beziehung zu ihrer Vergangenheit zu legen (bei allem Sinn für Humor, eine reine Parodie will man schließlich auch nicht machen), sind das eine fein gearbeitete Unterwassersuspenseszene (eines der vielen schönen Details des Films, die klar die Handschrift des Regisseurs tragen: Ripley schwimmt eher wie ein Alien denn wie ein Mensch) und – der furchtbare Makel, der Alien Resurrection leider zeichnet – der Showdown. Am Schluss stehen Ripley und Konsorten nämlich einer neuen Kreatur gegenüber; und während die Szenen hervorragend gearbeitet sind, sieht diese Mischung aus Baby und Alien einfach nur lächerlich aus. Das ist wirklich traurig (und vermutlich der Grund, warum dieser Film so sträflich unterschätzt ist), aber etwas anderes als ein Gefühl hochgradiger Peinlichkeit vermag dieses armselige Monster nicht hervorzurufen.

 

Wenn man Alien Resurrection allerdings diese Schwachstelle verzeiht, gibt es hier wenig auszusetzen. Der Film besticht ansonsten nämlich nicht nur durch kompetente Inszenierung, den Witz, den sein Vorläufer so kläglich vermissen ließ, und ein bemerkenswertes Darstellerensemble – die Innenräume (anstelle der klaustrophobischen Räume seiner Vorgänger setzt Jeunet zumeist auf große, gedehnte Hallen, die der Schauspielerinteraktion guttun) sind vielleicht die am liebevollsten und optisch schönsten gearbeiteten der Serie. Insofern ist Alien Resurrection ebenso Weavers Film wie der des Regisseurs: Hier wird eine glückliche Verbindung aus einem althergebrachten Stoff und originellem, persönlichem Stil gefunden.

 

Christoph Huber

 

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.allesfilm.com

 

 

Alien – Die Wiedergeburt

ALIEN: RESURRECTION

USA – 1997 – 109 min. – Scope – Verleih: 20th Century Fox, Fox Home (Video) – Erstaufführung: 27.11.1997/25.5.1998 Video – Produktion: Bill Badalato, Gordon Carroll, David Giler, Walter Hill

Regie: Jean-Pierre Jeunet

Buch: Joss Whedon

Kamera: Darius Khondji

Musik: John Frizzell

Schnitt: Hervé Schneid

Darsteller:

Sigourney Weaver (Ellen Ripley)

Winona Ryder (Annalee Call)

Brad Dourif (Dr. Gediman)

Ron Perlman (Johner)

Michael Wincott (Elgyn)

Dan Hedaya (General Perez)

Dominique Pinon (Vriess)

J.E. Freeman (Dr. Wren)

 

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