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Alien
Die
Kamera fährt langsam durch den Weltraum, dann durch das Raumschiff. Kein
lebendes Wesen ist (zunächst) zu sehen. Die siebenköpfige Besatzung
des Transportschiffs mit wertvoller Ladung ist „auf Eis gelegt“, schläft
auf der langen, Monate dauernden Fahrt zurück zur Erde. Maschinen, Roboter
haben die Steuerung des Schiffs übernommen. Sie empfangen einige merkwürdige
Signale aus der „näheren“ Umgebung. Das erinnert stark an einige Sequenzen
aus Kubricks „2001:
Odyssee im Weltraum“
(1968), an die dortigen fast schon behäbigen Kamerafahrten durch das von
HAL 9000 – dem hochentwickelten, „intelligenten“ Bordcomputersystem – gesteuerte
Raumschiff, auf dem sich nur zwei Besatzungsmitglieder befanden.
Ridley
Scotts „Alien“ ist trotzdem keine Kopie von „2001: Odyssee im Weltraum“. Plötzlich
erwacht Leben auf der „Nostromo“ (der Name erinnert an „Nostradamus“, den Propheten,
Hellseher, Astrologen und für manchen wohl Scharlatan aus dem 16. Jahrhundert,
der heute noch einige Anziehungskraft in entsprechenden Kreisen hat). Die sieben
Besatzungsmitglieder erwachen, treffen sich zum Frühstück, machen
ihre Scherze, erste Konflikte werden offenbar. Die beiden Techniker Parker (Yaphet
Kotto) und Brett (Harry Dean Stanton) wollen den gleichen Anteil am Gewinn wie
die anderen und stänkern herum. Captain Dallas (Tom Skeritt) hat Mühe,
sie in Schach zu halten. Ripley (Sigourney Weaver), seine resolute und selbstbewusste
Stellvertreterin, mag die beiden nicht besonders. Lambert (Veronica Cartwright)
und Kane (John Hurt) halten sich etwas zurück. Und der siebte an Bord,
der Wissenschaftler Ash (Ian Holm) beobachtet das Ganze aus einer nüchternen,
fast emotionslosen Perspektive. Aus einem Raumschiff, das anfangs wie ein Totenschiff,
ein riesiger Sarg im unendlichen Weltraum wirkte, ist eine kleine, lebendige
Welt geworden, zwar weit weg von der Heimat Erde, aber nichtsdestotrotz eine
vitale Gemeinschaft, ein winziges Abbild der (amerikanischen) Gesellschaft,
in einer fremden, noch jedenfalls weitgehend unbekannten Umgebung – Aliens eben.
Die
Signale sind nicht das einzige, was die Besatzung beunruhigt. Das Raumschiff
ist völlig vom geplanten Kurs abgekommen, vom schnellsten Weg nach Hause.
Lambert berechnet, dass man nun etliche Monate brauche, um wieder zur Erde zu
kommen. Warum der Bordcomputer diesen enormen Umweg gefahren ist, bleibt ein
Rätsel. Dallas löst nicht gerade Begeisterung bei den anderen aus,
als er befiehlt, den Signalen nachzugehen, die möglicherweise SOS bedeuten
könnten. In solchen Fällen sind die Richtlinien klar: Man ist verpflichtet,
Hilferufen nachzugehen. Bald ist der Planet ausgemacht, von dem die Signale
ausgehen. Dallas, Kane und Lambert fahren auf den klimatisch äußerst
unwirtlichen Planeten, auf dem Temperaturen weit unter Null herrschen. Sie entdecken
eine Art Raumschiff, um dem Signal auf die Spur zu kommen. Sie finden ein riesiges
Skelett, und Kane stößt auf eierartige Gebilde. Als er eines dieser
Eier öffnet, springt ihm ein glitschiges Lebewesen mit Fangarmen auf den
Helm, öffnet ihn und setzt sich auf sein Gesicht. Dallas und Lambert bringen
Kane zurück an Bord. Ripley weigert sich, die drei durch die Schleuse zu
lassen, weil sie sich streng an die Vorschriften hält und nicht die ganze
Crew gefährden will. Doch Ash öffnet die Schleuse. Kane scheint noch
zu leben, er atmet, bewegt sich jedoch nicht mehr. Als Ash in einen Fangarm
der Kreatur schneidet, fließt eine ätzende Flüssigkeit heraus,
die sich durch den Boden nach unten frisst. Zu aller Glück durchfrisst
sie nicht die Außenwände des Raumschiffs.
Kurze
Zeit später fällt die Kreatur von Kane herunter. Kane scheint wieder
völlig in Ordnung, die Kreatur tot zu sein. Man begibt sich zum Essen.
Kane ist gut gelaunt, isst, doch plötzlich fängt er an zu würgen,
keuchen, als wenn er demnächst ersticken würde. Die anderen halten
ihn auf dem Esstisch fest. Sein Bauch wölbt sich, platzt, Blut strömt
heraus – und eine kreischende Kreatur mit einem kleinen Kopf auf langem Hals
verbreitet Angst und Schrecken. Sie verschwindet irgendwo im Raumschiff. Kane
ist tot. Es beginnt eine doppelte Jagd. Die Crew jagt die Kreatur und letztere
die Crew. Die Kreatur hat mehr Erfolg als die Crew. Und Ripley entdeckt ein
erschreckendes Geheimnis …
Scott
steigert im Verlauf des Films die klaustrophobische Atmosphäre zunehmend.
Es gibt etliche Szenen, die fast zum Zerreißen spannend sind, etwa als
Brett der an Bord befindlichen Katze nachjagt, „Kittikittikit“ ruft, und man
jeden Moment darauf wartet, die Kreatur würde über ihn herfallen.
Oder wenn Dallas in einen Luftschacht kriecht, bewaffnet mit einem Flammenwerfer,
Lambert auf dem Monitor sieht, wie die Kreatur sich Dallas nähert, der
sie aber nicht sehen kann. Oder auch, wenn Lambert vor der Kreatur steht, bewegungsunfähig
vor Angst, und Parker auf die mit jedem ihrer Opfer größer werdende
Kreatur losgeht. H. R. Giger kreierte diesen Alien, ein Wesen ohne Gewissen,
ausschließlich auf Leben und Überleben programmiert, ähnlich
einem Reptil, mit messerscharfen, langen Zähnen. Michael Seymor zauberte
ein Szenenbild, das für diese Jagd auf Beute exzellent funktioniert: dunkle,
verwinkelte Räume, Gänge, Schächte, etliche Möglichkeiten
für die Kreatur, sich zu verstecken.
Eine
„Schachfigur“ nach der anderen fällt dem fremden Wesen zum Opfer. Der Showdown
mit Sigourney Weaver samt Katze gegen die Kreatur gehört zu den spannendsten
Momenten der Filmgeschichte, das kann man glaube ich ohne Übertreibung
sagen. Was den Film darüber hinaus auszeichnet, ist, dass er seine Figuren
nicht zu Anhängseln der special effects macht. Alle sieben Personen an
Bord sind – mehr oder weniger jedenfalls – als Menschen mit bestimmten Charakterzügen
erkennbar. Hinzu kommt die spezifische Rolle von Ash, über die ich hier
natürlich nichts verraten will. Im Gegensatz zu den Ende der 70er Jahre
in die Kinos gebrachten „Star
Wars“-
und „Star
Trek“-Geschichten
ist „Alien“ weniger ein Sciencefiction- als ein Horrorfilm. Der Film hat mehr
Ähnlichkeiten mit „Halloween“
als mit SF-Filmen. Scott reizt Klaustrophobie und Angstsituationen extrem aus,
treibt sie bis zur letzten Sekunde fast schon unbarmherzig voran.
„Alien“
gehört zu jener Reihe von Filmen, denen u.a. auch vorgeworfen wurde, das
„Fremde“ in einem übertragenen Sinn als durch und durch „Böses“ zu
stilisieren. Ich kann mich dem nicht anschließen. „Alien“ steht in einer
wesentlich längeren Tradition von Filmen, die mit Ängsten operieren,
die sich – sei es in außerirdischen, sei es in sehr irdischen – Wesen
personalisieren. Das ist das eigentliche Thema, zumal in diesem Film die Verantwortung
für den Tod von sechs der sieben Crew-Mitgliedern bei einer sehr irdischen
Quelle liegt. Wenn überhaupt ist „Alien“ eher Ausdruck für eine aufgrund
der veränderten gesellschaftlichen Entwicklungen ebenso modifizierte Behandlung
des Themas Angst vor etwas, was man nicht kennt. Die exzellente Besetzung wie
die ebenso ausgezeichnete Inszenierung macht „Alien“ zu einem Klassiker, wie
gesagt, eher des Horror- als des SF-Films. Leider wurden einige Szenen nicht
in den Film aufgenommen, z.B. eine Auseinandersetzung zwischen Lambert und Ripley,
die dem Film noch mehr Tiefe gegeben hätten. Sie sind auf der DVD (und
auch der neueren Videofassung – der Herausgeber) allerdings als Zusatzmaterial
vorhanden.
Ulrich
Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen bei CIAO.com
Zu "Alien" gibts im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Alien
[Alien]
England 1979
Start:
25.10.1979
Verleih:
Fox
Laufzeit:
116
FSK: 16
Drehbuch: Dan O’Bannon, Ronald Shusett
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Tom Skerritt, Sigourney Weaver, Veronica Cartwright,
Harry Dean Stanton, John Hurt, Ian Holm, Yaphet Kotto
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