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Aeon
Flux
Karyn Kusama bringt
eine Comicserie von MTV auf die Leinwand
Es gibt diese Redensart, die man leicht geändert
auf Filme anwenden kann: "Ist der Ruf erst ruiniert, schaut man sie ganz
ungeniert." Als Verfilmung einer MTV-Comic-Serie mit Oscar-Preisträgerin
Charlize Theron in der Hauptrolle war Aeon
Flux weniger als innovatives Projekt
denn als hochrentabler Blockbuster geplant. Dann aber wurde einer der vielen
Flops daraus, die im Endeffekt für den Umsatzrückgang an den amerikanischen
Kinokassen 2005 verantwortlich sind. Charlize Theron musste, wie im Jahr zuvor
Halle Berry durch Catwoman, einen herben Statusverlust hinnehmen. Aber all
das liegt sozusagen hinter diesem Film, wenn er nun bei uns in die Kinos kommt.
Und siehe da: Aeon Flux ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel Charme ein
durchgefallenes Werk entwickeln kann.
Das mag auch daran liegen, dass die Geschichte den
europäischen Zuschauer bei einer seiner aktuellen Ängste abholt: Im
Jahr 2015 dezimiert eine Virusepidemie die Weltbevölkerung. Dem Wissenschaftler
Trevor Goodchild gelingt es, ein Gegenmittel zu entwickeln, mit dem er die letzten
fünf Millionen Planetenbewohner retten kann. Verbarrikadiert von hohen
Mauern lebt der Rest der Menschheit von da an in einer Stadt namens Bregna;
um sie herum erobert sich die Natur die Erde zurück, heißt es.
Passend zu dieser Vorgeschichte, die die Pestangst
des Mittelalters mit den Überlebensentwürfen der Science-Fiction zusammenbringt,
ist Bregna eine irritierende Mischung aus florentinischem Stadtstaat und Raumschiff
Enterprise. Die Bevölkerung tummelt sich einerseits auf farbenfrohen Märkten
und trägt weit fallende Renaissance-Mäntel, andererseits bewegt sie
sich auf überdachten Rolltreppen in futuristischer Lack- und Latex-Kluft.
Charlize Theron alias Aeon Flux trägt natürlich letzteres, so kommt
ihre Wespentaillen-Figur besser zur Geltung. Durch Bregna schreitet ihre schlanke
Gestalt mit einer gewissen Zögerlichkeit, der man das Rebellentum ansieht,
noch bevor ihre Stimme aus dem Off sich dazu bekennt. 400 Jahre nach der Epidemie
nämlich scheinen die Goodchilds ein totalitäres Regime aufgebaut zu
haben, in dem laufend Menschen verschwinden. Die Untergrundorganisation der
"Monicans" kämpft dagegen und schreckt dabei auch vor Attentaten
nicht zurück.
In allerlei innovativen Kleinigkeiten beweist der
Film große Originalität. Da gibt es diese neue Form der Telekommunikation:
Aeon Flux begegnet im Park einem Mann, sie küssen sich, um gleich darauf
getrennte Wege zu gehen. Der Kuss war nur dazu da, um von Mund zu Mund eine
Kapsel weiterzugeben, die Aeon nach Verschlucken ein "innerliches"
Rendezvous mit der Chefin ihrer Organisation ermöglicht. Ähnlich bahnbrechend,
was neue Techniken angeht, sind auch die Sicherungsanlagen des Präsidentenpalasts,
in den Aeon sich Eintritt verschafft, um Goodchild zu ermorden: ein Wunder an
Bio-Engineering mit schnellschießenden Bohnenstauden, messerwerfenden
Baumfrüchten und Gras, das igelhaft seine Stacheln aufstellt. Die Handlung
folgt vorhersehbaren Bahnen mit angenehm düsteren romantischen Untertönen:
Zärtlich ruft Präsident Goodchild (Marton Csokas) seine Attentäterin
beim Vornamen; der Anschlag misslingt, aus dem Kampf gegen ein Regime wird einer
um die Wahrheit, und in 90 Minuten ist alles vorbei.
Barbara Schweizerhof
Girl Fight-Regisseurin Karyn Kusama scheitert
nicht uncharmant an einer Zukunftsvision, in der sich Star
Trek mit Boccaccio
vermählt: im Detail originell, im Großen und Ganzen zu pompös.
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film
Aeon
Flux
USA 2005. R: Karyn Kusama. B: Phil Hay, Matt Manfredi
(nach Figuren von Peter Chung). P: Gale Anne Hurd, David Gale, Gary Lucchese,
Greg Goodman, Martha Griffin. K: Stuart Dryburgh. Sch: Peter Honess, Plummy Tucker. M: Graeme Revell. T: Manfred Banach.
A: Andrew McAlpine, Dave Warren. Ko: Beatrix Aruna Pasztor.
Sp: Jonathan Rothbart, Colin & Greg Strause. Pg: Paramount/Lakeshore Entertainment/Valhalla
Motion/ MTV. V: UIP. L: 93 Min. FSK: 12, ff. Da: Charlize Theron (Aeon Flux),
Marton Csokas (Trevor Goodchild), Jonny Lee Miller (Oren Goodschild), Sophie
Okonedo (Sithandra), Pete Postlethwaite (Keeper), Frances Mc Dormand (Handler),
Amelia Warner (Una Flux), Caroline Chikezie (Freya).
Dt. Start: 16.2.2006
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