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Adaption
Wer
sich je für eine Filmschule beworben hat, kennt die Situation: Man kriegt
als Aufnahmetest ein Thema vorgesetzt, das sich ein paar gelangweilte Dozenten
in ihrer Mittagspause ausgedacht haben, und muss daraus einen Film machen; in
sehr kurzer Zeit, mit knappstem Budget, und das alles auch noch gut. Die meisten
angehenden Filmer kommen bei der Suche nach einer zündenden und rasend
originellen Idee früher oder später auf den gleichen Einfall – "Wie
wäre es, einen Film darüber zu machen, dass mir zu dem Thema nichts
einfällt?" Glücklicherweise lassen die meisten die Idee aber
auch wieder fallen, denn ganz so brillant ist sie genauerer Betrachtung eben
doch nicht. Doch jetzt gibt’s endlich Gerechtigkeit für alle erfolglosen
Filmschulaspiranten, Adaptation
ist nichts anderes als die Neunzigminutenversion des "Mir fällt nichts
ein"-Bewerbungsfilms.
Für
Adaptation
verantwortlich sind Regisseur Spike Jonze und Drehbuchautor Charlie Kaufmann,
also exakt jenes Duo, das uns bereits Being
John Malkovich
beschert hat, einen Film, der so verdreht witzig, ironisch, abgebrüht und
hyper-postmodern war, dass er einfach einen Oscar kriegen musste. Seit ihrem
Erstling sind die beiden in Hollywood heiss begehrt – hipper als hip, wie das
im Jargon heisst –, und allseits war man auf den neuen Film der beiden gespannt.
Am Anfang des neuen Projekts stand das Vorhaben, The
Orchid Thief
für die Leinwand umzusetzen, ein Buch, das hauptsächlich von Blumen
handelt und dem so ziemlich alles fehlt, was eine Geschichte für Hollywood
interessant macht. Es gibt weder Gewalt noch Sex und eigentlich auch gar keinen
echten Plot. Drehbuchwunderkind Kaufmann kämpfte sich mit dem Stoff ab,
versuchte verzweifelt, der literarischen Vorlage gerecht zu werden, und scheiterte
auf der ganzen Linie. Der
Orchideendieb
liess sich einfach nicht vor die Kamera bringen. Also verfiel der gebeutelte
Drehbuchautor auf die älteste aller Ideen, er schrieb ein Drehbuch darüber,
dass er es nicht fertig bringt, ein Drehbuch zu schreiben.
Und
so sehen wir denn Charlie Kaufmann, einen unansehnlichen, übergewichtigen
Kerl mit schütterem Haar und schlabberigen Kleidern. Ein schüchterner,
gehemmter Aussenseiter, dessen einziges Hobby Masturbation ist, und der sich
– neben einer Idee für sein Drehbuch – doch nichts sehnlicher wünscht
als eine Frau an seiner Seite. Nicolas Cage, nach vielen uninteressanten bis
ärgerlichen Filmen beinahe abgeschrieben, spielt diese Figur mit viel Lust
am Hässlichen. Und er tut dies gleicht doppelt, denn der Drehbuchautor
Kaufmann hat seinem filmischen Alter Ego noch einen Zwillingsbruder verpasst.
Donald Kaufmann ist zwar dämlich und versteht nichts von Filmen, doch hält
ihn das keineswegs davon ab, nach Lektüre eines Ratgebers für Scriptschreiber
selbst sein Glück als Autor zu versuchen. Natürlich wird sein Thriller
– Mörder, Opfer und Detektiv sind in seinem Film alle Teil der gleichen
multiplen Persönlichkeit – vom Studio gleich begeistert gekauft, während
Bruder Charlie noch immer mit seinen Orchideen ringt. Denn dessen Film soll
eben nicht dem typischen Hollywood-Muster folgen. Keine Waffen, kein Sex und
keine halsbrecherischen Verfolgungsjagden. Es soll ein Film über Blumen
werden, über Menschen, die von einer Leidenschaft besessen sind, über
die Evolution und die Entstehung der Welt, über Adaption in allen Bedeutungen
und Facetten des Wortes. Kurz: ein kleiner Film über Orchideen und alles
andere noch dazu.
Was
kommt nun dabei raus, wenn sich das angesagteste kreative Paar an einer der
ältesten Filmideen vergreift? Zu Beginn einfach nur pure Brillanz. Kaufmann
und Jones können was und scheuen sich auch nicht, es zu zeigen. Hier türmt
sich Anspielung auf Anspielung, wird jede Pointe mindestens dreimal ironisch
gebrochen, ist alles ein unglaublich verschachteltes und unterhaltsames Spiel.
Da werden nicht nur die verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen scheinbar
beliebig durcheinander geworfen, in einer halsbrecherischen Montagesequenz schlägt
der Film auch die Brücke zwischen Kaufmanns Drehbuch, der Schönheit
von Orchideen und der Darwinschen Evolutionstheorie, gerade so, als sei’s die
normalste Sache der Welt. Bis zur Pause bietet Adaptation
hervorragende Unterhaltung, eine einzige Abfolge witziger Szenen und hintergründig-ironischer
Dialoge. Doch unglücklicherweise gibt es auch noch einen zweiten Teil,
leider muss auch dieser Film zu einem Ende kommen und kann nicht nach fünfundvierzig
Minuten einfach abbrechen. Um den narrativen Bogen zu kriegen, müsste Adaptation
aber zuerst einmal eine Geschichte haben, und genau das tut er nicht. Kaufmanns
Drehbuch handelt ja gerade davon, wie man ein Drehbuch schreibt, wenn man keine
Geschichte hat.
Zum
Schluss packt Kaufmann noch all das in sein Script, wogegen er sich solange
gewehrt hat: Es gibt nach einigen Drehungen des Plots Sex, Waffen, Drogen und
halsbrecherische Verfolgungsjagden en masse. Im letzten Drittel – und nur dieses
zählt, wie uns Donalds Drehbuchguru, der auch in Wirklichkeit existierende
Robert McKee, erklärt – enthält Adaptation
alle Zutaten für einen typischen Abenteuerfilm hollywoodscher Prägung,
und auch das Happyend folgt auf den Fuss. – Ist das nun ironisch gemeint, nimmt
sich da der Film vielleicht selbst auf die Schippe? Natürlich ist das der
Fall, doch leider reicht das alleine nicht. Denn nur Ironie – so konsequent
sie auch sein mag – macht eine schlechte Szene noch nicht gut. Und das Ende
von Adaptation
ist schlecht, es ist ärgerlich und langweilig und nicht annähernd
so geistreich wie der Anfang. Der drastische Qualitätsabfall mag zwar durch
die endlosen Diskussionen über gute und schlechte Scripts, über all
die dos und dont’s des Drehbuchschreibens, siebzehnfach reflektiert und dazu
noch unglaublich raffiniert und postmodern sein, das blosse Wissen um all die
Cleverness sorgt aber noch nicht für gute Unterhaltung.
Allen
angehenden Filmschülern dieser Welt sei es deshalb hiermit verkündet:
Falls Ihr je die Idee haben solltet, einen Film darüber zu machen, dass
Euch nichts einfällt, dann vergesst sie sofort wieder.
Simon
Spiegel
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: simifilm
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
der filmzentrale mehrere Texte
Adaption
USA
2002 – Originaltitel: Adaptation – Regie: Spike Jonze – Darsteller: Nicolas
Cage, Meryl Streep, Chris Cooper, Tilda Swinton, Cara Seymour, Brian Cox, Judy
Greer, Maggie Gyllenhaal, Ron Livingston, Jay Tavare – FSK: ab 12 – Länge:
115 min. – Start: 13.3.2003
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