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Absolute Wilson

 

Zum Genuss dürfte es sich lohnen, ein Robert-Wilson-Fan zu sein, sonst könnte einem die Euphorie, mit der diese Lobhudelei auf den leicht größenwahnsinnigen avantgardistischen Opern- und Theater-Regisseur ihren Gegenstand hochleben lässt, etwas auf die Nerven fallen. Nachdem ich aber vor ein paar Jahren mir Wilsons "Doktor Caligari" immer wieder und wieder im Deutschen Theater reinzog, der als Theaterstück ein viel größeres filmisches Erlebnis war als die im Vergleich dazu eher theatralischere Stummfilmvorlage (hier kann man meine jugendlichen Begeisterungsstürme zum Stück lesen), bin ich eben so ein Wilson-Fan geworden, und stelle fest: "Absolute Wilson" hat mir, als zu vermutendem Zielpublikum, ordentlich Spaß gemacht 😀

 

Erzählt werden Lebens- und Schaffensgeschichte Wilsons, vor allem von Wilson selbst: seine leicht autistische Jugend in Waco, Texas; seine völlige Abwendung von der Wunschkarriere des Vaterhauses hin zum schwulen Tanzkünstler in New York (Künstlerbiographienklischees hoch drei, sogar Suizidversuch usw. kommen vor); die Formung seiner visuellen, rhythmisierten, sinnlich erschlagenden Bühnenästhetik aus Erfahrungen bei der Arbeit mit Hirn- und Anderswiegeschädigten; seine immer größenwahnsinnigere internationale Projekte beflügelnden Erfolge, bis zum glorreichen Scheitern des olympischen Welt-Megaprojektes "The CIVIL WarS"; …

 

Zugegeben: Allzu revolutionär ist "Absolute Wilson" als Vertreter des Genres ‘aufregende Nacherzählung eines Künstler-Genie-Lebens’ sowohl ideologisch als auch formal nicht aufgebaut – wobei schon eine gewisse stilistische Spielfreude im Umgang mit echtem Archivmaterial und rein illustrierendem Fremdmaterial zu verzeichnen ist. Zu einer ernsthaften Analyse seines Schaffens kommt es jedoch genauso wenig wie zu einer Hinterfragung des geradezu guruhaften Wirkens Wilsons auf jene, mit denen er zusammenarbeitet bzw. für sein Schaffen sich anzueignen scheint; vielmehr wird er in einem schon verdächtigen Maße als großer Menschenfreund und Wohltäter portraitiert.

 

Aber wenn einen das nicht stört, hat man sehr, sehr vieles, woran man sich erfreuen kann, auch jenseits der teils wunderschön abstrusen biographischen Anekdoten. Jeder Ausschnitt, und derer gibt es hier Unmengen, einer Wilson-Inszenierung ist ein Fest für die Sinne, und gerade für Freunde filmischer Spektakel-Formen erbaulich (auch wenn man wohl mal eine im Theater erlebt haben sollte, um die Bilder wirkungsvoll erfahrungsmäßig einzuordnen); auf der Tonspur gibt es mittels der Ausschnitte auch zum Beispiel ganz viel den nach plomlompom-Maßstäben ganz grandiosen Philip Glass zu hören; und Herr Glass, genauso wie David Byrne, Tom Waits, William S. Burroughs und Susan Sontag, erleben immer wieder allerhübscheste persönliche Gastauftritte (ganz kurz blicken lassen sich sogar Louis Aragorn und Heiner Müller).

 

Christian Heller

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in:   Plomlompom.de

 

Absolute Wilson

Deutschland / USA 2006 – Regie: Katharina Otto-Bernstein – Darsteller: Robert Wilson, Susan Sontag, Philip Glass, David Byrne, Jessye Norman, Charles Fabius, Maita di Niscemi, Christopher Knowles, John Rockwell, John Simon – FSK: ab 6 – Länge: 105 min. – Start: 12.10.2006

 

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